Panorama

Golf und deutsche Politik – Charakteristik einer schwierigen Beziehung

12. Nov. 2018 von Benjamin Reeve in Köln, Deutschland

Obama, Merkel und Siemens CEO Kaeser in Hannover 2016.

US-Präsident Obama, Kanzlerin Merkel und Siemens CEO Joe Kaeser auf der Messe Hannover 2016. (Foto: Getty)

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Beim Stichwort Golfpolitik denkt in Deutschland zunächst fast jeder an die Politik der Golfstaaten auf der arabischen Halbinsel oder an US-Präsident Donald Trump. Während das Putting Green nicht erst mit Trump zum „grünen Tisch“ US-amerikanischer Politik geworden ist, bleibt das Verhältnis von Golf und Politik in Deutschland schwierig.

Dies hat verschiedene Gründe: Golf hat ein Imageproblem, ist kein Breitensport und verfügt daher kaum über mediale Präsenz.

Golf hat ein Imageproblem

In den USA gilt das Golfspiel als traditioneller Präsidentensport. Doch auch dort war Golf als Sport für Politiker lange umstritten, galt als elitär, teuer und langweilig. Golf sei ein politischer Imagekiller und kein Wahlhelfer. Eine Denkweise, die sich in den USA grundlegend geändert hat. Diesem Wandel ist zuträglich, dass rund 10 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung Golf spielen – in Deutschland sind es nur 0,66 Prozent.

„Lange Zeit haben die Golfer und ihre Clubs keinen Kontakt zur Politik gesucht“, erklärt Kurt-Dieter Grill, Vorsitzender der Sportgemeinschaft Deutscher Bundestag, langjähriges Mitglied des Bundestages und leidenschaftlicher Golfer. „Im Unterschied zu anderen Sportvereinen, brauchen Golfclubs die Politik selten. Ihre Anlagen bauen und sanieren sie selbst und beantragen eher selten öffentliche Gelder. Allenfalls für die Baugenehmigung wendet man sich an die Politik. Eine neue Situation ergibt sich dadurch, dass Golf olympisch geworden ist und der Deutsche Golf Verband den Golfsport mit seinen gesundheitsfördernden und ökologischen Eigenschaften auch für die breite Öffentlichkeit erreichbar machen will. Er sucht als starkes Mitglied des DOSB nun auch den Kontakt zur Politik. Golf sollte eine Selbstverständlichkeit werden.“

Dennoch ist Golf hierzulande noch nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen und so halten sich Vorurteile hartnäckig. Eine Imagestudie im Auftrag von DGV und VCG stellt fest, dass 96 Prozent der deutschen Nicht-Golfer ab 14 Jahren eine überwiegend negative Meinung zu Golf haben. Zum Wahlhelfer wird dieser beachtliche Prozentsatz nur, wenn man ihn in Abgrenzung zum Golfsport nutzt. Zuletzt spielte Martin Schulz diese Karte. Im Wahlkampf formulierte er zur Kritik im Abgasskandal: „Mich interessieren die Golffahrer deutlich mehr als diese Golfspieler. Die Arroganz dieser Leute gefährdet einen ganzen Industriezweig“. Das Wort „Golfspieler“ wird zum Schimpfwort pervertiert. Grund genug, dass DGV-Präsident Claus M. Kobold Richtigstellung der Aussage forderte, die eine „öffentliche Diffamierung offensichtlich vollkommen unbeteiligter Bevölkerungsgruppen aktiv betreibt“. Eine Entschuldigung des Kanzlerkandidaten blieb aus.

Mitgliederzahl des Deutschen Golf Verbandes wächst

Des Imageproblems zum Trotz wächst die Mitgliederzahl des Deutschen Golf Verbandes stetig – im Zeitraum 2012 bis 2018 von 635.097 auf 644.943 Golfer. Gemeinsam mit clubfreien Spielern verdreifacht sich die Zahl auf rund 1,8 Millionen. Jedoch ist der gesellschaftliche Ausschlag von Fußball- (ca. 7 Mio. Mitglieder), Turner- (ca. 5 Mio. Mitglieder) und Tennis-Bund (ca. 1.4 Mio. Mitglieder) ungleich höher. Kein Wunder also, dass sich Politiker lieber in Fußballstadien ablichten lassen. Ein politisches Engagement in vergleichbarer Weise wird durch das Image des Golfsports im Zusammenspiel mit seiner immer noch zu geringen gesellschaftlichen Reichweite schlicht uninteressant.

