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Der Auftakt der Saudi-Liga: Warme Luft mit Pomp, Protest und Peinlichkeiten

13. Jun. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

So, das war also der erste Aufschlag der Saudi-Liga, die Spaltung der etablierten Golfwelt, der Wind aus der Wüste: Viel warme Luft mit Pomp, Getöse und Zeremoniell. Mit den typischen Londoner Cabs als Shuttles für die Spieler und uniformierten Posaunisten am ersten Abschlag, mit Team-Logos aus der Kindergarten-Malgruppe und einfältigen Mannschaftsnamen, mit englischen Rotrock-Gardisten in Bärenfellmützen als Wachposten und fetten Beats auf der Driving Range.

Aber auch mit stotternden Akteuren und vorgefertigten Worthülsen bei den Pressekonferenzen, Protesten von Gruppen wie „Extinction Rebellion“, peinlicher Selbstbeweihräucherung und harscher, teils handgreiflicher Gegenwehr bei unbequemen Fragen „unhöflicher“ Journalisten. Das Regime in Riad lässt grüßen.


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Vor allem indes mit mediokrer sportlicher Leistung. „Exhibition Matches“, Schau- oder Freundschaftsspiele, hat PGA-Tour-Commissioner Jay Monahan die LIV Golf Invitational Series genannt; natürlich spricht er derart über ein Konkurrenz-Konstrukt, das seinem Spielbetrieb den Kampf angesagt hat. Dennoch hat er recht.

Ebenso wie Rory McIlroy, der vor dem Finaltag der RBC Canadian Open prophezeit hatte: „Alles was hier während der finalen 18 Loch passiert, ist tausendmal unterhaltsamer, ist um Längen mehr Entertainment.“ Sprach’s und lieferte sich – von Massen enthusiastischer kanadischer Golffans begleitet – ein hinreißendes Duell mit Justin Thomas, das mit dem 21. Tour-Titel des Nordiren und einem süffisanten Seitenhieb auf LIV-Impresario Greg Norman endete: „21 Siege. Einer mehr als ein gewisser Jemand.“


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Im Centurion Golf Club hat der Südafrikaner Charl Schwartzel („Mich hat noch nie interessiert, wo im Golf das Geld herkommt“) am Samstag vier Millionen Dollar für den Individualsieg plus einen Anteil von 750.000 Dollar für den Gewinn der Teamwertung eingesackt – eine knappe Million mehr als er in den vergangenen vier Jahren insgesamt an Preisgeld verdient hat. Sein Landsmann Hennie du Plessis strich als Zweiter 2,875 Millionen ein – das Dreifache seiner gesamten Einnahmen in bislang sieben Profi-Jahren und ein Köder für andere abwanderungswillige Spieler ganz nach Normans Kalkül.


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LIV-Aushängeschild Dustin Johnson verdiente nach drei Runden als Achter 625.000 Dollar; in Kanada, auf seiner Ex-Tour, bei seinem Ex-Sponsor hätte er dafür lediglich 271.000 Dollar bekommen und noch einen weiteren Tag arbeiten müssen, wäre mit anstrengungslosen -1 fürs Turnier aber ohnehin bloß auf dem geteilten 46. Platz gelandet. Für Rang acht hätten es Neun oder Zehn unter Par sein müssen.

Und Andy Ogletree aus Little Rock/Mississippi schließlich, der 2020 Leading Amateur beim Masters war, schoss 24 über Par (!), wurde Letzter des 48er-Felds und für diese Leistung noch mit 120.000 Dollar belohnt. Wie gesagt: Ein Muster ohne Wert, eine Operettenliga. Hatte Greg Norman das gemeint, als er vor Tagen tönte: „Golf kriegt, was es verdient hat“?


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Andererseits soll man nicht nur meckern: Es gab auch Gutes. Die Verbindung von Golf und Pop-Kultur. Das Angebot und Rahmenprogramm für die Zuschauer. Nicht zuletzt die Behandlung der Caddies, die verwöhnt wurden wie sonst allenfalls die Spieler, samt Übernahme von Reise-und Quartierkosten. Ansätze sind da, die dem Golfsport und seiner Systematik ein wenig aus dem verstaubten Turnier-Einerlei helfen könnten. Wenngleich auch LIV in Sachen Format nicht sonderlich mehr eingefallen ist als Zählspiel, halt bloß über drei Runden und ohne Cut; ein ganzes Paralleluniversum entfernt von Normans originärer Idee einer globalen Tour mit weltumspannenden Events.

Fazit: Wie einige Medien schrieben, fand „keine Revolution, doch gewissermaßen eine Evolution“ statt. Was zu begrüßen wäre, wenn es da nicht jenen Hintergrund gäbe, der einen so sinistren Schatten wirft; jene Quelle all des Übels und der Schubkarren voller Schotter, mit denen die Golfszene zugeschüttet wird. Samt diesbezüglicher Missdeutungen, ja Euphemismen.

