Gestern war Trooping the Colour, die alljährliche Militärparade zu Ehren des britischen Monarchen: in London defilierten die Garden vor König Charles III. Heute wollen die Three Lions Flagge zeigen, die in England in punkto öffentlichem Interesse irgendwie direkt nach den Windsors kommen; sie starten in Gelsenkirchen gegen Serbien in die Fußball-Europameisterschaft 2024. Dafür mussten Harry Kane und Co. freilich das Spa & GolfResort Weimarer Land im ebenso idyllischen wie abgelegenen thüringischen Blankenhain verlassen, wo sie während dieser EM ihr Team Base Camp aufgeschlagen haben.
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Kanes Münchener Golfkumpel und Vereinskollege Thomas Müller und das DFB-Team haben am Freitag beim 5:1 gegen Schottland vorgemacht, wie sich an einem splendiden Rückzugsort ein Team formen und die Weichen auf Erfolg stellen lassen. Die Equipe von Bundestrainer Julian Nagelsmann war vor der EM für eine knappe Woche zu Gast im Weimarer Land; „Probe-Wohnen für Kane“ schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ seinerzeit über das Trainingslager. „Die Deutschen wissen halt, wo es sich in ihrem Land gut wohnen lässt“, legte dieser Tage das britische Blatt „The Guardian“ nach: „Im Camp heißt es, das luxuriöse, abgeschieden gelegene Resort im Zentrum Deutschlands habe die Messlatte gegenüber früheren Turnieren höher gelegt.“
„Als Teamquartier die Endstufe“
Das war ein Botschaft an den englischen Fußballverband The FA (The Football Association) und vielleicht ein Seitenhieb gegen die Quartiere bei der Weltmeisterschaft 2018 im russischen Repino und 2022 im katarischen Souq Al Wakra Hotel. „Diese Unterkünfte waren komfortabel und entspannt, unprätentiös“, so „The Guardian“. „Das schicke Resort hier auf dem gepflegten Gelände ist die Endstufe.“
„Sind gewöhnt, die Wünsche unserer Gäste zu erfüllen“
Hausherr Matthias Grafe muss schmunzeln. „Das ist vielleicht nicht unbedingt vergleichbar“, sagt der Unternehmer und Inhaber. „Unsere Anlage ist ja nicht aus der Retorte aufgebaut, um eine Fußballmannschaft zu beherbergen. Wir haben gewachsene Strukturen und sind gewöhnt, die Wünsche unserer Gäste zu erfüllen. Wir behandeln die Engländer genau wie jeden anderen Gast – was der sich wünscht, das bekommt er.“
Das Spa & GolfResort Weimarer Land erstreckt sich über 450 Hektar Gesamtfläche, davon 110 Hektar Wald, hat drei Golfplätze mit insgesamt 45 Loch (Goethe, Feininger, Königin Luise Course), eine Indoor-Trackman-Golfanlage und jede Menge sonstiger Sport- und Freizeitmöglichkeiten.
Der jüngst auf 3.000 Quadratmeter erweiterte Wellnessbereich „LindenSpa“ verfügt über einen Innen- und Außenpool, einen Whirlpool, Fitnessraum und Behandlungsräume sowie eine Saunawelt mit sechs Saunen.
Für gastronomische Vielfalt sorgen insgesamt acht Restaurants und Bistros. Das „Masters“ von Executive Küchenchef Danny Schwabe und das „The First“ von Marcello Fabbri sind jeweils mit einem Michelin-Stern dekoriert, was das Weimarer Land zu einer Rarität auf der kulinarischen Landkarte macht.
Auf der Fußballanlage nach FIFA-Standard haben bereits die Queens Park Rangers und die Glasgow Rangers aus der englischen Premier League trainiert. Unlängst wurden eine Trainingshalle mit Fitnessgeräten und eine Playground Hall (Tischtennis, Trackman-Golfsimulator, Billard, Kicker etc.) sowie am Hotel ein Padel-Tennis-Platz samt Basketballkorb angelegt.
Rasen wie in Wimbledon und Wembley
Die Engländer, namentlich The FA, hatten eine Menge Wünsche. Die anderthalb Fußballplätze der Resort-eigenen Trainingsanlage wurden mit dem Rasen eingesät, der auch in Wimbledon und im Wembley-Stadion mit Füßen getreten wird – buchstäblich, nicht im übertragenen Sinn. Zur Abschottung und gegen Spione anderer Mannschaften und die „Kiebitze“ der britischen Boulevardmedien stehen rundherum sechs bis acht Meter hohe Zäune, die mit blickdichten Bannern bespannt sind.
