Vor gut zweieinhalb Jahren hat sich der US-Golftrainer Hank Haney eine Menge Ärger eingehandelt, als er beim Ausblick auf die anstehende US Women’s Open meinte, im Zweifelsfall werde eh eine Koreanerin namens Lee gewinnen, es gebe ja genug davon. Das war despektierlich, wenngleich auf den Punkt gebracht; und der einstige Tiger-Woods-Coach entschuldigte sich auch umgehend: Er habe damit lediglich den „überwältigenden Erfolg von koreanischen Spielerinnen auf der LPGA Tour“ verdeutlichen wollen. Kurz darauf holte sich Jeong-eun Lee im Country Club of Charleston ihr bislang einziges Major, die ihrem Nachnamen zu Abgrenzung eine „6“ beigefügt hat. Was zu beweisen war.
Was macht Korea anders als der Rest der Welt?
Und Jin Young Kos Erfolg am vergangenen Sonntag bei der BMW Ladies Championship war der 200. Sieg einer Spielerin aus Südkorea auf dem großen Damen-Circuit. Das wirft mal wieder die Frage auf: Wie kommt es, dass dieses kleine asiatische Land eine derartige Großzahl erfolgreicher Proetten produziert? Was macht Korea anders als der Rest der Welt? Wo liegen die Gründe für die koreanische Übermacht auf der LPGA?
Zur Verdeutlichung: Beginnend mit der neuen Weltranglistenersten Jin Young Ko tummeln sich sechs Koreanerinnen in den Top-20 des Rolex Ranking; und auf Platz sieben steht überdies Lydia Ko, die zwar Neuseeländerin ist, aber in Seoul geboren wurde und qua Elternhaus die entsprechende „DNA“ für den Golf-Erfolg mitbringt. Die USA hingegen sind bloß mit fünf Spielerinnen vertreten.
Se Ri Pak hat 1998 einen Boom ausgelöst
Die Antworten lassen sich an den Fingern einer Hand aufzählen: Vorbildfunktionen, der generelle asiatische Arbeitsethos, elterliche Unterstützung, Fokus und Förderung. Doch wie so oft ist das Ganze mehr als die Summe seiner Teile. Und begonnen hat alles mit der fünffachen Majorsiegerin Se Ri Pak (44), die getrost als Grande Dame des koreanischen Golf bezeichnet werden darf. Zwar steht die 2013 verstorbene Ok-Hee Ku als erste koreanische Turniersiegerin (1988, Standard Register Turquoise Classic) in den Annalen der LPGA, doch Paks Rookie-Triumph bei der US Women’s Open 1998 holte Golf aus der Ecke des bräsigen Elitensports in einem der bevölkerungsreichsten und dichtest besiedelten Staaten der Erde (über 500 Einwohnern pro Quadratkilometer) ins Rampenlicht der Öffentlichkeit und löste einen wahren Boom aus.
Bereitschaft, sich komplett einzubringen
Was nach Bernhard Langers Masters-Siegen hierzulande ein frommer Wunsch blieb, wurde im Süden der koreanischen Halbinsel Realität. Landauf landab begannen vor allem Mädchen, der Heroine Se Ri Pak nachzueifern, die 25 der 200 koreanischen Siege lieferte. In ihren Spuren wandeln vor allem Inbee Park, die gar sieben Majors gewann und 21 Erfolge beisteuerte, und halt Jin Young Ko, die als zweifache Major-Siegerin bislang elf Titel einheimste.
„Koreaner lieben es, Golf als Freizeitsport zu betreiben. Aber wenn sie sich dazu entscheiden, wirklich an ihrem Spiel zu arbeiten, sich zu verbessern oder gar eine Karriere draus zu machen, behandeln sie das wie schulische Pflichten oder berufliche Herausforderungen“, hat es der aus Korea stammende australische Teaching-Pro John Kang mal beschrieben: „Sie sind dann bereit, sich komplett einzubringen und alle Zeit darauf zu verwenden, die es für den Erfolg braucht.“
„Es geht immer um Wettbewerb und Leistungsfähigkeit“
Schule hat’s hier auch, mag man einwänden. Anforderungen im Job ebenso. Vergleichbar freilich ist das nicht. Der Druck im koreanischen Gesellschafts- und Arbeitssystem macht den Unterschied. „In Korea gehen die Kinder zur Schule und verbringen dann jeden Tag drei bis fünf Stunden außerhalb der Schulzeit damit, Unterricht zu nehmen, zu lernen und zusätzliche Kurse zu belegen“, erzählte Coach Kang im australischen Portal „Pure Golf Training“: „Alles ist sehr umkämpft, es geht immer um Wettbewerb und Leistungsfähigkeit. Beispielsweise sind die Chancen begrenzt, eine gute Universität zu besuchen – die Kids tun folglich alles, um die anderen zu übertreffen.“ Mit ihren Eltern im Rücken und vielfach sogar im Nacken.
