Was für ein Schachzug! Mit der frühen Ernennung von Tom Watson zum Teamchef für den Ryder Cup 2014 hat die PGA of America den Europäern einen ziemlichen Schuss vor den Bug gesetzt. Nicht nur Darren Clarke, neben Paul McGinley Top-Anwärter auf das Kapitänsamt beim anstehenden Heimspiel im schottischen Gleneagles, war von dieser „Entscheidung aus dem Nichts völlig überrumpelt“. Seither, so hat der irische Golf-Journalist Brian Keogh durchaus treffend notiert, ist die Debatte um Europas Antwort auf Tom Watson „zu einer Kabale vatikanischen Ausmaßes verkommen“.
Wen soll Europa einer Golf-Ikone wie Watson entgegen stellen?
Im Mittelpunkt steht Darren Clarke, der dabei nicht unbedingt eine rühmliche Rolle abgibt. Alles dreht sich um die Frage, wen man einer Golf-Ikone wie Tom Watson entgegen stellen soll?
Watson ist achtfacher Major-Sieger. Er hat als Spieler noch nie einen Ryder Cup verloren. Und als Kapitän führte er die US-Equipe 1993 in The Belfry zum bislang letzten Auswärtserfolg. Der 63-Jährige aus Kansas City ist ein Gentleman, charmant, charismatisch, eloquent und führungstark.
„Wir haben niemanden dieses Kalibers“, jammerte Clarke direkt nach Watsons Vorstellung und brachte sich flugs mit einer veritablen Volte aus der Schusslinie, indem er für McGinley als Widerpart plädierte. Die feine englische Art war das nicht, aber die Begründung ist interessant: „Wenn ich gefragt würde, wäre das eine schwierige Entscheidung,“ sagt Clarke neuerdings. „Ich bin erst 44 Jahre alt und es ist noch nicht lange her, dass ich selbst die Open [2011] gewonnen habe.“ Will heißen: Vielleicht kann ich 2014 ja noch mal mitspielen. Will auch heißen: Soll sich doch Paul McGinley gegen Watson die Finger verbrennen. Clarke kneift.
Watsons Aura verbreitet Konfusion
Die Konfusion im europäischen Lager hat gute Gründe. Fünf der acht Major-Siege Watsons waren Open Championships, vier davon gewann er auf schottischem Boden. 2009 in Turnberry hätte er den Claret Jug beinahe zum sechsten Mal gewonnen, mit fast 60 Jahren, und wurde dafür vom britischen Publikum gefeiert. Dazu kommen drei Senior Open, ebenfalls in Schottland: Gleneagles ist für Watson ein Heimspiel! „Sie lieben ihn in Schottland und behandeln ihn als einen der Ihren“, bestätigt US-Ryder-Cupper Brandt Snedeker.
Was Wunder, dass viele in der Szene längst auf die Linie eingeschwenkt sind, Europa sollte bei der K-Frage erst gar nicht versuchen, Watsons Strahlkraft und Beliebtheit kontern zu wollen. Dieser Popularitäts-Wettbewerb sei nicht zu gewinnen, sagt beispielsweise Padraig Harrington. Deswegen gilt mittlerweile Paul McGinley – kein Typ fürs Rampenlicht, sondern ein penibler Arbeiter und Organisierer; zudem einer, der Europa gegen Watson die Rolle des Außenseiters bescheren würde – als Idealbesetzung für 2014.
Colin Montgomerie hätte in Schottland die Fans auf seiner Seite
Bloß bei Darren Clarke dann plötzlich doch wieder nicht. Europa müsse der Aura des amerikanischen Kapitäns unbedingt mit einer „starken persönlichen Präsenz“ begegnen, tat der Nordire jüngst kund. Es gelte, den richtigen Mann zu benennen, auch wenn eine ungeschriebene Regel besage, dass das Kapitänsamt eine einmalige Angelegenheit sei. Das geht eindeutig in Richtung Colin Montgomerie, den siegreichen „Skipper“ von 2010, mit dem sich Staat machen lässt und der als Schotte gewiss die Fans in Gleneagles von Watson ablenken würde.
Die Entscheidung fällt frühestens im Januar, wenn das Spieler-Komitee der European Tour in Abu Dhabi turnusmäßig zusammen tritt.