European Tour

Sprecherbox: Ich habe Tiger gar nicht vermisst!

04. Nov. 2013 von Gregor Biernath in München, Deutschland

Promo statt Golfspielen: Tiger Woods

Tiger Woods weilte zwar in China, spielte aber nicht. (Foto: Getty)

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Wow! Auch einen Tag nach dem WGC - HSBC Champions bin ich rückblickend noch begeistert vom gesamten Turnierverlauf im Sheshan International GC. Schon im Kommentar hatte ich erwähnt, dass ich 2013 kaum ein besseres Turnier auf Sky kommentiert habe. Und da ich kein übermäßig großer Fan der US Open und der PGA Championship bin, rangiert das Event in Shanghai für mich schon auf  Platz drei, knapp hinter den anderen beiden Majors.

Platz hat Alles

Der Platz hat eindrucksvoll bewiesen, dass er die gesamte Bandbreite an Scores in sich birgt. Es wurden Eagles und Birdies en masse gespielt und wenn man nicht ganz bei der Sache war, dann konnte es auch einmal mit Phil Mickelson einen Weltranglistenvierten ziemlich zerlegen. Seine „9“ in Runde 1 auf der Par5 achten Spielbahn war nicht einmal ein Resultat aus wirklich schlechten Schlägen. Sein Dritter landete einen Meter zu kurz vor dem Grün, ansonsten hätte er an der Fahne gelegen und evtl. ein Birdie notiert. Stattdessen rollte er zurück ins Wasser. Und sein nächster Versuch war sogar 1A, allerdings nur „so“ gut getroffen, dass er mit dem Slope und immensem Backspinn quer über das Grün von hinten nach vorne wieder im Wasser verschwand. Es hing also letztlich nur mit der falschen Strategie zusammen, denn einen Pitch mit ‚weniger‘ Spinn beherrscht der Lefty natürlich durchaus. Und genau da wären wir bei dem Golfplatzdesign-Aspekt, den auch Profis am meisten schätzen, es muss auf jeder Spielbahn verschiedene Möglichkeiten geben vorzugehen. Auf Sicherheit gespielt sollte es mit dem Par keine allzu großen Probleme geben und wenn man angreift, wie z.B. auf der kurzen 16, dann muss der Abschlag auch schon auf den Punkt passen, ansonsten segelt er ins Wasser oder liegt in einem der Bunker, die dann selbst das Par zur Herausforderung werden lassen.

Spannungskurve hätte nicht besser sein können

Und warum ist das erwähnenswert? Weil genau ein solcher Golfplatz nicht nur eine Herausforderung und Denkaufgabe für die Spieler ist, sondern für uns Zuschauer bezüglich Spannung im Turnierverlauf besser kaum sein könnte. Es kann auf vielen Spielbahnen von Eagle bis Doppelbogey oder mehr alles passieren, keine Führung ist sicher, wie man bei Dustin Johnson gesehen hat. Zur Hälfte der dritten Runde führte der 29-jährige Amerikaner – verlobt und über den Platz begleitet übrigens mit und von Paulina Gretzky, der Tochter der kanadischen Eishockeylegende Wayne – noch mit sechs Schlägen Vorsprung. Mit zwei Doppelbogeys auf der Karte schaffte er zwar dennoch eine 66, weil er am zweiten Tag in Folge 10 Birdies notieren konnte. Doch der Vorsprung war auf drei Schläge zusammen geschrumpft und recht schnell in der Anfangsphase ganz dahin. Dass er letztlich doch noch recht klar mit drei Schlägen gewann lag ganz einfach an seiner Klasse und der Fähigkeit, die nur relativ wenig Golfprofis mit sich bringen, nämlich die nötigen Top-Schläge in der entscheidenden Schlussphase abrufen zu können. Gut, beim Eagle-Chip-In auf der 16 gehörte auch etwas Glück dazu, aber das hat Johnson über die vier Tage auch einfach erzwungen. Zum Vergleich, McIlroy hatte das Grün im Gegensatz zu Johnson angegriffen und verließ es am Ende nur mit einem Par. Soviel zur „Risk and Reward-Spielbahn“ am Steinbruch.

Spätestens nach dem Birdie auf der 17 dann, einem der schwersten Löcher in der Woche, hatte Johnson den Sieg eigentlich schon verdient. Der HSBC Champions Titel war im Übrigen sein Achter auf der US PGA Tour und überdies auch der Bedeutendste.

Kaymer braucht vier starke Runden

Auch bei Martin Kaymer hat man gesehen, was ich bereits umschrieben habe. Von 74 bis zur 62 war alles möglich und das innerhalb von 24 Stunden. Der Platzrekord mit 10 Birdies und acht Pars war einfach sensationell und unterstrich mal wieder, warum der 28-jährige Düsseldorfer bereits 10 European-Tour Events, inkl. Major gewonnen hat. Und noch mehr hat der Turnierverlauf vom Deutschen gezeigt, warum er 2013 noch nicht gewinnen konnte. Kaymer schaffte im Race To Dubai von 16 Turnieren alle 16 Cuts, war also konstant „gut“. Für Turniersiege muss man aber über vier Runden konstant „sehr gut“ spielen und dafür hat er einfach aktuell zu häufig eine oder zwei zu hohe Runden im Repertoire. Ich sehe aber das Positive, eine 62 hat in dem Top-Feld kein Anderer gespielt und wenn aus der 70 und der 74 noch Runden in den 60ern werden, dann gewinnt auch Martin wieder, und das ist ein nur ganz schmaler Grat!

Ich vermisse Tiger gar nicht im Feld

Dass Tiger Woods eines der besten Golfturniere der Welt nicht mitspielte, obwohl er bereits in China weilte – am Montag den Showkampf gegen Rory spielte – fand ich anfangs traurig bis peinlich. Für die 18 Löcher in Mission Hills strich er schlappe 2 Mio. US-Dollar ein und auch für sein Erscheinen in der Türkei in dieser Woche lässt er sich fürstlich entlohnen. Die Marketing-Strategie von HSBC sieht aber keine immensen Startgelder vor, stattdessen wurde das Preisgeld von 7 auf 8.5 Millionen US Dollar aufgestockt. Wohl aber für einen offensichtlich finanziell übersättigten Weltranglistenersten kein adäquates Lockmittel. Im Verlauf des vergangenen Wochenendes habe ich mir dann aber gedacht, ich vermisse Tiger gar nicht im Feld. Viele Andere spielen ebenso gut, wenn nicht gar besser zumindest in der Woche. Die Golf-Fans weltweit müssen sich einfach mal langsam von dieser einen Person lösen, auch wenn er „rein golferisch“ Unglaubliches geleistet hat. Nach wie vor steigen und fallen Einschaltquoten mit und ohne Woods‘ Anwesenheit. Dabei hätte das WGC - HSBC Champions mit Longhitter Johnson und seinen ärgsten Kontrahenten Ian Poulter und Rory McIlroy gar nicht hochkarätiger ablaufen können!

Ich freue mich schon jetzt auf meine nächsten Sky-Einsätze, u.a. bei der DP World Tour Championship in Dubai und einem sicherlich spannenden Finish um das Race To Dubai 2013.

Bis dahin, Grüße,

Gregor

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