Major

Einsam unter Par: In der Ruhe liegt Dustin Johnsons Kraft

16. Jun. 2018 von Michael F. Basche in Southampton, USA

Dustin Johnson hat die Ruhe weg. Auch bei der US Open. (Foto: Getty)

Dustin Johnson hat die Ruhe weg. Auch bei der US Open. (Foto: Getty)

Wenn ein Longhitter sein kurzes Spiel lobt: Vielleicht brauchte es einen anspruchsvollen Kurs wie das ehrwürdige Shinnecock Hills, um zu erweisen, was für ein brillanter Golfer Dustin Johnson wirklich ist. Während die trügerisch breiten Fairways mit ihren knifflige Spielachsen sowie die bei all ihrer Größe unglaublich tückisch ondulierten Kuppelgrüns selbst in weicherem Zustand eine Menge Stars vorzeitig nach Hause schickten, hatte der Weltranglistenerste auch am zweiten Tag dieser 118. US Open alles im Griff. Und das trotz eines verpatzten Starts. „D. J.“ begann mit einem Bogey an der Eins, dem viertleichtesten Loch von Shinnecock Hills, aber machte in aller Seelenruhe weiter, als wäre nichts gewesen. Verblüffender noch: Vom „Bomber“ ist nichts zu sehen, der Schlaks war gestern bloß 94. in der Drive-Distanz und auch mit den Eisen statistisch nicht auffällig. Stattdessen brillierte Johnson an beiden Tagen mit einem herausragenden kurzen Spiel: Erster im Scrambling, eine „Up-and-Down“-Quote von phänomenalen 73,3 Prozent, dazu ist er mit dem Putter bei insgesamt 53 Putts um acht Schläge besser als der Durchschnitt des Felds (1,47 zu 1,73 Schlägen im Schnitt).

@djohnsonpga dropping putts left and right! #USOpen

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„Ja,“, sagte Johnson gestern nach der Runde in seinem etwas schleppenden Tonfall, „der Kurs spielt sich echt lang, und es ist hart da draußen. Aber ich habe ganz gut gechippt und geputtet.“ In der Ruhe liegt halt die Kraft, mit dieser Entspanntheit überstand er schon das Regel-Ungemach der US Open von Oakmont, wo er 2016 endlich sein erstes Major gewann. Und gleichermaßen gelassen ging „D. J.“ auch ins Wochenende: „Ich schlafe eigentlich immer sehr gut. Es gibt ja auch noch eine Menge Golf zu spielen.“

Seit 2014 Champions stets nach 36 Loch vorn

Gute Omen: Der Einzige, der an diesem Wochenende mit Dustin Johnson Geld verdienen kann, ist wohl „D. J.“ selbst. War der 33-Jährige noch als 9:1-Favorit in die US Open gestartet, so führen ihn die Buchmacher aktuell mit 2:3; wer auf Johnson wetten will, muss also Geld drauflegen… Was Wunder, sind die Statistiken doch von überwältigender Eindeutigkeit: Johnsons kulminierter US-Open-Score seit 2014 liegt bei -7, gleichzeitig hat er acht Runden in den 60ern auf dem Konto, mit beidem ist er besser als jeder andere Spieler. Und: Die letzten vier Champions, von Martin Kaymer 2014 bis Brooks Koepka 2017, lagen allesamt nach 36 Loch bereits an der Spitze. So klafft bei den „Bookies“ denn auch eine große Lücke hinter dem Favoriten. Es folgen Justin Rose (8:1), Henrik Stenson und Rickie Fowler (12:1), Brooks Koepka (14:1), Tommy Fleetwood (16:1), Charley Hoffman (25:1) sowie Scott Piercy, Ian Poulter und Marc Leishman (40:1).

Samstag auf Shinnecock Hills: „Lefty“ hat Geburtstag

Vorschau: Das Wichtigste an diesem Samstag vorweg, Phil Mickelson hat Geburtstag, „Lefty“ wird 48 und beschenkte sich selbst mit dem überstandenen Cut. Auch wenn das „Geburtstagskind“ damit nach sechs zweiten Plätzen weiterhin vom ersehnten US-Open-Titel und dem Karriere-Grand-Slam träumen darf – die Vorzeichen stehen schlecht. Zehn Schläge Rückstand auf die Spitze sind ein Brett. Erst recht, wenn der Führende so souverän aufspielt wie Dustin Johnson, und das Wetter auch noch mitspielt. Der Wind soll am Wochenende deutlich abflauen und weht konstant aus Westen, außerdem wird Sonnenschein vorhergesagt, bei Temperaturen um 21 Grad. Kapriolen sind nicht zu erwarten, stattdessen „Kaiserwetter“ für „D.J.“.

Fleetwood „flüchtet“ mit 66 vom Platz

Fluchtgedanken: Eigentlich wollte Tommy Fleetwood nur Pars retten und möglichst schnell vom Platz runter. „Gegen Mitte der zweiten Runde war es windig und kalt, und der Regen fiel, und ich habe buchstäblich die Löcher herunter gezählt und nur zu überleben versucht“, beschrieb der Engländer seinen zweiten Tag bei dieser US Open. Am Ende stand eine 66 auf der Scorekarte, so wie sonst nur bei Titelverteidiger Brooks Koepka, der zwischenzeitlich sogar entlang der Cut-Linie balanciert war, bevor er sich mit sechs Birdies in Sicherheit brachte und nach vorne schoss.

