Panorama

Der Golfball im Fadenkreuz: Gralshüter peilen „Verkürzung“ an

28. Feb. 2018 von Michael F. Basche in Usedom, Deutschland

Golfbälle im Fokus: Es wird bereits seit einiger Zeit diskutiert, dass die Bälle zu weit fliegen und nun wird dagegen vorgegangen. (Foto: Getty)

Golfbälle im Fokus: Es wird bereits seit einiger Zeit diskutiert, dass die Bälle zu weit fliegen und nun wird dagegen vorgegangen. (Foto: Getty)

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Alles begann mit kryptischen Aussagen von Mike Davis. Beim „North American Golf Innovation Symposium“ im kanadischen Vancouver schwadronierte der USGA-Chef 2017 etwas zusammenhanglos über modifizierte Golfbälle, prozentual reduzierte Flugeigenschaften und ließ damit eher ratlose Gesichter zurück. Im November wurde Davis gegenüber dem „Wall Street Journal“ schon deutlicher. Seine Kernaussage: Die modernen Bälle flögen zu weit, der Einfluss auf das Spiel sei „fürchterlich“. Nun scheint es, als geht‘s der Kugel wirklich an den Kragen.

Jack Nicklaus soll helfen

Am Rand der Honda Classic erzählte Jack Nicklaus von einem Dinner mit Davis und dessen Aussage, dass die USGA das Thema „Verkürzung der Fluglängen“ definitiv auf dem Zettel habe. „Mike sagte: Wir packen es an. Allerdings brauche ich Deine Hilfe, wenn wir da dran gehen.“ Er freue sich, endlich helfen zu dürfen, lautete Nicklaus‘ Antwort: „Ich reklamiere genau das ja bloß erst seit 40 Jahren…“

Das Thema „Rollback“ des Balls spaltet die Golfwelt vom Spitzenprofi bis zum Rabbit. Martin Kaymer beispielsweise befürwortet eine Reduzierung um zehn Prozent, für Bernd Wiesberger hingegen wäre es ein Rückfall in die 70er Jahre. Wally Uihlein, mittlerweile Ex-CEO von Titleist-Mutter Acushnet, fühlte sich besonders angesprochen und keilte mit einer heftigen Breitseite gegen Golfplatz-Architekten sowie Verbände zurück, warf letzteren vor: „Uns haben sie trotz entsprechender Vereinbarungen noch nicht um Hilfe gefragt.“ Und James Hahn scherzte unlängst via Twitter, dass demnächst Fitness, gesunde Ernährung und höhere Schwungtempi wohl ebenfalls verboten würden, während Tiger Woods entschieden fordert: „Wir müssen was an den Bällen tun!“

Ball als schwächstes Glied in der Kette

Der Superstar hatte die aktuelle Diskussion mit dieser Aussage im vergangenen Spätherbst eigentlich erst entflammt, die Kontroverse um den Ball freilich ist so alt wie der professionelle Golfsport selbst. Immerhin wurde Old Tom Morris 1851 in St. Andrews von seinem Lehrherren Allan Robertson gefeuert, weil er statt der teuren „Featheries“ aus hauseigener Produktion den moderneren und günstigeren Guttapercha-Ball spielte. Und damit kein Missverständnis aufkommt: Es geht auch heuer zuvorderst um die „Monster-Hits“ der Professionals. „Für den Freizeit-Golfer muss sich ja nichts ändern, da kann der Ball bei 100 Prozent bleiben“, bekräftigt Nicklaus.

Natürlich ist der „arme“ Ball nicht allein schuld, bloß vermutlich am einfachsten zu modifizieren und damit das schwächste Glied in der Kette. Der Sündenbock halt. Die Kombination aus Motorik und Material, die Athletik der modernen Protagonisten in Verbindung mit der Raketenwissenschaft fürs gesamte Equipment führen zu jener fatalen Melange, die den natürlichen Rahmen des Spiels, den Golfplatz nämlich, vielfach an seine Grenzen bringt. Geoff Ogilvy, der australische US-Open-Sieger von 2006, hält die technische Entwicklung per se für „kompletten Unsinn“: „Es verändert die Art und Weise, wie wir großartige Golfplätze spielen. Das ist fast ein Verbrechen.“

