Back Nine

„Chico“ Molinari und das doppelte Bad in Rae‘s Creek: „Nicht mein Tag“

15. Apr. 2019 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Francesco Molinari muss sich beim US Masters 2019 gegen Tiger Woods geschlagen geben. (Foto: Getty)

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Verwässerte Schlussrunde: Sinnbildlich stand Francesco Molinari am Ende dieses 83. Masters wie ein begossener Pudel da. Der Champion Golfer of the Year und Held des Ryder Cup von Paris, hatte an diesem Sonntag im Augusta National die nächste Großtat auf dem Schläger, doch er setzte sie ins Wasser. Zwei Mal ging „Chico“ mit seinem Ball in Rae‘s Creek baden, notierte auf den Löchern 12 und 15 jeweils ein Doppelbogey und machte damit letztlich den Weg frei für Tiger Woods‘ Triumphzug. Es spricht für die Unerschütterlichkeit und den Selbstwert des 36-jährigen Turiners, dass er hernach nicht zu Tode betrübt vor den Mikrofonen auftauchte. „In beiden Fällen hat nicht mal ein Meter über Wohl und Wehe entschieden. An manchen Tagen funktioniert‘s, an manchen nicht“, bilanzierte Molinari. „Es ist es nur ein Schritt auf dem Gesamtweg, und heute war wohl doch nicht mein Tag. Aber letztlich bin ich wirklich zufrieden, wie ich mich hier geschlagen habe.“ Und wenn man schon verlieren muss, dann noch „am besten“ gegen einen Tiger Woods mit seiner besonderen Legende …

Xander Schauffele: Kann auf diesem Platz gewinnen

Guck mal, wer da klopft: Mit seinen zweiten Plätzen bei diesem Masters und bei der Open Championship von Carnoustie 2018 hat sich Xander Schauffele als ernsthafter Aspirant auf einen ganz großen Titel etabliert, der 25-jährige mit deutschen Wurzeln pocht ziemlich heftig an die Major-Tür. Und so nahm er auch vom gestrigen Tag,  an dem er zwischenzeitlich sogar in geteilter Führung lag, bevor er sich Rang zwei mit Dustin Johnson teilen musste, ausschließlich Positives mit: „Ich war hier Zeuge von etwas ganz Besonderem.“ Und ich habe zwischendurch schon zu meinem Caddie gesagt: Wir beweisen uns gerade, dass wir auf dieser Anlage durchaus gewinnen können.“

„Golden Bell“ zerstörte einmal mehr Masters-Träume

Kulminationspunkt: Es gibt dieses Credo, ein Masters werde eigentlich erst am Sonntag auf der Back Nine entschieden. Davon konnten wir uns gestern einmal mehr aufs Schönste überzeugen. Ab der Amen Corner, die sich bekanntlich vom zweiten Schlag auf der 11 bis zum Drive auf der 13 erstreckt, nahm auch die 83. Auflage im Augusta National Golf Club rasant an Fahrt auf. Mehr noch, die Amen Corner selbst spielte mal wieder eine entscheidende Rolle, und dort besonders die berühmte „Golden Bell“, das Par 3 mit dem Grün hinter Rae‘s Creek und den tückischen Böen über den Baumspitzen. Nur täuschend harmlose 142 Meter lang, wurde es dank des aufkommenden Winds mit einem Durchschnitt von 3,34 Schlägen zum schwierigsten Loch der Finalrunde. Francesco Molinari versenkte dort den ersten Teil seiner Träume vom „Green Jacket“, Brooks Koepka verlor ebenfalls einen Ball im Wasser und damit den Status des Geheimfavoriten hinter dem Schlussflight.

Die beiden sind gleichwohl in bester Gesellschaft, die 12 hat schon etliche Masters-Ambitionen zunichte gemacht. 1959 kassierte Arnold Palmer eine 6 und verlor das Masters gegen Art Wall. 1980 musste Tom Weiskopf gar 13 Schläge (!) notieren, sechs Jahre später leitete ein Doppelbogey auf „Golden Bell“ den Schlussrunden-Kollaps von Greg Norman ein. Und dann ist da noch das Vierfach-Bogey von Jordan Spieth vor drei Jahren, das alle Hoffnungen des Texaners auf eine Titelverteidigung in Wasser auflöste. Es scheint manchmal, als hätte er sich bis heute nicht davon erholt.

Tiger Woods lässt Hogan in Sachen Comeback den Vortritt

Einordnung: Die „Krönung der Wiedergeburt von Tiger  Woods“ ist derzeit in aller Munde, selbst Medien, die gemeinhin mit Golf nicht viel am Hut haben, berichten über den Masters-Sieg des 43-Jährigen. Und ja, es ein grandioses, ein sensationelles und schier unglaubliches Comeback, ganz ohne Frage. Aber ist es gleich das größte der Sportgeschichte? Hand aufs Herz, nein! Nicht mal im Golf, ohne irgendetwas schmälern zu wollen. Sogar Woods selbst führt da zuvorderst Ben Hogan an, der 1949 nach seinem schweren Autounfall mit doppeltem Beckenbruch, gebrochenem Knöchel und Schlüsselbein, einer zersplitterten Rippe und einer Thrombose dem Tod näher war als dem Leben und nicht nur zurückkam, sondern anschließend sechs seiner neun Majors gewann, darunter beide Masters. „Die Ehre des größten Comebacks in unserem Sport gehört unzweifelhaft Mr. Hogan“, sagte Woods 2018 im Augusta National Golf Club.

