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Ryder Cup

Amt als Ryder-Cup-Kapitän: Menschenführung und Bewusstsein für Kommerz

13. Dez. 2018 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Jeder Kapitän beim Ryder CUp macht es auf seine Weise. Doch wer macht es gut? (Foto: Getty)

Jeder Kapitän beim Ryder CUp macht es auf seine Weise. Doch wer macht es gut? (Foto: Getty)

„O Captain! My Captain!“: 1865 widmete der US-Dichter Walt Whitman das als Gedicht dem ermordeten Präsidenten Abraham Lincoln; alle zwei Jahre wieder gilt es dies- und jenseits des großen Teichs auch im Golferlager, wenn European Tour – traditionell früher – und PGA of America ihre Skipper für den nächsten Ryder Cup küren. Whistling Straits 2020 steht an, nach dem Kantersieg von Le Golf National reisen die Europäer an den Lake Michigan, und es wird allgemein erwartet, dass noch vor Weihnachten der Ire Padraig Harrington für Team blau auf den Schild gehoben wird.

Harte Fakten und weiche Faktoren

Zwar sollen beim Auswahl-Komitee auch Robert Karlsson und Paul Lawrie zur Disposition stehen, aber der Schwede und der Schotte dürften aktuell allenfalls Alibi-Alternativen sein. Jedenfalls hat niemand widersprochen, als Golf Post unter Bezug auf Harringtons zu erwartende Ernennung im englischen Hauptquartier in Virginia Water nahe Wentworth angefragt hat, was für Befähigungen einer denn haben muss, um Europa beim Kontinentalduell an vorderster Stelle zu repräsentieren?

Die Antwort fällt naturgemäß zweigeteilt aus, es ist eine Mischung aus harten Fakten und weichen Faktoren. Zuvorderst muss der Kandidat „als Aktiver wie als Vizekapitän über Ryder-Cup-Erfahrung verfügen, außerdem noch als Spieler auf der European Tour unterwegs sein und überdies herausragende Referenzen vorweisen können“, zählt Pressechef Scott Crockett auf. Daran mangelt es bei Harrington angesichts von sechs Teilnahmen mit vier Erfolgen zwischen 1999 und 2010, drei Majorsiegen und 15 sonstigen Turniererfolgen auf den beiden großen Touren wahrlich nicht.

Pelley, Björn, Clarke, McGinley und Molinari im Komitee

Der 47-Jährige aus Dublin, der 2007 die Open Championship gewann, diesen Triumph im Jahr drauf wiederholte und sich zudem die PGA Championship gutschrieb, gilt überdies als „nice Guy“, ist eine Hausnummer in der Branche und wird von seinen Kollegen respektiert. Auch das wiegt mächtig bei der Entscheidung des Komitees, bei Tour-Boss Keith Pelley, den letzten drei Kapitänen Thomas Björn, Darren Clarke und Paul McGinley sowie Edoardo Molinari als Vertreter des Spielerrats der European Tour.

Es wird niemanden überraschen, dass der künftige Kapitän ein hohes „Bewusstsein für die kommerzielle Bedeutung des Ryder Cup“ haben muss, wie es Crockett formuliert. Oder anders: Solange die Spieler noch nicht feststehen, ist einzig der Teamchef Repräsentant und Gesicht des anstehenden Wettbewerbs, zuvorderst Marketingmaschinen mit den ganzen öffentlichen Auftritten, Sponsorenterminen etc. Was nicht heißt, dass hinter den Kulissen nicht trotzdem akribisch gearbeitet wird. „Organisationstalent“ listet der PR- und Kommunikationsdirektor der European Tour denn auch weiters in der Jobbeschreibung auf.

