In unserer Serie "Die European Tour mit Florian Fritsch" stellen wir mit Hilfe des ehemaligen Challenge- und European-Tour-Profis Florian Fritsch die Funktions- und Arbeitsweisen der European Tour dar. Das Gespräch mit dem Insider offenbart spannende Details und interessante Anekdoten.
Wie funktioniert die Organisation "European Tour"
Für die Struktur der European Tour sind sowohl das Geschäftsmodell als auch die Organisationsform ausschlaggebend. Zwar wird viel und gerne über die Tour geschrieben, aber welche Art der Gesellschaft und welche Art der Finanzierung ihr zugrunde liegen, bleibt oftmals unbeschrieben. Dabei gewinnen beide Themen insbesondere vor dem aktuellen Hintergrund der finanziellen Probleme an Bedeutung.
Die Pandemie mache die unermüdlichen Anstrengungen der vergangenen fünf Jahre zunichte, erklärte Keith Pelley, CEO der European Tour, bereits im Mai 2020. Die Tour wandele am Abgrund.
Die Gesellschaftsform der European Tour ist schnell erklärt, wird aber durch die aktuellen Finanzprobleme für ihre Mitglieder interessant. Denn organisatorisch ist die European Tour als „company limited by guarantee“, d.h. ohne Stammkapital gebildet worden. Dieser Gesellschaftstyp wird in Großbritannien oft bei nicht gewinnorientierten Unternehmen gewählt, bei Genossenschaften, Wohltätigkeitsorganisationen oder Sportverbänden. Deren Mitglieder halten keine Anteile, sondern geben eine Garantie, im Falle der Insolvenz der Gesellschaft bis zu einem bestimmten Betrag zu haften. Damit ähnelt die European Tour einem gemeinnützigen Verein wie dem Deutschen Golf Verband und der Gesellschaftsform der PGA of America.
Organisiert wie der DGV
Die Finanzen waren jedoch bereits vor der Corona-Pandemie rückläufig. Das Betriebskapital schrumpfte von rund 17 Millionen Euro im Jahr 2015 auf 485.000 Euro 2018. Umgekehrt stiegen die Schulden von rund acht Millionen Euro 2015 auf rund 10,5 Millionen Euro im Jahr 2017.
So wird hinter mehr oder weniger vorgehaltener Hand seit Jahren über eine mögliche Übernahme durch die PGA Tour gesprochen. Diese „Gerüchte“ gibt es seitdem 2015 Keith Palley die Geschicke der European Tour leitet. Mit ihm haben sich die Kontakte zur PGA Tour erheblich verbessert. Er versteht sich insgesamt als Neuerer und zudem gut mit dem Chef der PGA Tour, Jay Monahan.
Unter Pelleys Federführung wurden 2017 bis 2018 nicht nur die Räumlichkeiten des Stammsitzes im Wentworth Golf Club in Virginia Waters für rund 14 Millionen Euro renoviert. Auch die Marke an sich erhielt 2019 einen neuen Anstrich. Design und Struktur der Markenpräsentation sollten ihre Attraktivität erhöhen und einen ambitionierten Neustart unter dem Motto „Driving Golf Further“ markieren.
Ryder Cup plus X
Dieser Neustart bedeutete indes nicht, dass der Finanzierungsplan geändert wurde. Dieser kann weitgehend als Monokultur bezeichnet werden, denn das Geschäftsmodell fußt auf den Ryder-Cup-Millionen. Dies ist die Haupteinnahmequelle der European Tour. „Andere Einnahmen generiert die Tour unter anderem durch die Q-School“, erklärt Florian Fritsch. Tatsächlich zahlen die rund 1.000 Spieler der Q-School alljährlich ca. 2.000 Euro für die Teilnahme. „Da die Golfclubs der einzelnen Stages in der Regel die Durchführung der Turniere stemmen und Kost und Logis der European-Tour-Mitarbeiter übernehmen, fallen für die Tour keine großen Kosten an“, so Fritsch. Dies bedeutet, dass die Q-School jedes Jahr rund zwei Millionen Euro in die Kassen der European Tour spült.
Darüber hinaus zahlen die Q-School-Clubs eine Lizenzgebühr für die Austragung und Vermarktung. „Dasselbe gilt für die Veranstalter der Challenge Tour“, erklärt Fritsch. „Sie zahlen in der Regel zehn Prozent des Preisgeldes als Lizenzgebühr für die Austragung.“ Bei einem Gesamtpreisgeld (Purse) von fünf Millionen Euro sind dies 500.000 Euro.
Clubs zahlen Lizenzgebühr für Austragung
„Zu den Kosten für Organisation und Durchführung von Turnieren habe ich von einigen Veranstaltern folgende Faustregel gehört", berichtet Fritsch: "Die Kosten für ein Challenge-Tour-Event lassen sich auf das Preisgeld mal zwei taxieren, die Kosten für ein European Tour Turnier auf das Preisgeld mal drei.“. Bei einem Preisgeld von 200.000 Euro auf der Challenge Tour, würde das Turnier mit 400.000 Euro zu Buche schlagen. Ein European Tour Event mit zwei Millionen Euro Preisgeld, würde demnach sechs Millionen kosten.
So hoch die Zahlen auch erscheinen, sie fangen die enormen Ausgaben der European Tour kaum ab und befreien nicht von der Abhängigkeit von den Ryder-Cup-Millionen. Im Grunde macht man drei Jahre lang Verlust, um im vierten Jahr großen Gewinn zu machen. Die Verteilung der Einnahmen steht im Verhältnis von 20:80 zugunsten des Gastgebers. Die kolportieren Summen sind hoch. Der Reingewinn von Paris 2018 soll bei über 22 Millionen Euro gelegen haben. Aber auch das Risiko ist nicht klein. Dies zeigt sich 2020 durch die Corona-Pandemie. Der Ryder Cup in den USA wird von 2020 auf 2021 verschoben, so dass er in Europa, im umstrittenen Marco Simone Golf and Country Club bei Rom frühestens 2023 stattfinden kann. Für die ohnehin angeschlagene European Tour ein weiterer Tiefschlag, denn die Tour hatte die Einnahmen der Turniere 2020 und 2022 bereits in ihre Finanzplanung aufgenommen.
Im Juli 2020 wurden die ersten Folgen deutlich, als ein internes Memo des CEOs der European Tour, Keith Pelley, öffentlich wurde. Darin erklärte er, dass mindestens 65 Mitarbeiter, der 265-köpfigen Belegschaft gekündigt werden müssten. Die Büros in Hong Kong und Frankreich werden geschlossen und der Standort Dubai verkleinert.
Ausfall des Ryder Cups versichert?
Aber es hätte schlimmer kommen können. Wie Golf Digest berichtet, soll die Tour alle Kostenpositionen, die im Vorfeld des Ryder Cups 2020 entstanden sind, versichert haben.
Dennoch ist ein „Downsizing“ spürbar. Die Austrian Open taxierte das Preisgeld auf 500.000 Euro und Rolex Events werden mit 5 Millionen und nicht mehr sieben Millionen Euro dotiert. Aber auch an anderer Stelle wird gespart. Spieler-Lounges und Courtesy Cars wird es weniger geben.