Mit Kaugummi gegen den kleinen Hunger auf der Runde

Appetitzügler: Und als dann alle Fragen an den Triumphator gestellt waren, kam noch die nach der neuesten Marotte von Tiger Woods, der auch während der gesamten Finalrunde Kaugummi kauend unterwegs war – ebenso wie Phil Mickelson übrigens. Doch wohl nicht, um etwaige Nervosität zu bekämpfen. „Nein“, lachte der 43-Jährige: „Ich bekomme schnell Hunger und esse dann immer so viel. Der Kaugummi zügelt meinen Appetit ein wenig.“

Tiger macht waghalsigen Wetter zum Millionär

Jackpot: Mit seinem 15. Majorsieg verdiente nicht nur Tiger Woods 2,07 Millionen Dollar, was sein Karriere-Preisgeld auf unglaublich 118,309 Millionen Dollar erhöhte; auch ein unbekannter Zocker wurde mit dem Ausgang dieses 83. Masters zum Millionär. Er kassierte jetzt 1,19 Millionen Dollar vom Wettbüro „William Hill, die größte Summe, die das Unternehmen in den USA je auszahlen musste. Freilich, auch die eingesetzte Summe war enorm und zeugt von einer Menge Vertrauen in den Tiger: Der Wetter platzierte 89.000 Dollar auf Woods und bekam eine Quote von 14:1.

DeChambeau und Thomas mit Par-3-Ass Nummer 26 und 27

Nebenschauplatz: Im Rausch des spannenden Finales und im Rummel um Tiger Woods ist beinahe untergegangen, dass auf Loch 16 gestern zwei Holes-in-one geschossen wurden. Das eine erzielte Bryson DeChambeau, sein erstes überhaupt; das andere ging aufs Konto von Justin Thomas. Damit fielen seit Masters-Anbeginn auf dem Par-3-Löchern insgesamt 27 Asse, die wenigsten auf der 219 Meter langen Vier (1) und auf der berühmten „Golden-Bell“-Zwölf (3), die meisten auf der 163,6 Meter langen Nummer 16, wo DeChambeau und Thomas‘ Nummer 17 und 18 waren.

Ein Masters-Ball gegen die Längeninflation?

Der folgende Eindruck ist rein subjektiv: Selten wurde – gerade bei einem Major – ein Loch derart auseinander genommen wie dieser Tage die 13 von Augusta National. Oder? Nominell ein Par 5, geriet die 466 Meter lange Bahn den Professionals förmlich zum Eagle-Eldorado. Ein präziser Drive, ein gut platziertes kleines Eisen, und schon lag die Murmel auf dem Grün. 13 doppelte Schlaggewinne wurden während des 83. Masters gezählt, dazu 138 Birdies und 114 Pars; es gab nur 31 Bogeys oder schlimmeres, mit einem Durchschnittsscore von 4,58 war „Azalea“ über alle Tage das einfachste Loch. Der Augusta National Golf Club hat diese Entwicklung sehr genau im Auge, ganz gewiss gefällt den Granden in Grün nicht, wenn Teile ihres Platzes zum Spielball der ausufernden Schlaglängen werden – zumal die 13, die wegen ihrer strategischen Anlage als eines der weltbesten Golflöcher gilt.

Chairman Fred Ridley sagte vergangenen Mittwoch, man wolle erst die laufenden Erhebungen von USGA und R&A in Sachen Distanzen und eventuelle Vorgehensweise abwarten, andererseits hat der Club bereits 2018 dem Nachbarn Augusta Country Club für viele Millionen ein Stück Land abgekauft, mit dem sich die Abschläge 12 und 13 nach hinten verlegen ließen. „Die Amen Corner ist in der Golfwelt ein beinahe heiliges Stück Land: Wir denken natürlich über Änderungen nach, ich weigere mich indes, irgendetwas übereilt in Betracht zu ziehen“, betonte Ridley. „Klar ist jedoch, dass sich die Bahn längst nicht mehr so spielt, wie es ihre Schöpfer Bob Jones und Alistair MacKenzie beabsichtigt haben.“

Der „Golf Channel“ erwähnte in diesem Zusammenhang sogar Spekulationen um einen „kürzeren“ Ball fürs Masters. „Das ist sehr unwahrscheinlich“, entgegnete Ridley. Für Experten freilich steht fest, dass Augusta National mit seinem Namen, seinem Einfluss und seinem Status als Masters-Veranstalter ein gehöriges Pfund in Sachen Reformvorhaben in der Hand halten würde. Kurz: Wenn Augusta vorangeht, werden über kurz oder lang alle folgen, auch die Verbände …

Unterm Ball durch …

Zum Schluss: Nach diesen grandiosen Masters-Tagen wenden wir uns dann wieder unserem eigenen Spiel zu – und sind jenseits von Par-3-Contest, Amen Corner und gekrönten Comebacks vor allem bloß froh, dass uns so ‘was hoffentlich nicht passiert (auch wenn‘s vielleicht ein Trickfoto mit einem deutlich zu hoch aufgeteeten Ball ist):

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