Panorama

Blick über den Tellerrand: Nachwuchsförderung im Vergleich

04. Mrz. 2016 von Gastautor in Kempten, Deutschland

Von Bernhard Langer können sicher nicht nur junge Golfer etwas lernen. (Foto: Getty)

Von Bernhard Langer können sicher nicht nur junge Golfer etwas lernen. (Foto: Getty)

Fußball, Turnen, Tennis, dann die Schützen und die Leichtathleten und auf Rang sechs die Handballer. Der Deutsche Golf-Verband zählt noch lange nicht zu den mitgliederstärksten Verbänden im Deutschen Olympischen Sportbund. Mit 639.137 Aktiven im vergangenen Jahr folgen die Golfer erst auf Platz acht. Zum Vergleich: Der Deutsche Fußball-Bund hat mit etwa 6,9 Millionen Mitgliedern mehr als zehn Mal so viel wie der DGV. Allerdings gibt es unter diesen Spitzenverbänden nur wenige, die einen Mitgliederzuwachs verzeichnen.

Und zu diesem auserwählten Kreis zählt der Golf-Verband, wenn auch nur mit einem minimalen Plus von 0,2 Prozent (1402 Spieler). Spitzenreiter sind auch in dieser Wertung die Fußballer. Dem Boom nach dem Sieg bei der Weltmeisterschaft 2014 sei Dank. Doch wie unterscheiden sich die Förderungen? Ein Überblick über die Top-4-Verbände.

Mit Nachwuchs-Leistungszentren zum Weltmeister

Beim Fußball brachte der Tiefpunkt die Wende. Nach dem Debakel bei der Europameisterschaft 2000, dem Aus nach der Vorrunde, wurde die Nachwuchsförderung umgekrempelt. Die Erst- und Zweitligisten sind inzwischen verpflichtet, eigene Nachwuchs-Leistungszentren (NLZ) zu betreiben. Aktuell werden in den 36 Einrichtungen fast 5500 Jugendliche in Sachen Fußball und Schule gezielt gefördert. In den vergangenen 15 Jahren haben die entsprechenden Investitionen der Lizenzclubs bereits eine Milliarde Euro überstiegen. Etwa 120 Millionen Euro, so wird geschätzt, fließen pro Saison in den Betrieb der NLZ. Ein erster großer Erfolg, neben den Titeln im Junioren-Bereich, war der Gewinn der Weltmeisterschaft 2014. Über 90 Prozent der Spieler der A-Nationalmannschaft stammten dabei aus solchen Leistungszentren.

Sportliche Erfolge müssen her

Im Jahr 2015 waren bei der Deutschen Taekwondo-Union insgesamt 56.512 Mitglieder gemeldet – und 70 Prozent davon sind jünger als 18 Jahre. Das spricht für eine ausgezeichnete Nachwuchsförderung. Eines dieser großen Talente ist Ela Aydin. Fünf Tage pro Woche trainiert sie, manchmal sogar sechs. „Ich investiere jeweils zwischen eineinhalb und drei Stunden für das Training“, erzählt die 17-Jährige. Taekwondo, sagt sie, sei ein vielseitiger Sport. „Jeder Kampf läuft individuell ab. Jedes Duell ist eine neue, andere Herausforderung“.

Die Sichtung erfolgt bei den Nachwuchsmeisterschaften und den Bundesranglistenturnieren in Deutschland. Bei entsprechenden Erfolgen werden die Jugendlichen von den Nachwuchsbundestrainern zu weiteren Sichtungslehrgängen eingeladen. Es gibt Talentfördertests, Leistungsdiagnostik und eine jährliche sportmedizinische Untersuchung – auch schon für die Jüngeren.

15 bis 20 Stunden Training pro Woche

Im Vergleich zum Taekwondo-Sport haben die Golfer zwar weit mehr Mitglieder. Allerdings sind davon knapp sieben Prozent Mädchen und Buben unter 18 Jahren. Das klingt nach einem gewachsenen Nachwuchsproblem. Einer dieser 45.398 minderjährigen Golfer ist Justin Deibler (15). Er gehört dem Kader des Bayerischen Golf-Verbands an, nimmt zusätzlich noch Einzelstunden, dazu kommen weitere Stunden auf der Übungsanlage des Heimatclubs. "Das ist ganz schön anstrengend", sagt Deibler. Schätzungsweise 15 bis 20 Stunden kommen so pro Woche zusammen. "Golf ist so vielfältig. Immer wieder muss man andere Situationen meistern, man kann sich immer verbessern“, erzählt der Schüler.

Die Förderung seitens des Verbands beginnt beim Golf schon bei den Entscheidungsträgern. Im Jahr 2015 hat der Deutsche Golf-Verband beispielsweise ein Qualitätsmanagement für die Nachwuchsförderung gestartet. Damit sollen sich alle Beteiligten einen Überblick über die bestehenden Prozesse der Jugendarbeit verschaffen und gleichzeitig Stärken und Schwächen der eigenen Systeme erkennen. Mit dem Ziel, weiterhin Kinder und Jugendliche für den Golfsport zu begeistern, sie langfristig zu binden und Golf als Leistungssport zu betreiben.

Nachwuchseliteförderung der Deutschen Sporthilfe

Beim Verband mit dem viertgrößten Mitgliederzuwachs im vergangenen Jahr, den Ruderern, sind fast 20 Prozent der 83.802 Mitglieder unter 18 Jahre. Der Deutsche Ruder-Verband lässt sich die Ausbildung seiner Talente einiges kosten. Er finanziert Training und Wettkämpfe. Bei der U19 zum Beispiel je drei Trainingswochenenden im Herbst und Frühjahr, zwei zehntägige Trainingslager im Winter, eine Woche Teambuilding, vier weitere Wochen intensive Wettkampfvorbereitung – bis zur Junioren-Weltmeisterschaft. „Bei überragenden individuellen Leistungen kann der DRV bei der Deutschen Sporthilfe eine Nachwuchseliteförderung beantragen“, erklärt Bundes-Nachwuchstrainerin Brigitte Bielig.

Tim Ole Naske (19, U19-Weltmeister), Anne Beenken (21, zweifache Junioren-Weltmeisterin) und Philipp Syring (19, zweifacher Junioren-Weltmeister) zehren momentan von einer solchen Eliteförderung. Sobald ein Talent eine Medaille von einer Junioren-WM mit nach Hause bringt, gibt es eine monatliche finanzielle Unterstützung von der Deutschen Sporthilfe. „Aber die Athleten müssen im Herbst eines jeden Jahres einen Leistungsnachweis zur Langstrecke in Dortmund erbringen“, erklärt Bielig.

Schule und Sport unter einem Hut. Geht das?

Nachwuchsförderung ist also in vielen Sportarten vorhanden. Egal auf welche Weise, jeder Verband will seine jungen Talente möglichst früh entdecken, damit die Förderung auf fruchtbarem Boden gedeihen kann. Für die Jugendlichen heißt das im Normalfall, Schule und Sport unter einen Hut zu bekommen. Das wird so manchem sicher schwer fallen: Hausaufgaben, Vokabeltests und Schulstress auf der einen Seite. Der Lieblingssport auf der anderen. Schnell könnte das eigentlich so schöne Hobby - egal, ob Golf, Fußball, Rudern oder Taekwondo - zur Belastung werden. Doch nur so kommt der Nachwuchs weiter, das zeigt unser Vergleich. Wer Golfer werden will, muss also eine gewisse Leidensfähigkeit besitzen, das sagt auch Dominik Müller, Landestrainer beim Hamburger Golfverband.


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