„Hier wird garantiert niemandem langweilig“
Die Trainingshalle am unteren Ende des Areals hat verspiegelte Scheiben, durch die sich nur von drinnen nach draußen gucken lässt. Beim ersten öffentlichen Training vor rund 60 Medienmenschen und zahllosen Kamera- und Fotolinsen schwärmte der Kollege vom englischen Radiosender „5 Live Sports“ von „schönster Lage mit Bäumen, so weit das Auge reicht“, von einem „Trainingsareal, dass man sich besser nicht vorstellen kann“ und vom gesamten Resort als „Wunderland, das keine Wünsche offen lässt“: „Früher hat man den Spielern gesagt: Bringt euch ein Buch mit, es kann langweilig werden. Hier wird garantiert niemandem langweilig.“ Stichwort Lagerkoller.
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Plauderstündchen im Freiluft-TV-Studio „Lions’ Den“
Vor den Abschlagsboxen der Driving Range hinter den Hauptgebäuden des Resorts wiederum wurden zwei Freiluft-Fernsehstudios aufgebaut; an spielfreien Tagen empfängt Moderator Josh Denzel in der „Lions’ Den“ (Höhle der Löwen) jeweils zwei Spieler zu einem lockeren Plauderstündchen samt Interaktion mit der Fangemeinde, die per Video Fragen und Grüße schicken darf. Und und und.
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Im Resort alles umgekrempelt
Sowieso kennt Matthias Grafe seine „Wohlfühloase“ (Eigenwerbung) kaum wieder. „Die haben alles umkrempelt“, sagt er. „Aber das ist ja kein Wunder: Unser Resort ist für eine völlig andere Zielgruppe konstruiert, die individuelle Rückzugsbereiche möchte. Jetzt wurde es auf eine sehr junge Zielgruppe ausgerichtet, die überdies Gruppendynamik braucht. Man will ja die Mannschaft zusammenbringen, ein homogenes Team bilden. Deswegen die ganzen Umgestaltungen. Wie ich als erste Resonanz höre, sind alle glücklich und zufrieden.“ Mehr darf er nicht verraten.
Einblicke durchs Social-Media-Team und dank Declan Rice
Das Weimarer Land ist eine Art Hochsicherheitstrakt, aus dem nichts nach außen dringen soll. Immerhin will „The Guardian“ einiges erfahren haben: „Die FA versucht, das Haus für Spieler und Mitarbeiter zu einem Zuhause fernab der Heimat zu machen. Jedes der Zimmer wurde mit Familienfotos personalisiert“, heißt es in dem Artikel.
Gut auch, dass es das Social-Media-Team der FA gibt, die mit ihren Beiträgen gewisse Einblicke vermitteln – und Declan Rice. Der Mittelfeldspieler vom FC Arsenal gehört wie Kapitän Kane zur Golfergilde der Three Lions, erscheint denn auch mal mit Schläger zum „Tagebuch“-Format, um dort von den Vorzügen des Hideaways und vom Golfplatz zu erzählen, und ist überdies auf Instagram erfreulich aktiv.
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Geheimtraining zwischen Loch sechs und sieben
Den Goethe-Course des Resorts hat die Kickerklientel für sich. Das waldreiche 18-Loch-Layout gehört zur EM-Sperrzone – allein schon, weil die Fußballtrainingsanlage zwischen den Bahnen sechs und sieben liegt, wo Gareth Southgate und sein Trainerteam beim Geheimtraining das an taktischen Finessen exerzieren lassen, was den Engländern endlich den ersten EM-Gewinn ihrer Fußballgeschichte bringen soll – der Wettbewerb wird immerhin bereits seit 1960 ausgetragen – und den ersten großen Titel überhaupt seit dem WM-Triumph von Wembley 1966 über Deutschland.
Feininger und Königin Luise für Golfer offen
Golf gespielt werden kann im Weimarer Land dennoch. Wohl dem, der genug Platz für den Spagat zwischen Fußball und Golf und insgesamt 45 Loch zur Verfügung hat, verteilt auf drei Plätze. Der Feininger-Course und der Königin-Luise-Kurzplatz liegen auf der anderen Seite des Resorts und sind für Mitglieder und Greenfeegäste nach wie vor geöffnet.
Matthias Grafe, sein General Manager Daniel Stenzel und Golfmanager Franz Reimann haben einfach die Golfrezeption aus dem Resort in die nagelneue Reitanlage „Gut Krakau“ am Rand des Orts Blankenhain umziehen lassen, die nach dem historischen Vorgänger des Resorts benannt ist. Das Round-Pen, indem sonst Pferde longiert werden, ist mit Getränkewagen, Tischen und Bänken zur Außengastronomie umfunktioniert worden und die Bahnenfolge des Feininger-Course wurde entsprechend verändert.
Ob sich die Golfnerds Kane und Rice das trotz Abschottung auf Dauer entgehen lassen wollen?
EM-Ausnahme: Golfrezeption und Golfergastro sind auf die nagelneue Reitanlage ausgelagert. (Foto: Michael F. Basche)