Panorama

Adam Scott: „Mit den neuen Golfregeln machen wir uns zur Lachnummer!“

21. Feb. 2019 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Adam Scott lässt seit 2019 beim Putten den Fahnenstock stecken. (Foto: Getty)

Adam Scott lässt seit 2019 beim Putten den Fahnenstock stecken. (Foto: Getty)

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Es gibt diese quasi moralische 100-Tage-Frist, die zum Beispiel neuen Amtsinhabern oder Regierungen gemeinhin als Schonzeit zugestanden wird. So gesehen hat die seit 1. Januar gültige Reform der Golfregeln noch ein paar Wochen, um eine erfolgreiche Wirkweise zu beweisen. Doch es brodelt in der Golferseele, mehr noch: Bei den Professionals zuvorderst kursiert die Unsicherheit. Statt das Spiel zu vereinfachen und zu beschleunigen, haben die Gralshüter von R&A und USGA das Ganze – so scheint es – eher verkompliziert und irgendwie ins Absurde getrieben. Mehr noch: „Sie haben den Sinn und das Ziel des Spiels verändert“, kritisiert beispielsweise Adam Scott. Im Gespräch mit der „New York Times“ meinte der Australier: „Momentan ändern sich die Golfregeln beinahe wöchentlich. Das ist verrückt. Damit machen wir uns zur Lachnummer!“

Beim Droppen spielt das Risiko mit

Na klar, verkürzte Suchzeiten oder vereinfachte Prozedere bei abseitigen Bällen mögen in der Freizeitgolfer-Basis sinnvoll sein, doch auf höchster Ebene kommt das naturgemäß seltener zum Tragen. Dafür spielt jetzt beispielsweise bei jedem Drop aus der neuerdings vorgeschriebenen Kniehöhe das Risiko mit – von der lächerlichen Haltung ganz zu schweigen. „Das ist total umständlich, unbequem und peinlich“, sagt Scott, der sich bei jeder Kniebeuge beobachtet und auf den Zentimeter bemessen fühlt; der Masters-Sieger von 2013 und einstige Weltranglistenerste droppt keinen Ball, ohne sich vom Caddie oder von einem Offiziellen den korrekten Abstand zum Boden bestätigen zu lassen.

Regeln entwirren, nicht das Spiel verändern

Auch das mit der Erlaubnis, den Fahnenstock im Loch zu lassen, ist so eine Sache. Bryson DeChambeau, der sich in gewohnt wissenschaftlicher Manier bereits seine Vorteile errechnet und darin nicht zuletzt von Kurzspiel-Guru Dave Pelz unterstützt wird, sinnierte bereits vergangenes Jahr: „Da hätten sie gleich das Loch größer machen können.“ Heute sagt er, dass es bei allem Eifer, die Regeln zu entwirren, sicher nicht die Absicht der Verbände gewesen sei, damit das Spiel und seine Herausforderungen zu verändern oder zu vereinfachen.

Doch genau darauf läuft es für Adam Scott hinaus, der sich im Tour-Ranking des „Strokes gained Putting“ um 139 Plätze verbessert hat, seitdem er auf den Pin zielt: „Um ehrlich zu sein, ändert das fast den Sinn des Spiels. Es geht nicht mehr ums Einlochen des Balls, sondern bloß noch darum, den Stock zu treffen. Über zuviel Rollgeschwindigkeit muss man sich kaum noch einen Kopf machen.“

Weitere Grauzonen statt Golf-Entwicklung

Oder das Ausrichten beim Putten durch den Caddie, nach einigen schrägen Vorkommnissen mittlerweile präziser formuliert. Salopp gesagt, ist die Zielführung straffrei, wenn der Spieler seinen Stand neu oder erst einnimmt, nachdem der Caddie sich ins „Abseits“ begeben hat. „Es gab sicher einige Dinge, die im Nachhinein hochgekommen sind“, gestand USGA-Chef Mike Davis gegenüber dem Portal „Global Golf Post“ ein. „Das haben wir so nicht bedacht oder erwartet. Grundsätzlich nehmen wir indes weltweit eine sehr positive Resonanz wahr.“

Die Professionals sehen das etwas anders. Und sie fragen überdies dezidiert nach dem Nutzen der neuen Regeln. „Statt das Spiel zu fördern, haben sie [die Verbände] unnötigerweise weitere Grauzonen eingefügt“, moniert Scott. Seiner Ansicht nach gehören die essenziellen Regeln auf die Rückseite einer Scorekarte, so dass sich Anfänger damit anfreunden können, statt durch einen beinahe Enzyklopädie dicken Wust an Bestimmungen direkt wieder abgeschreckt zu werden: „Wenn die Neulinge dann Fortschritte im Spiel machen, kann man sie immer noch an die Details dieses sehr komplexen Spiels heranführen.“ Das ist kein schlechter Gedanke!

