Wenn man verwegen formuliert, dann ist Annika Sörenstam wohl die Traumfrau des Golfsports, die „Nummer 10“. Wegen ihrer zehn Majorsiege jedenfalls, dank derer die Schwedin zu erfolgreichsten Athletin im modernen Damengolf avancierte. Und Athletin trifft es ziemlich gut: Wiewohl seit 2008 zwecks Familiengründung offiziell aus dem Turniergeschäft ausgestiegen und mittlerweile zweifache Mutter kann Sörenstam selbst im Alter von 50 Jahren noch gut mithalten, wenn sie hie und da immer mal wieder zum Schläger greift.
Erster aktiver Auftritt in der Heimat seit 13 Jahren
So, wie derzeit beim Scandinavian-Mixed im Vallda Golf &Country Club bei Göteborg, wo die beste Golferin ihrer und bislang auch der nachfolgenden Generation sowie Landsmann Henrik Stenson die Gastgeber sind. Das neue Teamformat, bei dem gemischte Doppel in einer Wertung um Sieg, Preisgeld, Welt- und Geldranglisten- sowie Ryder- und Solheim-Cup-Punkte spielen, sollte bereits 2020 auf der European Tour und der LET debütieren, aber ... Corona halt.
„Das Scandinavian Mixed ist ein neuer, anderer Weg, den Menschen hierzulande das Spiel nahe zu bringen, vor allem den jüngeren“, sagt Annika Sörenstam, die mit dem besonderen Format durchaus vertraut ist. 2003 hat sie es beim Colonial der PGA Tour in Fort Worth/Texas schon mal mit den Männern aufgenommen, verpasste jedoch trotz einer phasenweise brillanten Vorstellung den Cut. Wenngleich sie mit ihrer weltweit der Förderung des weiblichen Golfnachwuchses gewidmeten Annika-Stiftung ebenfalls ein Juniorinnen-Turnier in Schweden veranstaltet, geht sie jetzt zum ersten Mal seit 13 Jahren in ihrer Heimat wieder selbst an den Abschlag.
Olympiabotschafterin und St.-Andrews-Mitglied
Die leidenschaftliche Köchin, die auch im Tennis oder auf Alpinski hätte Furore machen können, ist im Wortsinn auch nach ihrer Karriere ein Global Player. Sörenstam war mit Jack Nicklaus Olympiabotschafterin des Golfsports fürs Comeback bei den Spielen von Rio de Janeiro 2016, gehört zu den sieben Frauen, die als erste Mitglieder in den Royal and Ancient Golf Club of St. Andrews aufgenommen wurden, und ist seit 1. Januar diesen Jahres die Präsidentin der International Golf Federation (IGF).
Das Konglomerat und Repräsentant aller großen Golf-Institutionen – R&A, USGA, Augusta National Golf Club, PGA Tour, European Tour, LPGA Tour – ist freilich eine eher unauffällig und wenig im Rampenlicht agierende Organisation, die vornehmlich dann in der öffentlichen Wahrnehmung auf taucht, wenn es um Golf und Olympia geht. Was bekanntlich in der Neuzeit erst einmal der Fall war.
Ehrung durch Trump am Tag nach Kapitol-Krawallen
Folgerichtig war auch Sörenstams Vorgänger, der einflussreiche Peter Dawson, eher als Chef des R&A bekannt, denn als zehn Jahre lang amtierender Weltverbandspräsident. Und die Schwedin setzt diese Tradition des diskreten Agierens fort. Annika Sörenstam machte eher von sich reden, als sie sich nur sieben Tage nach ihrem Amtsbeginn und insbesondere wenige Stunden nach dem „Kapitol-Verbrechen“ am 6. Januar von US-Präsident Donald Trump noch schnell Amerikas höchste zivile Auszeichnung umhängen ließen, die Medal of Freedom, bevor Trump das Weiße Haus dann räumen musste.
