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Royal Liverpool: Von der Pferderennbahn zum biestig-brutalen Open-Geläuf

18. Jul. 2023 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Das neugestaltete 17. Loch im Royal Liverpool Golf Club vor der British Open 2023. (Foto: Getty)

Das neugestaltete 17. Loch im Royal Liverpool Golf Club vor der British Open 2023. (Foto: Getty)

Cameron Smith hat dem R&A die Claret Jug artig zurückgegeben und hätte dabei am liebsten geheult, weil ihm die 2022 in St. Andrews gewonnene Kanne so ans Herz gewachsen ist. Außerdem hat der Titelverteidiger erzählt, dass die LIV-Liga seiner Ansicht nach mittlerweile nicht mehr geschmäht und gemieden, sondern gebilligt werde. Der amtierende „Platz-Champion-Golfer“ Rory McIlroy hat derweil die obligatorische Pressekonferenz abgesagt, um genau diesem Thema und allen Fragen nach dem PIF-Pakt der PGA Tour zu entgehen. Tun wir es dem Nordiren nach und reden wir über Royal Liverpool, wo „Rors“ vor neun Jahren das dritte seiner vier Majors gewonnen hat und wohin er nun als Scottish-Open-Triumphator und Top-Favorit zur 151. Open Championship zurückgekehrt ist.

 

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Perfekter Nachfolger für den Old Course 2022

Hoylake, wie der Parcours auf dem Gebiet der gleichnamigen Gemeinde umgangssprachlich genannt wird, passt in vielerlei Hinsicht als Nachfolger der Jubiläumsveranstaltung vergangenes Jahr in St. Andrews. Sam Snead hätte in der äußersten Ecke der Wirral-Halbinsel im Nordwesten von England ebenso über einen „öden, verkommenen Platz“ gelästert wie 1946 angesichts des Old Course und sich gewundert: „Auf so was richten sie die British Open aus?“

1869 erste rudimentäre Löcher

Das 6.686 Meter lange, für die Open als Par 71 gesteckte Ensemble an der Mündung des Mersey wirkt uninspierend, fast langweilig. Es ist ein landschaftliches Nichts. Dräuende Dünen, faltige Fairways und kapitale Küstenformationen sucht der Golfer meist vergebens. Das Areal war ursprünglich die Pferderennbahn des Liverpool Hunt Club; enorme Erhebungen und generell Höhenunterschiede sind nun mal nichts für Vollblüter. 1869 stieg der gerade in der Metropole am gegenüberliegenden Ufer gegründete Liverpool Golf Club in die Nutzung ein und ließ die ersten neun eher rudimentären Löcher anlegen, unter anderem von George Morris, dem zwei Jahre älteren Bruder des Golf-Godfather Old Tom. Als Clubhaus wurde das imposanten Royal Hotel in der Stanley Road genutzt.

Clubmitglied Hilton gewann erste Hoylake-Open

1971 steuerte Prinz Arthur, Duke of Connaught, dritter Sohn von Queen Victoria und ihres Prinzgemahls Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, das royale Prädikat bei. Im selben Jahr wurde das Layout Richtung Küste auf 18 Loch erweitert und gewann damit etwas mehr Linkskurs-Charakter. Sieben Jahr lang teilten sich Golfer und Galopper das im Inland glanzlose Gelände, dann wurde der nunmehrige Royal Liverpool Golf Club (RLGC) alleiniger Hausherr. 1897 gewann Clubmitglied Harold Hilton die erste von mittlerweile einem Dutzend Open Championships; der Lokalmatador lag einen Schlag vor dem berühmten James Braid, Mitglied des legendären „Great Triumvirate“.

Streng, funktional, kompromisslos

„Topfebenes Terrain wurde damals nicht als schlecht angesehen“, verdeutlicht RLGC-Mitglied Joe McDonnell. „Die Spuren der Rennbahn, Kaninchenlöcher und niedrige Rasenmauern, die nicht nur die Parzellen abgrenzten, sondern auch als Sandbrecher fungierten und natürliche Bunkerstreifen schufen, waren Hindernisse genug. Der Platz war ganz bewusst flach.“

Daran hat sich bis heute nichts geändert, obwohl der geniale Harry S. Colt in den 1920er-Jahren und nach ihm Architekten wie Donald Steel Hand ans Hoylake-Design gelegt haben. Die Spuren der Vollblüter sind natürlich vom Wind der Zeit und den Renovationen getilgt worden, aber Royal Liverpool ist nach wie vor streng, funktional, kompromisslos, ohne gestalterischen Schnickschnack. Mit einer Ausnahme, davon aber später.

 

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„Langweiliges und ziemlich gemeines Aussehen“

Die spröde Linkslady will jedenfalls erobert werden, sie fällt einem nicht schon beim ersten Rendezvous um den Hals. Sam Snead oder Bobby Jone und ihr erster ambivalenter Eindruck vom Old Course lassen grüßen. Letzterer gewann übrigens 1930 auf dem Weg zum Grand Slam die Open in Hoylake. Bernard Darwin, der große Chronist und Gestalter hat über Royal Liverpool mal geschrieben: „Der Golfpilger befindet sich eindeutig auf klassischem Boden.“ Trotz des „langweiligen und ziemlich gemeinen Aussehens“ sei es einer der interessantesten und schwierigsten Plätze und „wird von allen, die ihn gut kennen, mit Zuneigung betrachtet“.

