Wer oder was so alles mitspielt bei einem Ryder Cup: Die heimischen Fans als 13. Mann, ein allseits im Sport bekannter Umstand; der Head-Greenkeeper, weil er den Platz nach Maßgabe des gastgebenden Kapitäns manikürt – macht 14. Und dann ist da noch dieses ominöse Momentum, das schon am ersten Tag dieses 43. Ryder Cup Straits inflationär oft erwähnt wurde, bei dem aber nicht wirklich feststeht, auf wessen Seite es wann und wie lange steht.
Jener unmerkliche Augenblick, der beflügelt
Kümmern wir uns also, Achtung Kalauer, einen Moment um – das Momentum. In der Physik sagt Momentum etwas über die Antriebskraft oder das Drehmoment; Psychologen definieren damit die kleinste wahrnehmbare Zeiteinheit, für Menschen rund eine Achtzehntelsekunde. Im Sport ist Momentum jener oft unmerkliche Augenblick, wo man wieder an sich glaubt, ab dem alles auf einmal wie geschmiert läuft.
„Käufliches“ Phänomen
Vom Wortstamm her neutral, ist dieses Phänomen freilich alles andere als die Schweiz der Sport-Psychologie. Eher so was wie eine CD mit Steuersünder-Daten, also käuflich. Das Momentum lässt sich nämlich ködern. Es reagiert auf Hingabe, auf Leistung. Es gesellt sich gerne denen zu, die es durch Großtaten einladen: Mit einem Beinahe-As von Jon Rahm auf der Par-3-Zwölf beispielsweise. Oder per 290-Meter-Drive, wie ihn Tyrrell Hatton – wehe, wenn er losgelassen – gestern Nachmittag noch aufs 18. Fairway hämmerte.
Unsicherer Kantonist, der gern die Seite wechselt
Schade, das der Temperamentsbolzen heute Vormittag nicht direkt wieder raus darf. Denn manchmal verschenkt das Momentum seine Gunst sogar mit splendider Großzügigkeit und verteilt sie wie aus der Gießkanne aufs gesamte Team.
Das Momentum ist allerdings ein ziemlicher Opportunist, will gehegt und gepflegt werden, bevorzugt mit weiteren Erfolgen. Gleichwohl ist es wankelmütig und unbeständig, lässt sich ablenken und wechselt gern die Seite, wenn es woanders was besseres zu feiern gibt. Kurz: ein unsicherer Kantonist, um bei der eidgenössischen Metapher zu bleiben.
„Verweile doch! du bist so schön“
Gestern war das Momentum eindeutig bei den Amerikanern, die auch heute gewiss drauf setzen werden. Dennoch wird das launische, flatterhafte Ding erstmal unentschlossen über die Fairways von Whistling Straits flanieren, hier und da bei einer der Partie reinschauen, um sich bezirzen zu lassen. So wie gestern Morgen bei Rahm und Sergio Garcia und viel später mal kurz bei Tommy Fleetwood und Viktor Hovland.
Es darf gern länger bleiben, denn wie hieß es schon bei Goethe: „Verweile doch! du bist so schön.“ Mit ein bisschen Schmeichelei der europäischen Equipe, sprich feinem Spiel, klappt’s vielleicht. Und dann gilt auch hier: Ein Hoch auf das Momentum!
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