"Vor anderthalb Jahren saß ich auf Mauritius und habe mich gefragt, ob ich überhaupt noch Golf spielen will." Der gleiche Marcel Siem, der sich diese Frage stellte, gewann in den letzten zwei Wochen erst auf der Challenge Tour und begeisterte dann restlos bei der Open Championship. Nein, nicht der gleiche. Seitdem hat er viel an seinem Team und auch an sich selbst gearbeitet und verändert, golferisch aber vor allem auch mental. Unter dem Hashtag #mywayback lässt sich Marcel Siems Kampf zurück auf die große Golfbühne in den Sozialen Medien verfolgen.
Marcel Siem fist pumps sich zum Publikumsliebling
Auf der ganz großen Golfbühne, der Majorbühne, meldete er sich bei der Open auf jeden Fall schon mal zurück und sammelte mit seiner enthusiastischen Art, seinem Winken und seinen Fist Pumps so viele Sympathien, dass ihn selbst die Amerikaner zum "wahren Sieger" erklärten. "Wenn es gut läuft, kommt es einfach aus mir heraus“, erklärte er seinen emotionalen Jubel nach einer seiner Runden. Als "Underdog" gewann er mit seiner Freude und positiven Energie und seiner fantastischen Leistung auf den Fairways und Grüns des Royal St. George's viele neue Fans.
Marcel Siem is the real winner of The Open. pic.twitter.com/8J7FrfmqwS
— GOLF.com (@GOLF_com) July 18, 2021
A @SiemMarcel appreciation post ??
He's brought so much energy to course this week. #TheOpen pic.twitter.com/hXFkxGyCZJ
— The European Tour (@EuropeanTour) July 17, 2021
Don’t care if he’s a player caddie or hype man...NEED Marcel Siem at the Ryder Cup pic.twitter.com/PlDgSWiysB
— Joel Beall (@JoelMBeall) July 16, 2021
Siem gehörte einmal zu den Top 50 der Welt, gewann vier Turniere auf der European Tour. Aber als keine Siege mehr kamen, entschied er sich zu einer Veränderung, die wirklich alles verändern sollte: Er versuchte sich an Dustin Johnsons Schwung, insbesondere die Haltung seines Handgelenks. "Das hat alles versaut", sagte Siem gegenüber Golfdigest. "Das war die schlechteste Entscheidung, die ich je in meinem Leben getroffen hatte." Was kam, war eine Schulterverletzung, mit der er heute noch zu kämpfen hat, der Verlust der Tourkarte und in der Weltrangliste fiel er bis auf den 1007. Rang zurück. Das war vor genau einem Jahr.
Seitdem hat er gelernt, seine Position auf der Challenge Tour zu akzeptieren und zu respektieren, aber nicht, sich mit ihr abzufinden. Das Ziel ist klar: Die European-Tour-Tourkarte. Um dieses Ziel zu erreichen, spielt Siem einen Golfmarathon, wie ihn die wenigsten Golfer durchziehen. Seit 13 Wochen, seit dem Beginn der Challenge Tour Saison 2021, ist er ohne Pause auf den Golfplätzen der Welt unterwegs. "Es ist so einfach mal 'ne Pause zu machen und auf einmal läuft es nicht mehr und dann machst du dir Vorwürfe."
Wie nahe ist er seinem Ziel, auf die European Tour zurückzukehren?
Wie nahe bringt ihn diese Open Championship an sein Ziel - und an die mehr als verdiente Pause? Denn, dass ein Teil des Preisgeldes auf das Challenge Tour Ranking angerechnet wird, war das ausschlaggebende Argument, das Siem dazu brachte, die Reise nach England überhaupt anzutreten, ansonsten hätten wir die Woche ohne seinen Jubel verbringen müssen. Der geteilte 15. Platz brachte ihm 143.063 Dollar Preisgeld ein - keine schlechte Summe im Vergleich zu dem Siegercheck in Höhe von 33.000 Euro, die ihm der Sieg in Frankreich in der Vorwoche einbrachte.
Zehn Prozent des Open-Preisgeldes, also 14.300 werden ihm als Punkte auf der Challenge Tour angerechnet. Damit übernimmt er den zweiten Platz im Road-to-Mallorca-Ranking, mit 74.577 Punkten. Zwischen 2015 und 2019 lag die Punktegrenze, mit der ein Golfer unter den Top 20 lag, und dafür die European Tour Tourkarte erhielt, zwischen 74.000 und 82.000 Punkten. Zwar ist Siem damit höchstwahrscheinlich nahe dran an seinem Ziel, einhundertprozentig "sicher" ist ihm der Aufstieg jedoch noch nicht. Von 27 Turnieren auf der Challenge Tour sind erst 13 entschieden - da bleibt noch eine Menge Golf zu spielen für die European-Tour-Aspiranten.