Als der Golfprofi Bernd Ritthammer dieser Tage den ersten Abschlag des Golf Club Crans-sur-Sierre betrat, da war er ziemlich geflasht. „Pretty good“, murmelte Ritthammer angesichts des Alpenpanoramas im Wallis. Der Franke nimmt erstmals am European Masters teil, er hatte seine Augen schließen müssen und war vom Kollegen Florian Fritsch zum Eingang des Platzes geführt worden. Das Spiel mit der kleinen weißen Kugel fällt einem zum Thema Sport in der Schweiz nicht auf Anhieb ein, allenfalls Schneeballschlachten. Doch wenn die European Tour im Skiort Crans-sur-Sierre gastiert, dann rücken die Berge und damit Golfsport auf höchstem Level ins Blickfeld.
„Ferienstraße“ über 1.643 Kilometer
97 Golfanlagen mit insgesamt 1.575 Löchern führt der Verband „Golf Suisse“, etliche davon fallen in die Kategorie „Mountain Course“. Es sind wahre Schmuckstücke darunter, wenn man die kurze, oft nur sechsmonatige Saison berücksichtigt; und sie liegen vielfach am Wegesrand der sogenannten „Grand Tour of Switzerland“, mit der die eidgenössischen Touristiker die Reize ihres Landes in Szene setzen wollen.
Die Route führt über 1.643 Kilometer durch alle Landesteile und 51 Städte, berührt dabei 22 Seen, elf UNESCO-Welterbestätten und 33 sonstige besondere Sehenswürdigkeiten. Seit diesem Jahr gibt es den Road-Trip auch als „Green Tour“. Die Ferienstraße ist dank eines Netzes von rund 300 Ladestationen auch mit Elektrofahrzeugen durchgängig befahrbar. Grund genug, einer Handvoll Journalisten via Pressereise davon einen kleinen Eindruck zu vermitteln, samt batteriebetriebenem Leih-Tesla als mobilem Untersatz.
Golf Club Interlaken-Unterseen
Unsere persönliche „Grand Tour“ beginnt allerdings in Interlaken, lediglich 568 Meter über dem Meeresspiegel. Für die Akklimatisierung gar nicht schlecht. Das Massiv der „Jungfrau“, dem weiblichen Part des berühmten Bergtrios mit Eiger und Mönch, liegt in der Ferne und der Gipfel hinter Wolken, als wir zum Golf Club Interlaken-Unterseen aufbrechen. Der Par-72-Platz aus der Feder des Schweizer Star-Designers Peter Harradine Sr. liegt zwischen dem Thuner und dem Brienzer See und grenzt an ein Naturschutzgebiet, dementsprechend sorgsam und pfleglich gehen die Verantwortlichen mit ihrem Ensemble um, haben gerade wieder umfangreich Sanierungsarbeiten abgeschlossen.
Interlaken-Unterseen hat zahlreiche Biotope und eine Menge schilfgesäumter Wasserhindernisse, die vor allem auf den Löchern 1 und 2 sowie ab Bahn 9 im Spiel sind. Wir lernen überdies, dass die generell eher ungeliebten Birken hier sehr bewusst gepflanzt sind, und zwar 900 davon, weil sie eine Menge des aus dem Thuner See einsickernden Grundwassers aus dem Boden saugen. Der Schönheit von Landschaft und Golfplatz tut das ohnehin keinen Abbruch.
Wettspielpartner für begüterte Klienten
Noch am gleichen Nachmittag geht‘s dann bergauf, der „Grand-Tour“-Abschnitt führt uns im sanft surrenden E-Mobil nach Gstaad, jenem mondänen Flecken im Berner Oberland, seit langem mehr Hotspot mit hoher Promi- und Reichendichte sowie monströsen Immobilienpreisen denn „Bäuert“, wie der Einheimische sein Bergdorf verwaltungstechnisch nennt.
Am Golfsimulator des „Park Gstaad“ treffen wir den hoteleigenen Professional Frédéric Dauchez, der mal zur Open de France angetreten ist, heute die Geheimnisse des Schwungs vermittelt und nebenbei das tut, was im 19. Jahrhundert den Stand des Berufsgolfers überhaupt erst begründet hat: Er bestreitet Wettspiele mit begüterten Klienten, aber das ist eine andere Geschichte. Wir hingegen stimmen uns mit einem „Nearest-to-the-Pin“-Wettbewerb auf das anstehenden Golfabenteuer ein.
Golfclub Gstaad-Saanenland
Denn am nächsten Morgen steht die „Achterbahnfahrt“ im Golfclub Gstaad-Saanenland auf dem Programm. Schon die Aussicht beim Warmschlagen auf gegenüberliegende Steilhänge und Schluchten macht klar, was uns hier auf 1.450 Meter Höhe erwartet. Das ebenfalls von Harradine Sr. gestaltete Ensemble inmitten eines zum Naturschutzgebiet erklärten Hochmoors führt durch nadelöhrschmale Waldschneisen und über mannigfaltige Schräglagen, auf und ab verläuft der Parcours sowieso.
Der Topographie geschuldet ist auch das ungewöhnliche Routing: Auf der vorderen Schleife hat‘s drei Par-5-Bahnen und daher ein Par von 37, hinten raus dafür vier weitere Par-3-Löcher und eine 18, die mit 452 Metern von Weiß gerade so als einziges „Fünfer“ der Back Nine (Par 33) durchgeht und so denn Platzstandard wenigstens auf 70 schraubt. Gstaad-Saanenland erfordert Präzision und Feingefühl, der Driver bleibt zumeist besser im Bag.
Das beste Clubrestaurant der Schweiz
Ebenfalls ein Hochgenuss ist die anschließende Einkehr am „19. Loch“. Sternekoch Robert Speth, der zuvorderst in der „Chesery“ wirkt, Gstaads erstem Haus am Platz, holte für das Clubhaus-Restaurant 15 Gault-Millau-Punkte und machte es damit zu einem der besten in den Alpen und zum wohl besten des Landes.
Andermatt Swiss Alps und der Engadin Golf Club
Wer über Golf in den Bergen spricht, der kommt auch an Andermatt Swiss Alps nicht vorbei. Das Kurt-Rossknecht-Layout ist im Zug der Reanimation des uralten Alpendorfs am Fuß des Oberalppasses durch den ägyptischen Milliardär und Tourismus-Unternehmer Samih Sawiris entstanden, 12 Bahnen des Par-72-Kurses liegen auf dem Hochplateau, die andere sechs Löcher schlängeln sich durchs Tal.
Oder der Engadin Golf Club Switzerland in Samedan nahe St. Moritz, wo man kommendes Jahr als ältester Schweizer Golfclub den 125. Geburtstag feierte. Und halt Crans-sur-Sierre mit seiner über 100-jährigen Geschichte, auf dessen Ballesteros-Platz gerade Ritthammer, Fritsch und Co. um Meriten und Moneten spielen.