Es gibt vermutlich Leute, die sich für die ersten beiden Tage der US Open kommende Woche nichts sehnlicher wünschen als Bryson DeChambeau und Brooks Koepka in einem Flight. Quasi zum vorläufigen Zenit des gerade zugespitzten Zwists zwischen dem „Hulk mit dem Holz“ und dem Hünen aus Florida. Möglich wärs: Immerhin wird das Grouping zumeist im Hinterzimmer des Veranstalters ausgeknobelt, und besonders der noch von Mike Davis geführte US-Verband USGA hat diesbezüglich ein paar notorische Spaßvögel mit schrägen Vorlieben in seinen Reihen.
Rivalen des Rasens in einem Flight, Woodland als Puffer?
Gleichsam würde so was die Buchmacher freuen und befeuern, laufen doch ohnehin bereits Wetten über den Ausgang eines Fairway-Faustkampfs zwischen den ziemlich besten Feinden. Von dieser Stelle aus sei vorgeschlagen, für Torrey Pines den freundlichen und friedfertigen Gary Woodland als Puffer in das explosive Arrangement zu packen. Willkommener Nebeneffekt: Mit den Gewinnern der vier jüngsten US Open in einer Spielgruppe wäre die Konstellation grundsätzlich schlüssig und legitimiert, fernab perfider Hintergedanken. Mal abwarten.
Freibier für Schreihälse: Die Geister, die ich rief
Jedenfalls ist das Brooks-Bryson-Ballyhoo – oder vice versa; je nachdem, wer gerade zündelt – derzeit sehr öffentlichkeitswirksam in aller Munde. Allenfalls das Drama um Jon Rahm, die Eigenwerbung des PGA Champions Phil Mickelson und seine Protektion für den form- und erfolglosen Rickie Fowler können einigermaßen mithalten. Die Klicks-Zähler der PGA Tour dürften alle Hände voll zu tun haben, die ebenfalls im Hinterzimmer Strichlisten für das mit 40 Millionen Dollar dotierte Player Impact Program (PIP) führen.
Allerdings überschritt Koepka am vergangenen Freitag eine Grenze, als er Freibier für jeden DeChambeau-Disser auslobte, der beim Memorial Tournament wegen „Brooksie“-Geblökes vom Platz fliegen würde. Das hatte was von Hetze, und damit hört der Spaß eindeutig auf. Hoffentlich muss man Koepka nicht irgendwann an Goethes „Zauberlehrling“ erinnern: „„Die ich rief, die Geister,/Werd ich nun nicht los.“
Ach, nein, sorry: DeChambeau ist ja der Intellektuelle in dieser Konstellation; sein Widersacher hingegen dürfte sich um die Weisheiten eines deutschen Dichterfürsten wenig scheren. Womit wir vermutlich bei Pudels Kern wären, bei den Gründen, Ursachen und Anlässen der Animositäten.
Verkopftes Regime vs. „Gelegenheitsgolfer“
Beide sind Alphatiere und Narzissten, die unterschiedlicher gleichwohl nicht sein könnten und aus der Gegensätzlichkeit eine absurde Anziehungskraft, ja feindselige Fixiertheit aufeinander entwickeln. Hier der „Mad Scientist“ und das Regime seiner Verkopftheit, der dem golferischen Ziel alles unterordnet und sich sogar eine bizarre körperliche Transformation auferlegt hat, die ein bisschen an schräges Kintopp aus Hollywood erinnert.
Dort der „Gelegenheitsgolfer“ Koepka, dem das Spiel in erster Linie Job und ansonsten nicht so wichtig ist, der eigentlich bloß Majors spielen will und zählt, für den DeChambeau mit seiner langatmigen arithmetischen Herumpusselei auf dem Platz schlichtweg ein rotes Tuch ist.
Maskuline Muskelspiele zweier Alphatiere
Während ein Dustin Johnson sich einfach abwendet, wenn „BDC“ und Mickelson beispielsweise über den Einfluss der Corioliskraft auf Putts fachsimpeln („Jungs, wenn ich Euch noch länger zuhöre, kriege ich Kopfschmerzen“), legt Koepka seine Worte bekanntlich nie auf die Goldwaage und geisselte coram publico Dechambeaus Slow Play. Der wiederum empfindet seinen Opponenten wahrscheinlich eh als groben Klotz und fühlte sich umso empfindlicher getroffen.
