In Ponta do Pargo steht man gefühlt über den Dingen. Das liegt an der Weite des Ozeans. An der unendlichen Fernsicht. Am Gefühl, sich von allem Irdischen abwenden zu können. Am Blick ins Nirgendwo. Tief unten brechen sich die Wellen des Atlantik an der Steilküste von Madeiras westlichem Ende, 300 Meter höher lässt Sir Nick Faldo den passenden Golfplatz ins grüne Gelände rund um den Leuchtturm aus dem Jahr 1922 modellieren: Ein spektakuläres Layout mit Drives vor der Kulisse des Grenzenlosen und nerventestenden Schlägen über scheinbar unüberwindliche Felsklüfte; mit Fairways, die ins Meer zu fließen scheinen, um sich am Ende in Infinity-Grüns zu ergießen. Zur Verdeutlichung: Zwischen dem siebten Abschlag als höchstem und dem 16. Grün als tiefstem Punkt liegen 180 Meter Höhenunterschied.
Klippen-Kracher über dem Atlantik: Nick Faldos Ponta do Pargo. (Foto: Faldo Design/The Azalea Group)
Sir Nicks Opus
Kommendes Jahr soll Ponta do Pargo fertig werden. Dann ergänzt Sir Nicks 120-Hektar-Opus die bisherige Dreifaltigkeit des madeirischen Golfangebots, setzt dem Terzett von Palheiro, Santo da Serre und Porto Santo auf dem gleichnamigen Nachbar-Eiland vielleicht gar eine Spitze auf. Im Wortsinn, wenn man Ponta aus dem Portugiesischen übersetzt. Zumindest aber soll der Parcours nun zum „Vorzeigeprojekt für die gesamte Region“ avancieren, nachdem die bereits 2007 begonnene Entwicklung wegen der globalen Finanzkrise und der Corona-Pandemie bis 2023 auf Eis gelegt werden musste. Das jedenfalls hofft Miguel Albuquerque als Präsident der Regionalregierung von Madeira im Hinblick auf die angewendeten Nachhaltigkeitsstandards oder die Installation eines hochmodernen Bewässerungssystems. Und zu einem der schönsten Golfplätze in Europa sowieso.
„Jedes Loch soll so faszinierend sein wie die natürlichen Gegebenheiten“: Faldos Planspiele für Ponta do Pargo. (Foto: Faldo Design)
120 Hektar, 180 Höhenmeter
Der Schöpfer des Par-72-Ensembles schwärmt naturgemäß erstmal von dem Rohling, mit dem er auf Madeira arbeiten durfte: „Das Gelände, die Klippen und die Aussicht sind so dramatisch und atemberaubend. Es war unser Ziel, die einzigartige Lage zu nutzen und sicherzustellen, dass jedes Loch genauso faszinierend ist wie die bereits vorhandenen natürlichen Gegebenheiten.“ Eine derartige Vorlage kann freilich auch zum designerischen Übermut überführen. So mussten tatsächlich einige Grünkomplexe doch entschärft werden.
„Sicherstellen, dass das Biest spielbar ist“
„Die Grüns auf den Löchern 14 bis 18 beispielsweise sind der vollen Kraft des Meeres ausgesetzt“, erklärt Faldo. „Wir mussten sicherstellen, dass dieses Biest spielbar ist, wenn der Atlantik zu toben beginnt.“ Für besagte Bahn 14 hat sich der sechsfache englische Major-Champion was Besonderes einfallen lassen, und adressiert damit direkt jemand ganz Bestimmten. Aber lassen wir Sir Nick selbst zu Wort kommen:
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„Unglaubliche Grüns“: Sir Nick Faldo zieht bei Ponta do Pargo alle Register. (Foto: Michael F. Basche)
„Unglaubliche Grüns, die unglaubliche Schläge erfordern“
Also, der Fehdehandschuh ist geworfen. Ob Bryson DeChambeau die Herausforderung jemals annehmen wird, sei dahingestellt. Unserein kann bei Besichtigung der Baustelle den Ausführungen von Faldo nur beipflichten: „Es gibt unglaubliche Grüns, die ebenso unglaubliche Schläge erfordern, um sie zu erreichen.“
Dazwischen erstrecken sich jede Menge Terrain und Natur. Bei der Überarbeitung haben Faldo und sein Team die zu bewässernden Flächen noch mal reduziert. Im Sinne der Nachhaltigkeit. Abschläge, Fairways und Rough sind zudem mit lokalem Kikuyu-Gräsern eingesät, was ebenfalls den Wasserbedarf mindert und einen nahtlosen Übergang zwischen Golfwiese und einheimischer Vegetation vermittelt.
Mildes Klima, aber Mittel- bis Hochgebirgscharakter
Das alles ist zwingend notwendig, um auszugleichen, dass Madeira nicht zwingend Ground for Golf bietet. Die 741 Quadratkilometer umfassende „Perle im Atlantik“ gilt ob des milden Klimas zwar als Blumeninsel und schmückt sich mit dem Attribut des ewigen Frühlings – um jetzt auch das letzte Schlagwort noch zu bemühen. Fünf Euro ins Phrasenschwein.
Doch das gesamte Archipel ist vulkanischen Ursprungs und hat Mittel- bis Hochgebirgscharakter sowie zumeist felsige Küsten. Zur Verdeutlichung: Der Pico Ruivo als höchster Berg bringt es auf 1.862 Meter. Und die Start- und Landebahn des schwierig anzufliegenden Airports der Inselhauptstadt Funchal wurde mangels ausreichender ebener Fläche auf hunderten Betonstützen ins Meer hinausgezogen, um ausreichende Länge zu generieren.
Schwierige Topografie ermöglicht Großartiges
Da braucht es hohe Visualisierungsfähigkeiten, viel Vorstellungsvermögung und jede Menge Kreativität, um in Madeiras Auf und Ab geeignetes Gelände für einen Golfplatz zu finden. Doch genau durch diese Topografie lässt sich Großartiges generieren. Wenn man’s kann. Cabell Robinson beispielsweise, der Palheiro Golf auf einem Plateau über Funchal konzipiert hat (siehe Titelfoto). Oder das von Robert Trent Jones Sr. entworfene Santo da Serra noch weiter oben in den Bergen. Und Severiano Ballesteros’ Porto Santo auf der gleichnamigen, 42 Kilometer nordöstlich gelegenen wasserarmen Nachbarinsel, der vielen als bester madeirischer Parcours gilt.




