Golf-Stars

Phänomen Tiger Woods: „Nett ist auch der Hund vom Metzger“

06. Mai. 2015 von Michael F. Basche in Usedom, Deutschland

Tiger Woods präsentiert sich neuerdings als "netter" Typ. (Foto: Getty)

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Eins mit Sternchen für die PLAYERS-Macher und ihren dramaturgischen Sinn: Branchenprimus Rory McIlroy mit Herausforderer Jordan Spieth im direkten Zusammenspiel, die „Zukunft des Golfsports“ und Tiger Woods, der Übergolfer von einst, nur durch ein paar Flights getrennt – grandios, diese Konstellation! So ‘was gab‘s zuletzt in den 1960er-Jahren, als Arnold Palmer nach fünf Major-Siegen die Szene beherrschte und plötzlich Jack Nicklaus auf der Bildfläche erschien, während eine Ikone wie Ben Hogan im Okzident ihrer Karriere spielte.

Einzigartige Wirkweise des Tiger Woods

McIlroy und Spieth sind die „Goldenen Golf-Jungs“, die Branche dies- und vor allem jenseits des großen Teichs stilisiert sie zu Testimonials und bindet ihnen enorme wirtschaftliche Erwartungen an die Beine. Ob beide allerdings je die Wirkweise eines Eldrick Tont Woods erreichen, darf bezweifelt werden. Der Tiger war und ist wohl einmalig in der Golfgeschichte, die Kombination aus Strahlkraft und Dominanz sucht ihresgleichen.

Schon ein Walter Hagen lebte nicht nur von seiner Exzentrik, sondern vom Duell mit Bobby Jones. Auch Palmer und Nicklaus profitierten bei all ihren Erfolgen gehörig vom Wetteifer um die Gunst des Publikums. Für McIlroy und Spieth wird gleiches kreiert. Die Lichtgestalt Woods indes nährte sich stets aus sich selbst. Die Rivalität mit Phil Mickelson fand nur bedingt statt. Weil der Golfstar Woods letztlich auf seinem eigenen Planeten lebte.

„Schräge Typen haben Unterhaltungswert“

Professor Dr. Thomas Schierl beschäftigt sich als Leiter des Instituts für Kommunikations- und Medienforschung an der Deutschen Sporthochschule Köln von Berufs wegen mit dem Kult um Sportstars. Damit fällt auch das Phänomen Woods in sein Fachgebiet. Seit Urzeiten gilt: „Erfolg macht sexy“, der daraus resultierende monetäre Erfolg beeinflusse das Image zusätzlich. Früher, erklärt Schierl, „bestimmte nur der Erfolg die Ausstrahlung. Je erfolgreicher jemand ist, desto interessanter wird er empfunden“.

Mittlerweile aber genügen zur Faszination nicht mehr Titel und Rekorde allein: „Erfolg ist höchstens notwendig, aber keineswegs hinreichend.“ Es braucht mehr, um ein Star zu sein. Charisma, Ästhetik und Inszenierung. Als Beispiel führt Schierl das russische Tennis-Ass Maria Sharapova an. Auch Dennis Rodman, Ex-Enfant-Terrible des Basketballs, passt ins Bild. Oder John Daly, um beim Golf zu bleiben. „Schräge Typen haben Unterhaltungswert“, sagt Schierl und erinnert: „Sport ist Unterhaltung, zu 99 Prozent.“

Die restlichen 100 Prozent sind Geschäft, möchte man zwinkernd anfügen. Tiger Woods, der sich wohl nie inszenierte, sondern aufgrund der Prägung und des Drills durch seinen Vater eher eine Inszenierung war, erfüllte beide Aspekte in perfekter Manier. Er polarisierte die Öffentlichkeit und ließ die Kassen klingeln. Das ist hinlänglich beschrieben, darin war Woods so gut wie vor ihm allenfalls „King“ Palmer, der Golf fernsehtauglich machte und damit selbst zum „American Idol“ wurde.

„Entweder extrem positiv oder extrem das Gegenteil“

Doch der Tiger wird seinem Markenkern untreu. Neuerdings will er „Everybody‘s Darling“ sein, zeigt sich zugewandt und offen, erstaunt mit Lockerheit, Charme und Selbstironie. Sogar Einblicke in sein Innenleben lässt er zu. Die Trennung von Lindsey Vonn, am Jahrestag des Todes von Vater Earl Woods zumal, habe ihn schlaflose Nächte gekostet, es sei eine „brutale Zeit“ gewesen, bekannte Woods bei seiner PLAYERS-Pressekonferenz in seltener Freimütigkeit.

Der „nette Woods" freilich nagt fast mehr am Nimbus des Tigers als die verblassende sportliche Güte. „Es interessiert uns das Außergewöhnliche“, verdeutlicht Prof. Dr. Schierl. „Entweder oder: Entweder ist jemand extrem positiv oder extrem das Gegenteil. Dazwischen gibt es nichts.“ Bloß nett reicht nicht? Schierl schmunzelt: „Nett ist auch der Hund vom Metzger!“

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