Alles andere sind Auswüchse, maskuline Muskelspiele, für die der Volksmund einen Terminus hat, der mit „...längenvergleich“ endet: DeChambeaus Bauchmuskel-Bashing an Koepkas Adresse, das jener mit dem Hinweis aufs noch nicht vollständige „Sixpack“ klasse konterte; ebenso das jüngste Interview-Intermezzo.
Jetzt freilich ist das Ganze durch Koepkas „Rowdy-Rabatt“ in einer anderen, in einer ernsten Dimension angekommen und längst kein Spaß mehr. US-Medien fragen zurecht, ob es sich bei der Zackelei noch um ein „Geplänkel“ – womöglich sogar perfekt inszeniert und choreographiert, mithin gespielt – oder schon um ein „Fehlverhalten“ handelt, das negativ auf die PGA Tour abfärbt.
Nicklaus spricht von Mitschuld der Medien
Und der als Memorial-Gastgeber um eine Einschätzung gebetene Jack Nicklaus liegt definitiv daneben, wenn er glaubt, es sei ein mediengemachter Händel. Vielmehr glimmt der schon als „The Feud" (Die Fehde) etikettierte Konflikt durch die Eigendynamik des wuchernden Netzes, wo immer wieder konstruierte Clips oder Memes auftauchen, und nährt sich von der Mob-Mentalität des gemeinen US-Golffans.
Die Protagonisten selbst mögen bislang womöglich nur munter auf dieser „Rivalen-des Rasens“-Tastatur geklimpert haben – aktuell hat sich einer im Ton vergriffen. Wenngleich Koepka das nicht zugeben will: „Ich befürworte keineswegs respektloses oder unangemessenes Verhalten. Andererseits gehören engagierte Fans zum Sport, und ein paar Schreihälse sind halt immer dabei.“
„Fast schmeichelhaft für mich“
Der Gegenpart bleibt beim „pianissimo possibile“, bei den leisen Tönen, und sammelt damit eine Menge Sympathiepunkte. DeChambeau beteuert, dass ihn die „Brooksie“-Beleidigungen weder stören, noch aus der Ruhe bringen: „Ich habe überhaupt nichts gegen Brooks Koepka. Falls er so ein Spiel spielen will, dann ist das seine Sache. So handhabt er die Dinge nun mal. Und wenn meine Person ihn scheinbar derart umtreibt, dann ist das fast schmeichelhaft für mich.“
Er sagt zum „Brooksie“-Bier indes auch: „Ich denke, dass die PGA Tour hier gefordert ist und entscheiden muss, ob das noch dem Verhalten entspricht, das sie von ihren Spielern erwartet.“ Sein Manager soll bereits bei Commissioner Jay Monahan vorgefühlt haben.
Keine weitere Schwungtempo-Entwicklung
Der Titelverteidiger hat vor den Tagen von Torrey Pines sowieso ganz andere Probleme. Bei all seiner Länge ist DeChambeau inkonstant und unpräzise. 54,4 Prozent getroffene Fairways und 66,1 Prozent getroffene Grüns seit Jahresbeginn sprechen statistisch für sich; der geteilte 18. Platz (-1) bei der Generalprobe Memorial war ebenfalls nicht das Gelbe vom Ei.
Außerdem bekannte der 27-Jährige dieser Tage: „Ich habe in meiner körperlichen Entwicklung eine Grenze erreicht, die ich nicht überwinden kann. Ich bin so stark wie nie zuvor, kann das aber nicht in noch mehr Schwungtempo umsetzen – ein interessantes Phänomen.“ Rund 210 Meilen pro Stunde (338 km/h) scheinen die „Schallmauer“ zu sein.
Wichtige Punkte für die Popularitätsprämie
Wenigstens macht „BDC“ an anderer Stelle Fortschritte, und hier schließt sich der Kreis. „Wenn Koepka weiterhin so über mich redet, ist das großartig für mein Ranking in der ,PIP‘-Wertung“, schmunzelte DeChambeau beim Memorial. „Im Sinne des Player Impact Program kann man gar nicht oft genug im Gespräch sein.“