Politik, Sport und Sportswashing

Die Faktenlage ist nicht neu, verdient jedoch stete Wiederholung: LIV Golf wird vom saudi-arabischen Public Investment Fund (PIF) geschmiert; der finanzielle Arm der mörderischen Monarchie ist angeblich über 600 Milliarden Dollar schwer – nicht zuletzt dank der Profite, die der staatliche Öl-Konzern Aramco in Zeiten einer neuerlichen Krise auf den Märkten für fossile Brennstoffe verdient. Der PIF investiert in Unternehmen in der ganzen Welt, vom Fahrdienst Uber bis zur Investment-„Heuschrecke“ Blackstone, macht sich überdies mit seiner Kapitalmacht im Sport ebenso breit: siehe Newcastle United in der englischen Premier League oder McLaren in der Formel 1.

Gratulation zwischen guten Freunden: Dustin Johnson und Saudi-PIF-Boss Yasir Al-Rumayyan, der Kassenwart von LIV Golf. (Foto: Getty)

Begrüßung unter guten Freunden: Dustin Johnson und Saudi-PIF-Boss Yasir Al-Rumayyan, der Kassenwart von LIV Golf. (Foto: Getty)

Und niemand außer den Scheichs und ihren Schranzen widerspricht der Einschätzung, dass die Saudis sich damit Image, Bewunderung, Glanz und Gloria kaufen wollen, während sie daheim Leute exekutieren, Andersdenkende schikanieren, Menschenrechte mit Füßen treten, mit Patriarchat und Chauvinismus das gesellschaftliche Altertum zelebrieren und Missliebige durchaus schon mal ermorden lassen. Der entsprechende Terminus technicus lautet Sportswashing, da kann PIF-Boss Yasir Al-Rumayyan noch so sehr behaupten, er könne mit dem Begriff nichts anfangen, als er in London darauf angesprochen wurde.


„Jede Entscheidung im Leben, die man ausschließlich des Geldes wegen trifft, führt in der Regel nicht zum gewünschten Ziel. Das ist mir in meinem Leben schon ein paar Mal passiert.“

Rory McIlroy


Zugegeben, es erscheint ziemlich schwierig, das alles zu verurteilen, wenn selbst der vom Energie-Notstand getriebene US-Präsident Joe Biden dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman demnächst seine Aufwartung macht, dem Mann hinter all den Machenschaften. Trotzdem ist es wohlfeiler Whataboutism, zur Legitimation von LIV Golf auf das Fehlverhalten anderer Sportarten, auf die FIFA und ihre Fußball-WM in Katar oder auf das IOC und seine Willfährigkeit beispielsweise gegenüber Russland und China hinzuweisen.

In einem Golfmedium geht es nun mal um Golf; und es macht durchaus noch einen Unterschied, ob aus individuellen geschäftlichen oder marktstrategischen Interesssen ein Turnier auf womöglich dubiosem Boden inszeniert und akzeptiert wird – schon das fragwürdig genug –, oder ob sich ein Regime dank schier unerschöpflicher finanzieller Mittel und mithilfe eines fragwürdigen Famulus, der die schreckliche Menschenrechtsbilanz schlichtweg leugnet, gleich des gesamten (Profi-)Sports zu bemächtigen versucht.


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Gleichermaßen geht es um einen Haufen von Herren mit charakterlichen Haltungsschäden, die allesamt längst Millionäre sind und trotzdem Moneten über Moral stellen, sich in hochgradiger Geldgier für eine – zugegeben erkleckliche – Handvoll Dollar mehr zu Handlangern dieser beschämenden Burleske machen. Die sich wie Trophäen auf dem Podium von Pressekonferenzen ausstellen lassen, vorgefertigte Worthülsen von „Growing the Game“ oder „Ich bin kein Politiker“ runter beten, windelweich herum eiern, sich bei unangenehmen Fragen belämmert anschauen, abwimmeln.

Wenigstens die Hautevolee des Felds könnte klare Kante zeigen, wenn man doch so gern reklamiert, selbständiger, freie Unternehmer zu sein, nicht mehr ums wirtschaftliche Überleben und ein Auskommen für sich und ihre Familie nach dem Ende der sportlichen Laufbahn spielen muss. Die Formel-1-Stars Lewis Hamilton und Sebastian Vettel und selbst Fußballer kriegen das doch auch hin, die immerhin antreten müssen, wo’s ihren Brötchengebern oder Organisationen gefällt.


„LIV Golf gibt mir die Möglichkeit, mir und meiner Familie ein Leben lang finanzielle Sicherheit zu bieten.“

Branden Grace


Den Gipfel der Armseligkeit lieferte Graeme McDowell („Was wir hier machen, ist einfach nur Business“), als er von den Medien auf den Aspekt der Menschenrechte angesprochen wurde: „Diese Frage ist wirklich schwierig zu beantworten […] Wenn Saudi-Arabien den Golfsport als Mittel nutzen möchte, um seine Ziele zu erreichen, und über die Mittel verfügt, diesen Weg zu beschleunigen, dann sind wir stolz darauf, ihnen mit unseren Mitteln dabei zu helfen.“ Was für eine moralische Bankrotterklärung.