„Hoylake ist was für wahre Linksgolf-Liebhaber“

„Er entfaltet seinen Charakter und seine Vorzüge halt erst mit der Zeit“, ergänzt Clubmitglied McDonnell. „Heutzutage ist es üblich, dass die Leute einen Golfplatz einmal besuchen und ihn dann von ihrer Liste streichen. Wenn sie auf Hoylake mehrere Male spielen würden, vor allem bei unterschiedlichen Windverhältnissen, bin ich mir sicher, dass sie eine echte Wertschätzung entwickeln würden.“ Oder wie Star-Designer Tom Doak es formuliert: „Hoylake trennt die wahren Liebhaber des Linksgolf von denen, die es nur irgendwie verstehen.“

 

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Selbst die weltbesten Spieler zum Nachdenken bringen

Wie beim Old Course liegt die Tücke des Objekts im Detail. „Das flache sandige Land ermöglicht große Kreativität bei den Grüns und den Grünumrandungen sowie bei der Gestaltung des Bodens und der Bunker“, erläutert Martin Ebert vom Designbüro Mackenzie & Ebert, der Hoylake 2015 aufpoliert hat. „Damit bringt man selbst die besten Spieler der Welt zum Nachdenken.“ Einer, der das besonders gut kann, ist Bryson DeChambeau: „Du musst dir bei jedem Schlag sehr genau überlegen, wohin du den Ball haust. Und es gibt keinen Spielraum für Präzision.“ Erst recht, wenn das Geläuf ausgedörrt ist. Und wenn zudem Wind im Spiel ist. Dann wird Hoylake schlichtweg biestig und brutal.

Tiger Woods zeigte 2006, wie es geht

Wie man trotzdem perfekt über die Runden kommt, hat Tiger Woods 2006 bewiesen, als er auf dem knochenharten Kurs nur einmal den Driver zückte und so lasergenau agierte, dass er nicht einmal in einem der tückischen Pottbunker landete. Am Ende lag der Superstar zwei Schläge vor Chris DiMarco und gewann die zweite Open in Folge. „Hier spielt man Golf, wie es ursprünglich gedacht war“, schrieb er dem Kurs hernach ins Stammbuch. 

„Hoylake ist voll von interessanten Löchern und Schlägen", sagt Ebert. „Tiger hat damals gezeigt, dass es eine Menge Möglichkeiten gibt, ihn zu attackieren.“ Superintendent James Bledge und seine Crew haben sich alle Mühe gegeben, den Platz auch für diese 13. Ausgabe in Hoylake auszutrocknen: „Das würde uns den traditionellen Open-Look geben – schnell und feurig.“ Freilich, das regnerische Wetter scheint ihnen einen Strich durch die Rechnung zu machen. Schade.


Eine Besonderheit von Hoylake sind Ausgrenzen im Platzinneren wegen der Driving Range und eines hoch umzäunten Obstgartens sowie eine für die Open veränderte Bahnenfolge. Für Smith, McIlroy und Co. beginnt die Runde auf der originär 17. Bahn, führt über 18, 1 etc. und endet auf der Par-5-16, hinter deren Grün-Umgebung genug Raum für eine standesgemäße Tribüne bietet.


Die 17 verspricht Spektakel und Drama

Wer dennoch auf Spektakel und Drama hofft, darf sich auf das 17. Loch des Open-Routings freuen. Ebert hat 2019 die eigentliche 15 ausradiert und durch eine echt fiese Formgebung ersetzt. Das Grün des lediglich 124,3 Meter langen Par-3 liegt mit seiner False Front ganz unschuldig vor der Kulisse der Mersey-Mündung und der irischen See. Doch wehe, es wird verfehlt. An jeder Seite warten zwei Bunker auf verirrte oder versprungene Bälle, besondere der rechte dürfte sich wegen der vorherrschenden Windrichtung als beständige Bedrohung erweisen. Und hinter der gewölbten Puttfläche lauert eine tückische Waste Area.

 

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„Eine Monstrosität erschaffen“

„Little Eye“ hat schon während der Einspielrunden für eine Menge Gesprächsstoff gesorgt. Rory McIlroy schaffte es von der linken Seite und aus drei Metern trotz einer Pin-high-Balllage in vier Versuchen nicht, seine Murmel unterzubringen. Und während Brooks Koepka das Loch „ziemlich interessant“ findet, „weil ich kurze trickreiche Par-3 absolut mag“, macht Matt Fitzpatricks Caddie Billy Foster aus seinem Herzen keine Mördergrube: „An dem vorherigen kleinen Ding war nichts auszusetzen und dennoch erschaffen sie stattdessen eine Monstrosität.“

Kein Grund für Siegessicherheit

Architekt Ebert sieht das naturgemäß anders. „Alles kann passieren – vom Birdie bis zum Doppelbogey oder Schlimmerem. Selbst bei einem Vorsprung von drei, vier Schlägen gibt es für den Führenden am 71. Abschlag keine Siegessicherheit.“ Das kann ja heiter werden. Aber „heiter“ gehört auch nicht zum Anforderungsprofil einer Open Championship.

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