„Ich habe generell eine Menge Geduld und mag solche schwierigen Bedingungen“, sagte Fleetwood (27), der amtierende Race-to-Dubai-Champion. „Je härter es draußen ist, desto mehr scheint es mich herauszufordern, mein Letztes zu geben. Ich mag solche Set-ups wie hier in Shinnecock Hills. Das ist immerhin die US Open, in jeder Hinsicht ein ultimativer Test, fürs lange wie fürs kurze Spiel, physisch wie mental. Und genau dieser Test sollte es sein, wenn man eine US Open gewinnen will. Allerdings war ich wirklich froh, endlich vom Platz runter zu dürfen.“

Gestatten, Charley Hoffman

Vorstellung: Wer ist eigentlich dieser Charley Hoffman, der schon beim Masters an vorderer Stelle auf dem Leaderboard auftauchte und heute als geteilter Zweiten in den „Moving Day“ geht? Die Älteren unter uns werden sich an 41-Jährigen erinnern, als er noch mit einer veritablen „Vokuhila“-Frisur unterm Cap seine Runden drehte. Hoffman, in San Diego geboren und in Las Vegas zuhause, gewann als erster Amateur zwei Mal in Folge die kalifornische Highschool-Meisterschaft (1994/1995), holte mit dem Team der Uni von Nevada 1998 den NCAA-Titel, war „All American“ und schloss mit einem Bachelor in Kommunikation ab, bevor er 2000 ins Profilager wechselte. Hoffman ist vierfacher Sieger auf der PGA Tour und führte beim Masters 2017 nach Tag eins mit vier Schlägen Distanz, dem größten Auftaktvorsprung seit 1941. Am Ende belegte der zweifache Vater den geteilten 22. Platz, 2018 war es Rang T12. Seine beste US-Open-Platzierung war der achte Platz im vergangenen Jahr.

Poulters Triple: „Ziemlich dämlich“

Selbstkritik: „14 Jahre lange konnte ich die US Open nicht leiden“, sagt Ian Poulter. „Jedes Mal, wenn ich sie spielte, war ich enttäuscht, sauer, frustriert.“ Und gerade als es ausgerechnet in Shinnecock Hills, wo Poulters US-Open-Karriere 2004 mit einem verpassten Cut begann, doch zum innigen Flirt mit der „Offenen Amerikanischen“ kommt, da versemmelt der 42-jährige Engländer das Date mit dem Spitzenflight des heutigen „Moving Day“. Erst spielt er auf dem achten Grün, seinem 17. Loch, Pingpong zum Triple-Bogey zwischen Bunker und Rough, „was einen ziemlich dämlich aussehen lässt“ (Poulter). Dann lässt er auf der 18 einen weiteren Schlag liegen, fällt auf +1 zurück, und Essig war‘s mit dem Platz neben Spitzenreiter Dustin Johnson. Andererseits: „Wenn mir Anfang der Woche jemand als Ausgangsposition für heute den geteilten vierten Platz mit eins über Par angeboten hätte, ich hätte es sofort genommen.“

Matt Parziale: Zur Stelle, wenn‘s brennt

In letzter Minute: Matt Parziale – wir haben ihm schon zum Masters eine Story gewidmet – ist hauptberuflich Feuerwehrmann in Brockton/Massachusetts, und wenn‘s brennt, ist der 31-Jährige zur Stelle. Das gilt auch in Sachen eigenes Golfspiel, wo der US-Mid-Amateur-Champion gerade die beste Zeit seines Lebens hat. In Augusta scheiterte er noch am Cut, auf Shinnecock Hills ist er am Wochenende der US Open dabei: Weil er sein 36. Loch mit einem Birdie zum Gesamtscore von +7 abschloss, was ihn „last minute“ auf die definitiv sicher Seite der Trennlinie brachte.

Was Platz-Mikros so alles auffangen

Lauschangriff: Fox Sports, der federführende Fernsehsender bei der US Open, musste sich schon wieder für sexistische Bemerkungen via Mikrofon entschuldigen. Nein, TV-Lady Holly Sonders hat nicht erneut von „sexual“ statt „sectional qualifying“ gesprochen: Diesmal fing eines der über 200 Fox-Mikros auf dem Platz zufällig eine krude Unterhaltung zweier Zuschauer auf. Während Patrick Reed seinen Annäherungsschlag zum ersten Grün vollführte, brach der Ton des Kommentators ab und stattdessen gingen aus dem Off ziemlich vulgäre Bemerkungen von einem Miteinander mit der „heißen Ex“ über den Sender. Man kann es glücklicherweise nicht besonders gut verstehen:

Schwunggefühl in Uniform

Zum Schluss: So ein Golfturnier, eine US Open zumal, kann ansteckenden wirken – selbst auf die, die eigentlich aufpassen sollen. So wie jener Polizeibeamte am Eingang eines der zahlreichen Zelte, der nicht widerstehen kann und mal eben zwischendurch sein Schwunggefühl testet:


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