Während der Football-Coach Bill Belichik von den New England Patriots die Auszeichnung wegen Trumps Rolle bei den Krawallen vor und im Wahrzeichen der US-Demokratie ablehnte und dafür viel Beifall erhielt, handelten sich Sörenstam und Player einen Sturm der Entrüstung auf breiter Front ein. Der schwedische Journalist Martin Hardenberger schrieb damals: „Während Amerika trauerte, tranken sie Donnerstagskaffee mit dem Mann, der für eine der größten Schanden in der Geschichte des Landes steht.“
„Mädchen und jungen Frauen neue Perspektiven eröffnen“
Annika Sörenstam, ohnehin Trump-Sympathisantin und gelegentliche Golf-Partnerin von „The Donald“, tat die Koinzidenz der Ereignisse mit dem lapidaren Hinweis ab, die „Medal of Freedom“-Auszeichnung sei ja eigentlich schon für März 2020 geplant gewesen. Und: „Der 6. Januar war fraglos ein finsterer Tag für die USA. Aber ich sehe bei der Auszeichnung ausschließlich die besonderen Menschen, die damit seit der Einführung 1963 geehrt wurden, und deren Beitrag zu einer besseren Welt. Daher habe ich keine Sekunden gezögert, die Freiheitsmedaille anzunehmen.“
Ohnehin sei es müssig, rückblickend und nachträglich Energie auf ein Für und Wider zu verschwenden: „Ich schaue lieber nach vorn und fokussiere mich darauf, Türen aufzustoßen und damit Mädchen und jungen Frauen überall auf der Welt neue Perspektiven zu eröffnen.“
Plädoyer wider muffige Damen-Umkleiden
Bislang ist diesbezüglich indes wenig von der neuen Weltverbandspräsidentin gekommen. Immerhin hat Sörenstam, die nebst ihrer zehn Majors weitere 62 LPGA-Turniere – der erste Titel war direkt die US Women‘s Open 1995 – und alles in allem weltweit 94 Profi-Events gewonnen hat, acht Solheim Cups bestritt und 2017 Europas Kapitänin war, schon mal die Zustände in den Damen-Umkleiden von Golfclubs angeprangert.
„Viele sind klein, veraltet, runtergekommen und muffig – nicht sehr einladend!“, schimpfte sie. „Das ließe sich mit geringem Aufwand ändern, denn ich rede hier nicht von irgendwelchem stylishen Country-Club-Interior. Aber gerade für Frauen geht es beim Golf halt nicht nur darum, 7er-Eisen zu schlagen und Putts zu lochen.“
Annika Sörenstam: „Fangen wir an, Golf wieder cool zu machen!“
Gleichermaßen müsse sich der Dresscode ändern: „Wenn man Menschen einbeziehen will, darf man nicht starr auf überkommenen Regeln beharren.“ Generell gebe es viele Ansätze, um „Golfclubs zu einem Ort zu machen, den die Leute besuchen wollen“. Sörenstams Plädoyer: „Schauen wir uns andere Sportarten an und was dort getan wird, um junge Leute anzusprechen. Es muss einen schmalen Grat zwischen der Bewahrung von Tradition einerseits und Modernisierung andererseits geben. Fangen wir an, Golf wieder cool zu machen!“
Diese Brandrede hielt die Schwedin allerdings beim „Women’s Leadership Forum“, das der R&A Anfang Dezember online abgehalten hat, also vor der Wahl an die IGF-Spitze. Seither war von Sörenstam nicht mehr viel zu hören. Dabei zeigte sich PGA-Tour-Commissioner Jay Monahan als Vorsitzender des Weltverbands-Aufsichtsrat regelrecht „begeistert, jemanden derart versierten und allgemein respektierten wie Annika in diesem Amt zu haben.“
„Kinder ganz aufgeregt, Mama spielen zu sehen“
Kann ja noch kommen. Vielleicht braucht es das olympische Forum und Rampenlicht von Tokio, um den Worten auch Taten folgen zu lassen. Momentan sind in erster Linie „meine Kinder Ava und Will ganz aufgeregt, Mama Turnier-Golf spielen zu sehen“.