„Regeln sollen Integrität schützen“

Schützenhilfe bekommt er von Rickie Fowler: „Alle reden ständig von Wachstum; davon, Golf einfacher und schneller zu machen und so weiter. Das freilich hat mit Wachstumsförderung nichts zu tun.“ Der Kalifornier war selbst betroffen. Beinahe hätte er die Phoenix Open noch hergeschenkt, als er sich während des Schlussdurchgangs im TPC Scottsdale unter anderem einen Strafschlag einhandelte, weil sein nach einem Schlag ins Wasser zwei Mal gedroppter und dann hingelegter Ball sich doch in Bewegung setzte und in den Teich rollte.

„Rickie war gar nicht in der Nähe des Balls und hat nichts gemacht, was den Ball hätte beeinflussen können“, attestierte TV-Zuschauer Tony Finau. „So etwas ist ungerecht und widerspricht dem Geist des Golfspiels. Wenn die Regeln diese gewünschte Integrität nicht schützen, dann sind sie falsch!“

Es gibt allerdings auch die Version, dass Fowler den Drop-Punkt mit einem Tee hätte markieren, dann seine Linie besichtigen und erst kurz vor dem Schlag das Tee durch den Ball ersetzen können. In der Theorie sicher richtig, gleichwohl umständlich und kompliziert – was zu beweisen war.

Strafforderungen für „Slowpoke“ Holmes

Und dann ist da noch Genesis-Open-Sieger J.B. Holmes, ohnehin einer von den notorischen Langsamspielern auf der Tour – den schönen Begriff „Slowpoke“ („Lahmarsch“) haben die Amis dafür –, der während seiner Finalrunde die Spieltempo-Bestimmungen der PGA Tour nicht nur aus-, sondern erneut gehörig überreizt hat. Es gibt eine Menge Leute, gerade in den sozialen Netzwerken, die Strafen für den Trödler gefordert haben. 40 Sekunden sieht das Reglement für Vorbereitung und Ausführung eines Schlags vor, Holmes brauchte teilweise quälende anderthalb Minuten.

Nun liegt es in der Ermessenssache der Schiedsrichter, Gnade vor Recht walten zu lassen – ohnehin, wenn es im Schlussflight um einen Haufen Preisgeld-Dollars geht, und erst recht bei den widrigen Windbedingungen im Riviera Country Club. „Ich würde gern mal einen nehmen, der sich beschwert, und ihm sagen: So, mein Freund, wir haben 170 Meter bis zur Fahne, der Wind kommt in heftigen Böen von vorn und die Million winkt. Mach‘ voran und spiel am besten noch ein Birdie“, ätzte Kevin Kisner.

„Leute kopieren alles, was wir tun“

Dennoch, bei konsequenter Auslegung hätte Holmes mindestens auf die Uhr genommen gehört. „Wir haben ja Verfahrensweisen und die entsprechen den Regeln, um sie durchzusetzen“, sagte Billy Horschel am Rand der WGC – Mexico Championship. „Sie werden jedoch nicht konsequent angewendet. Die Tour tut so, als gäbe es kein Problem mit dem Spieltempo.“ Adam Scott pflichtet ihm bei: „Seit Jahren gibt es Beschwerden, aber nichts passiert. Die  Wahrnehmung ist, dass wir langsam spielen. Das tun wir tatsächlich. Solange Sponsoren und TV freilich keinen Druck machen, wird nichts passieren und jede Debatte darüber ist Zeitverschwendung.“

Für Horschel geht das Problem noch weiter: „Die Fans sind es allmählich leid. Außerdem ist dieser Schlendrian längst in den Amateur- und in den Collegebereich eingesickert. Ich erlebe bei Pro-Am-Turnieren, wie unfassbar langsam manche Mitspieler sind. Wir sind große Golf-Influencer, und die Leute kopieren alles, was wir tun.“

(Quellen: New York Times, GolfWRX, Golfchannel)

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