Golf in Südkorea ist ein Sport der Gegensätze. Der Golfsport ist gleichzeitig allgegenwärtig und für jeden zugänglich und zur selben Zeit genau das Gegenteil. Auf der einen Seite ist Golf überall zu finden, auf der anderen Seite ist eine Golfclub-Mitgliedschaft kaum bezahlbar. Fast zehn Prozent der Bevölkerung Koreas spielen Golf, die Mehrheit aber in Golf-Simulatoren anstatt draußen auf dem Platz. Eine Betrachtung der beiden Seiten.
Digital und nah: Golf für jedermann auf engstem Raum
Besonders in der Hauptstadt Seoul ist die Golfliebe der Südkoreaner offensichtlich. Alle paar Meter begegnet man der Sportart in irgendeiner Form. Golfsimulatoren und Screen-Golf-Angebote gibt es ohne Ende, sogar mehr als Starbucks-Filialen und die sind in Korea wirklich an jeder Ecke zu finden. Grüne Netze in und um die Stadt herum verraten, wo sich Driving Ranges verstecken. Weil aber Platzmangel in Korea ein anhaltendes Problem ist, findet man diese selbst an unerwarteten Orten, auf Hotels zum Beispiel oder sogar auf Parkhäusern.
Allein der Anbieter Golfzon betreibt über 5.000 Golf-Simulator-Locations in Korea, in denen 2023 94 Millionen Runden gespielt worden sein sollen, fast doppelt so viele wie draußen auf Golfplätzen. Koreas technologischer Fortschritt macht auch vor dem Golfsport nicht halt und die Simulatoren arbeiten mit immer realistischer werdenden Grafiken, Schlaguntergründen und Trainingshilfen.
Dieses große Angebot an Golf macht die Einstiegshürde in den Sport sehr niedrig. Ein Abend im Golfsimulator hat einen ähnlichen Stellenwert wie ein Karaokeabend. Für nur ungefähr 20 Dollar pro Runde bekommt man einen netten Abend mit Freunden, Bier und keinen langen Wegen aus der Stadt heraus.
Golf als Inspiration in schweren Zeiten
So kommt es, dass jeder zehnte Koreaner und jede zehnte Koreanerin golfen. Zum Vergleich, in Deutschland golfen nur ungefähr 2,5 Prozent der Bevölkerung. Ausgelöst wurde der Golfboom in Südkorea durch Seri Pak. Im Alter von nur 20 Jahren und in ihrer Rookie-Saison auf der LPGA Tour gewann sie 1998 in einem 20-Loch-Playoff die US Women's Open.
"Wir hatten andere Spieler in der Geschichte, aber sie war ein koreanischer Tiger Woods. Im Grunde hat sie diese Kultur geschaffen", erklärte James Jaewoo Suk, Head of Brand Communication BMW, Brand Experience, der unter anderem für die Kommunikation rund um die BMW Ladies Championship, Koreas größtem Golfturnier, verantwortlich ist. "Wir hatten 1998 eine Wirtschaftskrise und die Menschen brauchten eine Inspiration. Der Sport hat das an die richtigen Leute weitergegeben. Wir haben geglaubt, dass alles möglich ist, nicht nur im Golf, sondern im Leben." Paks Sieg inspirierte eine ganze Generation, vor allem von Golferinnen, die mit Hilfe des kompetitiven Sportgeists der Südkoreaner in den Jahrzehnten nach Paks Sieg den Erfolg auf der LPGA Tour weiter trugen und den Golfboom im Land beflügelten.
Exklusivität auf dem Grün: Golfplätze als Luxusgut
Durch den Golfboom vervielfachte sich auch die Zahl der Golfplätze in Südkorea. 844 18- und 9-Loch-Plätze gibt es laut dem Global Participation Report 2023 der R&A im Land. Ungefähr 200 davon soll es alleine rund um Seoul geben, und das obwohl Platz gerade in der Mega-Metropole ein kostbares Gut ist. Hohe Grundstückspreise bedeuten, dass auch Golfclubmitgliedschaften enorm teuer sind. Eintrittsgebühren für Mitgliedschaften in vielen privaten Golfclubs können bis in die Millionen Dollar gehen, bewegen sich aber oft zwischen 90.000 und 270.000 Dollar. Das Golfspielen ist darin oft jedoch nicht enthalten, es gibt die Greenfees für Mitglieder nur vergünstigt und eine Bevorzugung bei der Tee-Times-Buchung.
Aber auch ohne eine Mitgliedschaft Golf zu spielen ist weder günstig noch unkompliziert. Tee Times werden oft nur für Vierer-Flights vergeben, Einzelspieler finden sich in Online-Foren in Gruppen zusammen. Die Greenfee-Preise fangen bei 100-200 Euro pro Person an, dazu kommen für den Flight oft nochmal 100 Euro für einen verpflichtenden Caddie und rund 70 Euro für ein Cart. Hohe Steuern auf den Golfsport, insbesondere für private Golfclubs, treiben die Preise in die Höhe.
Für Golftouristen, wenn sie nicht von den hohen Preisen abgeschreckt sind, kommt oft erschwerend hinzu, dass eine koreanische Telefonnummer für die Reservierung benötigt wird und fehlende Koreanisch-Kenntnisse den Prozess erschweren - die Golfindustrie ist größtenteils auf Einheimische ausgelegt, weniger auf Golftouristen. Golfrunden sind im Gegensatz zu den Golfsimulatoren kein schnelles Vergnügen, sondern eher eine formelle Angelegenheit mit einem strikten Dress Code und werden oft auch genutzt, um Geschäfte abzuwickeln oder zum Networking.
Viele Koreanerinnen und Koreaner sind bereit, viel Geld für den Golfsport auszugeben. Der koreanische Golfmarkt ist nach den USA und Japan der drittgrößte Golfmarkt der Welt. In Korea wird mehr Golfausrüstung und vor allem Golfmode verkauft als überall sonst auf der Welt. Firmen produzieren eigene Kollektionen nur für den koreanischen Markt und verkaufen diese dort zu saftigen Preisen. Koreanische Firmen haben große Golf-Marken wie TaylorMade und Titleist erworben und geben viel Geld für das Sponsoring von PGA-Tour-Turnieren aus.
Golf als Spiegel der koreanischen Gesellschaft
Der Golfsport in Südkorea boomt, trotz seiner Kosten. Eine besonders engagierte Jugendarbeit gibt es dabei aber nicht, im Gegenteil: In den Privatclubs sind Kinder oft unerwünscht. Nur 2.178 Junioren sind in den Golfclubs registriert, zu teuer ist der Spaß, um Kinder einfach nur so zum Golf zu bringen. Wer den Sport in jungen Jahren betreibt, macht dies mit Profi-Ambitionen. Umso größer ist die Arbeit, die Golfsimulatoren leisten, um eine junge Zielgruppe anzusprechen, mit einfacherer Zugänglichkeit, einer entspannteren Umgebung und witzigen Emojis.
Doch sei es auf simulierten Plätzen oder echten Grüns, die beiden Facetten des Golfsports in Korea wachsen Hand in Hand. Über 60 Prozent der Golferinnen und Golfer geben an, beide Formen des Sports auszuüben. Das alles macht Golf in Korea zu mehr als nur einem Sport. Es beeinflusst die Kultur und die Wirtschaft und bildet einen Spiegel der koreanischen Gesellschaft: geprägt von Modernität, Wettbewerb und Innovationskraft.