Schmaler Grat zwischen Förderung und Überforderung
Im Golfsport ist der Nachwuchs gleichermaßen einer harten Konkurrenz ausgesetzt; und die Eltern setzen alles daran, ihre Kinder zu unterstützen. So – um den Bogen zur erwähnten „DNA“ zu spannen – ist auch Lydia Ko in Neuseeland aufgewachsen. „Es steht sehr viel auf dem Spiel, daher haben die Eltern das Gefühl, dass sie ihren Kindern auf jede erdenkliche Weise helfen müssen“, verdeutlich John Kang. Und: „In unserer Kultur ist der Ruf sehr wichtig, also Eltern und Kinder sind gleichermaßen motiviert, sich einen Namen zu machen und als erfolgreich anerkannt zu werden“.
Der Grat zwischen Förderung und Überforderung ist dabei schmal wie eine Rasierklinge – man mag nicht wissen, wieviele hoffnungsvolle Kids bereits am elterlichen Zwang zerbrochen sind.
Aus spielerischem Zugang wird Drill
Der Rest sind Fokus und Förderung. Koreanische Nachwuchsgolfer nehmen im Schnitt bereits mit vier Jahren erstmals einen Schläger in die Hand, sie reifen schneller und gehen dem Sport bereits sehr früh sehr seriös nach, das ungezwungen kindliche Element tritt rasch in den Hintergrund, sofern Talent erkennbar ist. Aus dem spielerischen Zugang wird Drill. In den Camps der Nationalteams beginnt der Programm-Tag um 6.30 Uhr morgens und endet frühestens um 20 Uhr abends.
„Koreanische Golfer“, sagte Kangs Chef Steve Bann, „sind die härtesten Arbeiter, die man sich vorstellen kann. Es ist schon fast erschreckend, wie sehr sie ihren sportlichen Zielen alles unterordnen.“
Sungjae Im, der „Iron Man“
Das gilt natürlich nicht nur für die Mädchen. Auch im Herrengolf sind die Koreaner feste Größen, man denke nur an K. J. Choi oder Young-eun „Y.E.“ Yang, der 2009 bei der PGA Championship in Hazeltine sogar Tiger Woods ausstach, der an diesem 16. August erstmals in seiner Karriere eine 54-Loch-Major-Führung nicht ins Ziel zu bringen vermochte.
Jüngstes Beispiel ist Vielspieler Sung-jae Im, Gewinner der Shriners Children’s Open, der seit 2017 über die PGA Tour tingelt, auf jede erreichbare Teebox klettert, bereits 98 Turniere auf dem Buckel hat und folglich keinen Grund sah, sesshaft zu werden. Ende 2020 hat sich der 23-Jährige dann endlich ein Haus in Atlanta gekauft. Die PGA Tour hat der bisherigen Karriere des „Iron Man“ ein hübsches Filmchen gewidmet:
Dass Koreas Pros dennoch nicht an die Erfolge der Damen reichen, erklären Experten übrigens mit dem Einfluss der Eltern, die bei einer Tochter selbst nach dem Wechsel ins Profilager noch mitmischen und das Leben außerhalb der Turnier-Fairways bestimmen. Jungs wiederum lösen sich früher aus der elterlichen Zone, sind schneller selbstbestimmt, genießen eher Freiheiten und sind für ihr Training folglich allein verantwortlich.
Golf-Talentshow für weiblichen Nachwuchs im TV
Sowieso ist die LPGA Tour of Korea (KLPGA) im Land deutlich populärer als das Pendant für die Herren. Und es gibt sogar eine Golf-Talentshow im Fernsehen, die ausschließlich dem weiblichen Nachwuchs gewidmet ist und eine prominente Jury-Vorsitzende hat. Ihr Titel: „Hero Tomorrow by Se Ri Pak“.