Harrington war bereits drei Mal Vize

Von Bernhard Langer beispielsweise weiß man, dass er 2004 beim 18,5:9,5 Auswärtssieg in Oakland Hills rein gar nichts dem Zufall überließ, doch der zweifache Masters-Sieger ist ohnehin als methodisch und penibel bekannt. Ebenso Paul McGinley, der Gewinner von Gleneagles 2014, der laut Lee Westwood „keinen Stein auf dem anderen ließ“ und „alles bis ins Detail austüftelte und organisierte“: Logistik, Unterkünfte, Teamquartier, Einrichtung, Deko, Essen, Outfits… Auch Thomas Björn hat vor und für Paris derartige Akribie entfaltet. Harrington war beide Male Assistent, wird sehr genau hingeschaut und 2016 in Hazeltine als Vize von Darren Clarke ebenfalls eine Menge Erkenntnisse mitgenommen haben. Sein Widerpart in Wisconsin dürfte übrigens Steve Stricker werden…

Es wird eine Menge reingeheimnisst in die Rolle und die Arbeit eines Ryder-Cup-Kapitäns. Manche sagen, Amt und Einfluss seien ziemlich überbewertet. Colin Montgomerie, der Sieger von Wales 2010, hat konstatiert: „Der negative Effekt eines schlechten Kapitäns wirkt sich stärker auf das Team aus, als der positive Einfluss eines guten Skippers.“ Nick Faldo und seine unglückliche Stabführung 2008 im Valhalla Golf Club in Kentucky mögen dafür als gutes Beispiel gelten. So unterstreicht denn auch European-Tour-Mann Scott Crockett gegenüber Golf Post das Thema „Menschenführung“ sehr deutlich. Man könne die Anforderungen sicherlich noch tiefer auswalzen, so der Pressechef, „aber das sind die wesentlichen Aspekte, auf die es bei einem Kapitän ankommt“.

Mischung aus Zeremonien- und Hausmeister…

Was man auf der Ryder-Cup-Brücke alles falsch machen kann, beweisen die Teamchefs der Amerikaner mit schöner Regelmäßigkeit. Vor allem bei ihren Gastspielen auf europäischem Boden, wenn sie das Ego ihre Stars nicht in den Griff kriegen – siehe die jüngsten Attacken von Patrick Reed gegen Jordan Spieth, ebenso Tiger Woods‘ und Phil Mickelsons frühere „bad Vibes“ –, während Europa Heldenduos wie Francesco Molinari und Tommy Fleetwood gebiert. Oder mit eigentlich läppischen Fehlgriffen wie 2010, als Corey Pavin seine Frau Lisa mit der Auswahl der Teamkleidung betraute und die US-Equipe mit völlig untauglicher Regenbekleidung in Celtic Manor auflief, im örtlichen Pro-Shop nachkaufen musste und als Neuauflage von „Watergate“ gehänselt wurde.

Im Grunde ist der Kapitän eine Mischung aus Zeremonien- und Hausmeister, Animateur und Blitzableiter. Langers 2004er US-Pendant Hal Sutton sagte anschließend: „Kapitän zu sein, ist ein Traum – und fünf Minuten später der undankbarste Job der Welt.“ Patentrezepte gibt es ohnehin nicht: Siege machen gute Skipper, Verlierer haben schlechte Teamchefs.

... mit Chemie-Gefühl und glücklicher Hand

De facto geht es um golferischen Sach- und gesunden Menschenverstand, um Integrationsvermögen, Gefühl für Charaktere, Psychen und die Chemie im Team, sowie nicht zuletzt um eine glückliche Hand. Darren Clarke stützte sich vor zwei Jahren bei den Wildcards für Hazeltine stark auf die Statistiken und Auswertungen der Londoner Analyse-Firma „15th Club“ und ging beim 11:17 vor allem mit seinem Kumpel-Pick Lee Westwood ziemlich baden, während Martin Kaymer wenigsten das Einzel gegen Matt Kuchar gewann und Thomas Pieters zur Rookie-Sensation avancierte.

Tom Lehman, der US-Riegenführer von 2006, hat mal gesagt: „Der Kapitän schlägt zwar keine Bälle, aber er kann entscheidend dazu beitragen, die Spieler in die richtige Verfassung zu bringen, so dass sie gute Bälle schlagen.“ Wem auch immer die European Tour das Amt für 2020 nun anvertraut: Er weiß, worauf es ankommt.


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