Longhitter nehmen Bahnen auseinander

Obwohl der letzte USGA-Distanzreport im Februar 2017 für den weltweiten Tour-Betrieb nur einen durchschnittlichen Anstieg der Abschlagslängen um 1,2 Prozent seit 2003 ausweist: Longhitter wie Dustin Johnson, Justin Thomas oder Jon Rahm nehmen die meisten Bahnen förmlich auseinander, selbst Tiger Woods mit seinem maladen Rücken landete bei der Honda Classic Drives von 330 Metern. Das Spiel „verkommt“ zur „Drive‘n-Wedge“-Angelegenheit. Absurde Thesen wie die vom 9.000-Yard-Platz des US-Golfjournalisten Alan Shipnuck sind da wenig hilfreich.

„Wir müssen jetzt schon über 7.000 Meter lange Kurse bauen, wenn es Meisterschaftsplätze sein sollen“, meinte Woods damals. „Es ist erschreckend, wo das hinführt, wenn die technische Entwicklung so weitergeht. Wir haben nicht genug Gelände für solche Plätze. Es macht sowieso alles nur teurer und komplizierter.“

Wunderbare alte Kurse wurden obsolet

Auf den meisten bestehenden Plätzen ist das Design für die Distanz-Inflation nicht ausgelegt. Fairway-Bunker sind nicht mehr im Spiel, wo sie früher die Landezonen markierten, Abschläge nicht endlos nach hinten verschiebbar. So werden wunderbare alte Kurse schlichtweg obsolet. „Es gibt wohl nur eine Anlage in den USA, die vom Golfball-Problem nicht tangiert ist – Augusta National“, glaubt Nicklaus und spielt auf die geplante Verlegung des fünften Tees an: „Dort haben sie genug Geld, um alles tun zu können, was den Platz voran bringt, kaufen Land dazu, reißen Häuser ab und verlegen Straßen.“

Längere Plätze verschlingen aber auch anderweitig viel Geld. Für Pflege, Bewässerung, Düngung. Ökologisch sinnvoll ist das ohnehin nicht. Und sie verlangen dem Hobby-Golfer mehr Zeit ab, weil sie sich nun mal länger laufen oder fahren. Dabei ist der Zeitaufwand längst ein Killer-Kriterium und verleidet vielen Menschen das Spiel.

Die Verbände sind sich einig

Wie nun eine Reduzierung des Ballflugs technisch umgesetzt werden könnte, dafür gibt es etliche Möglichkeiten. Schon minimale Gewichtsveränderungen dürften sich auf die Flugweite auswirken. USGA-Mann Davis sprach von unterschiedlichen Ballkategorien je nach Spielstärke, Nicklaus hat das bereits aufgegriffen. Sogar von größeren Bällen zur Erleichterung des Golfeinstiegs ist die Rede.

Die Kollegen vom anderen Gralshüter des Golfsports wissen Davis und der neue USGA-Präsident Mark Newell dabei hinter sich. R&A-Boss Martin Slumbers hat jüngst bereits klar formuliert, dass die Materialentwicklung eine absolute Grenze überschritten habe. „Es besorgt uns ernstlich. Wir haben jahrelang über Slow Play und Schleicherei auf dem Golfplatz gesprochen. Doch dies [das Ball-Thema, Anm. d. Redaktion] hat tatsächlich eine ganz andere Dimension.“

„Dieser Job muss nun getan werden“

Die Briten haben eh Erfahrung mit unterschiedlichen Golfbällen, wurde doch noch bis 1990 bei nationalen Turnieren der im Durchmesser um 0,06 Inch (0,15 Zentimeter) kleinere sogenannten britische Ball in den Wind gedroschen. Jetzt wollen USGA und R&A den aktuellen Distanzreport abwarten und dann „in medias res“ gehen. „Es gibt viele Optionen“, sagt Slumbers. „Und es ist eine Heidenarbeit mit einer Menge Leute, die involviert sind. Es werden nicht alle begeistert und viele dagegen sein. Wir glauben indes, dass dieser Job nun getan werden muss.“

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