Da ist einem fast Taylor Gooch lieber, der in freimütiger Einfältigkeit bekannte: „Ich bin für all das nicht klug genug. Ich bin bloß ein Golfer, der einen Ball in ein kleines Loch schlagen will.“ Ja, das erklärt vieles.

Die Sache mit dem Monopol

Zum Schluss noch ein Wort zur PGA Tour, deren Weste keineswegs blütenrein ist – ohne Frage. Sie kann schwerfällig und selbstgefällig sein, agierte allzuoft absolutistisch, war rassistisch und ist bis heute misogyn. Kurz: Vieles am gerade jetzt gern betriebenen Tour-Bashing stimmt; das Hauptquartier in Ponte Vedra Beach ist ein Glashaus, in dem man bekanntlich nicht mit Steinen werfen sollte. Doch dort wurde ein florierendes, auf Mitgliedschaft und gemeinsamer Vermarktung basierendes Geschäftsmodell hoch gezogen, dessen insgesamt sechs Circuits tausenden Professionals Auftritts- und Einkommensmöglichkeiten bietet.


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Commissioner Jay Monahan und den Seinen nun vorzuwerfen, sie reklamierten ein Golf-Monopol für sich, ist schlicht Blödsinn. Natürlich passt es ihnen nicht in den Kram, wenn jemand versucht, gerade solche Mitglieder abzuwerben, die in besagtem Modell groß, berühmt und reich geworden sind; und wenn die Maßlosen unter den Mitgliedern dann bei der Konkurrenz spielen und mit dem auf der Tour erworbenen Renommee für diees Konkurrenz-Produkt werben.

Das ist wie im richtigen (Club-)Leben. Wer seinem Verein ans Bein pinkelt, muss gewärtig sein, wegen vereinsschädigenden Verhaltens rausgeschmissen zu werden. So einfach ist das – Gemeinnützigkeit, Steuerbefreitheit und sonstige Sonderklauseln hin oder her.


„Meine Aufgabe ist, unsere loyalen PGA-Tour-Mitglieder, unsere Partner und unsere Fans zu schützen und zu fördern. Den Vorwürfen gegen Saudi-Arabien muss ich mich nicht stellen, denn ich stehe nicht auf deren Gehaltsliste. Aber die Spieler, die deren Geld nehmen, sollten sich eine Frage stellen: Warum? Warum gibt diese Gruppe Milliarden von Dollar aus, um Spieler zu rekrutieren und einem Konzept nachzujagen, das keine Aussicht auf geschäftlichen Erfolg hat? Gleichzeitig gibt es ständig Kommentare zur Entwicklung des Spiels. Und ich frage: Wie kann das gut für Golf sein?

Und zur Frage, warum Golf uns [die PGA Tour] braucht? Besagte Spieler haben mehrjährige, lukrative Verträge unterschrieben, um in einer Reihe von Schau-Wettbewerben immer wieder gegen sich selbst anzutreten. Betrachten Sie das im Vergleich zu dem, was wir heute hier sehen: Bei der RBC Canadian Open haben wir einen echten, sauberen Wettbewerb zwischen den besten Spielern der Welt – und Millionen von Fans schauen zu. Im Golf ist es der Wettbewerb, der Profile prägt. Deswegen sind die besten Spieler der Welt hier präsent: Sie brauchen den Wettbewerb, und dafür brauchen sie uns, denn wir bieten genau das. Und wir werden keine Trittbrettfahrer auf Kosten unserer treuen Mitglieder akzeptieren.“

PGA-Tour-Commissioner Jay Monahan


Jeder darf spielen, wo er will. Jeder darf arbeiten, wo er will. Aber diese Freiheit ist keine Einbahnstraße, führt nicht bloß in eine Richtung. Da muss man sich auf Gegenverkehr gefasst machen. Jeder Verein, jeder Arbeitgeber hat darf nämlich gleichermaßen antworten: Wenn es dir woanders besser gefällt oder besser taugt – ok. Aber dann bist du hier bei uns raus! Ganz simpel: Gleiches Recht für alle.

„Ohne kitschig klingen zu wollen: Es macht mich innerlich ziemlich glücklich, das hier zu sehen“, sagte Justin Thomas am Freitag oder Samstag während der RBC Canadian Open. „Ich möchte nirgendwo anders sein als hier […] Die PGA Tour ist der beste Platz auf der Welt, um Golf zu spielen, und ich habe großes Vertrauen in unseren weiteren Weg.“ Derweil verhallten auf der LIV-Party-Meile im Centurion Golf Club vermutlich die letzten Töne vom Hit „Prize Tag“der Pop-Musikerin Jesse J.: „It's not about the money, money, money …“

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