Hohwacht ist Ostsee pur. Hier hat die holsteinische Schweiz ihren maritimen Vorposten. Der Wellenschlag am langgezogenen Sandstrand ist sanft, die Backsteinhäuser des alten Ortsteils sind ebenso typisch wie beschaulich. Es gibt Strandkörbe, eine Seebrücke und Räucherfisch, besonders gut ist er bei Kruse am östlichen Ortsrand. Wer die Hauptzufahrt zur Hohwachter Bucht nimmt, die L164, der passiert zwangsläufig die Golfanlage Hohwacht.
„Spannung fürs Auge“: Von Oven betreibt, Althaus designt
Anfang der 1990er Jahre wurden erst die kurze 9-Loch-Schleife „Neudorf“ (Par 32) und später die 18-Loch-Runde „Hohwacht“ (Par 72) angelegt; im Januar 2019 hat die schleswig-holsteinische Hoteliersfamilie von Oven das gesamte Areal gekauft, die unter anderem in Timmendorfer Strand das Grand Hotel Seeschlösschen Spa & Golf Resort sowie die Golfresidenz Seeschlösschen samt zwei 18-Loch-Plätzen betreibt. Jetzt wird Hohwacht fit gemacht für die Zukunft; der Düsseldorfer Golfplatz-Designer und Landschaftsarchitekt Christian Althaus passt die 27 Löcher Schritt für Schritt den modernen Maßstäben eines Must-Play-Ensembles an.
„Wir wollen den Platz nicht zwingend schwieriger machen, sondern vor allem noch spannendere Bahnen fürs Auge schaffen“, erläutert Geschäftsführer Christian von Oven, derzeit zudem Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Golfanlagen (BVGA). „Hohwacht ist ein Urlaubs- und Tourismusort; wir möchten, dass unsere Gäste sagen: Es hat sich gelohnt, dahin zu fahren.“
Golfplatz als hochdifferenzierter Organismus
Irgendwer hat mal ausgerechnet, dass rund 0,014 Prozent der Landfläche unserer Erde mit Golfplätzen belegt sind. Über 2,1 Millionen Hektar sind das, mehr 21 Milliarden Quadratmeter, 38.864 Kurse und insgesamt 556,176 Löcher weltweit. Letzteres hat der R&A gerade jüngst zählen lassen. Eine Menge Turf für die Passion Golf, der beim Streben nach Score und Handikap manchmal selbst im übertragenen Sinn mit Füßen getreten wird.
Dabei ist so ein Golfplatz ein hochdifferenzierter Organismus und seine Realisierung in unserer modernen und regulierten Kulturlandschaft eine komplexe, nicht selten komplizierte und vielfach langwierige Angelegenheit. Golf Post darf den Umbau in Hohwacht begleiten sowie Betreiber und Architekt dabei über die Schulter schauen; in loser Reihe berichten wir über all die Aspekte, die auch grundsätzlich zur Entwicklung, zum Design und zur Realisierung eines guten Golfplatzes gehören.
Alles ist nichts ohne geeignetes Gelände
Am Anfang steht das Gelände. Immer. Ohne geeignetes Gelände ist die schönste Idee nichts wert. Das ist schwierig heutzutage, wo der Naturschutz alles überlagert. Ackerland ist immer mal wieder im Angebot, gelegentlich Industriebrachen sowie in jüngster Vergangenheit hie und da einige Konversionsflächen, ehemalige Militärstandorte. Im Fachjargon: ausgeräumte Kulturflächen. Aber egal, auf welchem Untergrund: Lage zählt, Lage und nochmals Lage! Golfplätze im Nirgendwo müssen schon ziemlich grandios sein, um Spieler anzulocken.
Es gibt kluge Checklisten zur Eignungsbeurteilung einer Fläche. Ein attraktives Umfeld, zusätzliche Angebote, nicht zuletzt die landschaftliche Kulisse schaden keineswegs. Pluspunkte – so, wie in Hohwacht mit der Nähe zur Ostsee, dem touristische Angebot der Küste, den Ausflugszielen im schleswig-holsteinischen Hügelland, überdies den reizvollen Blickwinkeln auf den „Großen Binnensee“ direkt hinter dem Hohwachter Küstenstreifen.
Der Masterplan als Style Guide, als DNA des Kurses
Im Idealfall legt der Architekt über all das einen Masterplan. Es ist, salopp formuliert, der Style Guide für den Golfplatz, quasi seine Corporate Identity und Gebrauchsanleitung, die DNA des Kurses. Designer Althaus, der u. a. auf Föhr und im Hofgut Georgenthal Aufsehen erregende Projekte realisiert und beispielsweise für den Golf Club Trier ein solch langfristiges, erfolgreich angewandtes Entwicklungskonzept erstellt hat, spricht vom „ganzheitlichen Ansatz“.