„Das schlechte Image ist aber kein deutsches Phänomen“, so Kurt-Dieter Grill. Der 75-jährige organisiert seit Langem sowohl das Bundestagsturnier gemeinsam mit dem DGV als auch Golfturniere für Politiker auf europäsicher Ebene. Viele europäische Kollegen und überraschenderweise sogar irische Politiker hätten ihm dabei von ähnlichen Problemen in ihrer Heimat berichtet. „Ein irischer Politiker, von dem ich ein Foto auf einem europäischen Golfturnier machte, hat mich gebeten, das Bild nicht im Internet zu veröffentlichen, weil er negative Publicity in seiner Heimat befürchtete.“

Entwicklungspolitik für den Golfsport

Ein vergleichender Blick auf die europäischen Nachbarn offenbart zweierlei: Erstens belegt Deutschland mit 644.943 Mitgliedern Platz zwei der mitgliederstärksten Verbände der EGA. Und dies nur knapp hinter England (652.000 Mitglieder) und weit vor Schweden (491.768 Mitglieder).

Zweitens besteht im europäischen Ausland eine größere Verzahnung von Politik und Golfsport als in Deutschland. Der französische Golfverband versprach in seinem Antrag, um den Ryder Cup 2018 ausrichten zu können, 100 neue Golfplätze zu bauen. 83 Plätze wurden auch dank großzügiger staatlicher Subventionen realisiert.

Ausschlaggebend dafür, dass der Ryder Cup nun 2022 in Rom ausgetragen werden soll, war vor allem die überwältigende Zusage von 150 Millionen Euro an die Ryder Cup Europe (Deutschland versprach 20 Millionen und Österreich 44 Millionen). Darin enthalten war eine staatliche Bürgschaft in Höhe von 97 Millionen Euro.

„Damit können und wollen wir nicht mithalten. Auch weil staatliche Bürgschaften in dieser Höhe für ein Turnier wie den Ryder Cup nicht schlüssig begründet werden können“, sagt Grill. Und tatsächlich holte die Realität den italienischen Verband schnell ein. Die neue Regierung in Rom zog die Bürgschaft zurück. Die Ryder Cup Entscheidung für Italien war allerdings bereits gefallen.

Deutsche Golfer dürfen zwar von 150 Millionen für den Golfstandort träumen, allerdings verfolgen Golfverband und Politik vielmehr nachhaltige Ansätze zur Popularisierung des Golfsports, die in einem nachvollziehbaren Rahmen und Umfang Unterstützung finden. Ein Schritt in diese Richtung ist Olympia.

Entwicklung via Olympia?

„Dass Golf wieder olympisch ist, begreife ich als ,Kickoff‘ für meinen Sport. An diesen Neuanfang knüpfen sich große Hoffnungen an eine Öffnung des Golfsports in Richtung der Politik und gegenüber der größeren Öffentlichkeit“, meint Kurt-Dieter Grill. Nach 112 Jahren wurde Golf 2016 wieder zur olympischen Sportart und wird es mindestens bis 2024 bleiben. Auch der DGV ist davon überzeugt, dass die Spiele der Sportart in Gänze helfen werden. Im Hauptprogramm zu Olympia 2016 bekam Golf immer wieder Übertragungszeiten.

Die Entscheidung der Männer sahen vier Millionen Zuschauer in der ARD, was einem Marktanteil von knapp 28 Prozent entsprach. Die Damen toppten diesen Wert als 5,33 Millionen Zuschauer ihren ersten Tag zur Prime Time im ZDF verfolgten. Die sportliche Zusammenarbeit von DGV und DOSB erstreckt sich auf mehrere Bereiche. Der Trainerstab des DGV arbeitet nach dem Modell der Talentidentifikation und -entwicklung des DOSBs. Zudem ist Golf als Sport in die Sportfördergruppe Neubiberg der Bundeswehr aufgenommen worden, wenn auch bisher keine Golfspieler dort stationiert sind.

Zum Präsidentensport wird es Golf in Deutschland so bald nicht schaffen. Vielleicht kann die bisherige Ferne zur Politik aber auch als Vorteil begriffen werden, weil sich dadurch auch eine gewisse politische Unabhängigkeit erhalten hat.

 

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