Der Masterplan beinhaltet schlichtweg sämtliche Kriterien, auf die es bei bei der Harmonielehre eines Golfplatzes ankommt: von der Zielsetzung über die Art der Gehölze, die gepflanzt werden, bis zu den Mähkonturen; von der Design-Philosophie über Grün-Größen und die Bunker-Sprache, also Stil und Positionierung der Sandhindernisse, bis hin zur Vorgabe regionaltypischer Gestaltungsmaterialien. Dies dient bei allen weiteren Maßnahmen und Entwicklungsschritten als Anleitung und Orientierung, so sind Stringenz und eine stimmige Gesamterscheinung gewährleistet.
Für das „Facelift“ von Hohwacht hat Christian Althaus ebenfalls einen Masterplan erstellt, der in Zusammenarbeit mit Auftraggeber von Oven, etlichen Mitgliedern, dem Pro und dem Head-Greenkeeper über sechs Monate gediehen ist und im Verlauf der kommenden Jahre realisiert werden soll. „Darin wurden alle Anforderungen umgesetzt, die uns wichtig sind“, so Christian von Oven. „Etwa die Ausrichtung auf die Handicap-Klassen ab 22 aufwärts, unsere Hauptzielgruppe.“ Beispielsweise liegen die Bunker nicht in den Landezonen der Bogey-Golfer, sondern dort, wo die „Einstelligen“ den Ball hinhauen.
Anpassung der Längendifferenz zwischen Gelb und Rot
Ein großes Augenmerk gilt der Anpassung des Längenvorsprungs bei den roten Abschlägen von Hohwachts je vier Tees pro Bahn. Der nämlich beträgt gemäß des beim damaligen Bau zugrunde gelegten Berechnungssystems lediglich 12,3 Prozent gegenüber Gelb, was im Course Rating zu einem Unterschied von fast zwei Schlägen führt. Oder anders: Gemessen an der aktuellen Empfehlung des Deutschen Golf Verbands (DGV) von 16 bis 18 Prozent Längendifferenz zwischen Gelb und Rot ist der Platz von den vorderen Abschlägen rund 350 Meter zu lang. „Im Zuge des Umbaus werden wir die roten Abschläge verändern, um einen einheitlichen CR-Wert herzustellen“, verdeutlicht Althaus.
Von Gender-Abschlägen übrigens spricht ohnehin niemand mehr. Die sind antiquiert und sollten allerorten längst passé, von Handicap-orientierten, sich an der jeweiligen Platzlänge orientierenden Tees abgelöst sein. Aber das ist eine andere Geschichte.
Beim Neubau kostet die Bürokratie Jahre und viel Geld
Gemeinhin hat der Gesetzgeber vor dem Neubau eines Golfplatzes eine Menge Bürokratie aufgetürmt, Bauvoranfragen, Vorhabenbeschreibungen, Amtsgänge, die Genehmigungsverfahren, abhängig von den örtlichen und regionalen Rahmenbedingungen. Das Projekt hat ein Raumordnungsverfahren und zumeist die Änderung des gültigen Flächennutzungsplans zu durchlaufen, soll hydrologischen und naturschutzrechtlichen Prüfungen (Umweltbericht, Umweltverträglichkeitsstudie, artenschutzrechtliches Gutachten, landschaftspflegerischer Begleitplan etc.) standhalten, muss schließlich das sogenannte Scoping, die Beurteilung seitens der „Träger öffentlicher Belange“, sowie Offenlegung und Bürgerbeteiligung überstehen.
Der Architekt hat sich derweil durch die Anforderungen der Bauleitplanung und den Bebauungsplan gearbeitet. Irgendwann liegt das Ergebnis zur Erteilung der Baugenehmigung auf der gemeindlichen Ebene. Jahre sind bis dahin ins Land gegangen und sechsstellige Vorkosten angefallen, ohne das ein Grashalm gesprossen ist.
Make-up für Hohwachts 9 als künftiges „Signature Hole“
In Hochwacht, ursprünglich konzipiert zu Zeiten des des Golfplatz-Booms vor gut 30 Jahren, ist all dies längst erledigt. Und die ersten kosmetischen Maßnahmen der neuen Ära sind sogar schon abgeschlossen. Althaus verpasste Loch 9 im Frühjahr ein Make-up, zog den vorgelagerten Teich etwas mehr ins Grün hinein, setzte zur Begrenzung eine Natursteinmauer aus den typischen Findlingen der Endmoränen-Landschaft und komponierte eine neue Bebunkerung.
Mittelfristig werden die beiden Schleifen sowieso getauscht. Die jetzige 18 mit den bereits im Althaus‘schen Retro-Stil neu arrangierten drei Fairway-Bunkern – „Eyecatcher“, die weit weniger knifflig sind, als sie aussehen – wird dann zum Ausklang der Front Nine, und das aufgehübschte, jetzt noch neunte Grün zum Schlussakkord und Signature Hole des Platzes. Im Sinne einer stärkeren Erinnerbarkeit der Bahnen.
„Wenn man die Reise hier heraus an die Ostsee unternimmt, dann will man keinen 08/15-Platz spielen“, sagt Betreiber Christian von Oven, der in Hohwacht langfristig auch Übernachtungsmöglichkeiten für Gäste vorsehen will. „Der Reisegrund ist oftmals der Platz, und deswegen muss der stimmen!“