Rory McIlroy hat dieser Tage anlässlich der Alfred Dunhill Links Championship sinngemäß gesagt, der Old Course in St. Andrews spiele in seinem Golferleben eine Rolle, die weit über die 150. Open Championship und den just im Juli an Cameron Smith verlorenen Claret Jug hinaus reiche. Und er betonte die Bedeutung der Impulse für den Golfsport in aller Welt, die bis heute von dem historischen Geläuf an der Nordsee ausgegangen seien. Sprach’s und donnerte später während seiner Einspielrunde auf der 18 einen Drive bis aufs Grün, um den Ball dann per Ein-Putt zum Eagle zu lochen.
„Dunhill“ und Sanderson Farms als aktuelle Stichworte
Etliche tausend Kilometer weiter südwestlich, in Jackson im US-Bundesstaat Missouri rüstet sich derweil Titelverteidiger Sam Burns für die Sanderson Farms Championship. Der 26-Jährige aus Louisiana ist gerade als frisch gekürter Presidents-Cup-Triumphator aus Quail Hollow angereist und will jede Chance nutzen, um Punkte zum Sprung ins US-Ryder-Cup-Team für Rom 2023 zu sammeln. Rund um das sportliche Geschehen im Country Club of Jackson haben die Verantwortlichen freilich gerade ganz andere Sorgen.
Damit sind diesen Zeilen beim Thema angekommen. Denn sowohl der Pro-Am-Klassiker der DP World Tour im magischen Dreieck von Old Course, Carnoustie und Kingsbarns als auch das zweite Turnier der neuen Spielzeit auf der PGA Tour taugen perfekt als Stichworte für Probleme, denen der Golfsport derzeit bereits ausgesetzt ist oder sein wird und in deren Schlaglicht der Krieg der Touren zwischen LIV Golf und dem Establishment tatsächlich wie kleinliches Gezänk verwöhnter Kinder um die Deutungshoheit über ihr Spielzeug wirkt.
Die Anzeichen der drohenden Apokalypse
Es geht, wie die Überschrift insinuiert, um die Erderwärmung und den Klimawandel, um ihre Auswirkungen auf das Spiel. Um Extrem-Wettereignisse und deren Auswirkungen. Um steigende Meeresspiegel und sinkende Trinkwasser-Reservoirs. Um Hitze und Dürre, Überflutungen und Erosion. Um nachhaltigen Umgang mit Ressourcen, Einsparungen und Beschränkungen. Ja, angesichts der dramatischen globalen Entwicklung und der allerorten immer häufiger auftretenden Katastrophen mögen ausgetrocknete braune Fairway ein absolutes Luxusproblem sein.
Aber Golf, das während der Corona-Pandemie noch mal in besonderem Maße zur Insel der Seligen avancierte, findet nun mal in der Natur statt. Und deswegen müssen sich alle Beteiligten – Verbände, Institutionen, Clubs, Anlagen, Aktive, Fans – darauf einstellen, dass das Spiel von der drohenden ökologischen Apokalypse voll erwischt wird. Die Anzeichen jedenfalls häufen sich.
150.000 Menschen ohne Trinkwasser-Versorgung
Um zum aktuellen Beispiel zurück zu kehren: In Missouri fiel im August derart viel Regen, dass die Sintflut nicht nur Bäche anschwellen ließen, die dann den Turnierplatz überschwemmten, sondern auch den Pearl River über die Ufer treten ließ. Dessen schlammige Fluten brachten die größte Trinkwasser-Aufbereitungsanlage der Stadt Jackson endgültig außer Gefecht, nachdem diese wegen Überlastungsschäden durch vorherige Unwetter bereits mit Reservepumpen arbeitete. 150.000 Jacksonians waren schlagartig ohne Trinkwasser und sind es noch auf Wochen; auch für andere Zwecke war und ist das Nass aus dem Hahn kaum zu nutzen.
US-Präsident Biden rief den Notstand aus, um Bundeshilfen gewähren zu können, die Einwohner wurden von der Nationalgarde mit Trinkwasser aus Plastikflaschen (!) versorgt. Übrigens: Starkregen beginnt laut Definition des Deutschen Wetterdienst bei Niederschlägen von 15 bis 25 Litern pro Quadratmeter in einer Stunde, in Missouri waren es im Schnitt rund 30 Liter.
Turnierzuschauer verschärfen Problem der Wasserknappheit
Die Turnierverantwortlichen der Sanderson Farms Championship und das Bodenpersonal des Clubs haben die Anlage pünktlich zum Turnier wieder flott gemacht, und der Club versorgt sich ohnehin autark aus dem Grundwasser. Doch die erwarteten 30.000 Zuschauer, die großteils als Tages- oder Wochentouristen anreisen, sorgen für zusätzliche Wasserengpässe in Hotels und Restaurants. Das Turnier ausfallen zu lassen, war freilich keine Alternative: Es bringt Geld in die Stadt, für 2021 beispielsweise wurde die wirtschaftliche Bedeutung auf 15,7 Millionen Dollar beziffert. Man kann die Verästelungen der Auswirkungen des Klimawandels gar nicht weit genug denken.
Per Ruderboot zur Swilcan Bridge?
Noch ganz anderes Ungemach droht St. Andrews und Carnoustie, der Open Championship oder der „Dunhill“. In kaum mehr als 25 Jahren könnten etliche der berühmten Plätze an der schottischen Küste gar nicht mehr da sein. Schlichtweg, weil sie dauerhaft unter Wasser stehen. Und Rory McIlroy müsste bei der Open 2050 womöglich ein Ruderboot nehmen, um den Fuß auf die Swilcan Bridge zu setzen, während unter ihm die Nordsee gegen den steinernen Bogen schwappt. Klingt lustig, ist es indes mitnichten.
Die Gefahr für die Linkskurse in aller Welt durch den steigenden Meeresspiegel, Stürme, Springfluten und Erosion wurde an dieser Stelle schon mehrfach thematisiert, siehe auch das fragile Erlebnis Montrose 1662. Das jüngste Menetekel stammt aus dem vergangenen Jahr, als die Organisation „Climate Central“ in einer Studie prognostizierte, dass weite Teile der schottischen Küste alsbald überflutet werden könnten. Im Risikobereich liegen auch die Links von St. Andrews und Carnoustie oder etwa Royal Troon an der Westküste.
Horrorszenario des Untergangs visualisiert
„Climate Central“ – unter diesem Dach beschäftigen sich renommierte Wissenschaftler und Journalisten mit den Konsequenzen des Klimawandels für die Gesellschaft – hat zur Veranschaulichung eine interaktive Karte erstellt, „die als Screening verstanden werden soll, um die Aufmerksamkeit auf besonders gefährdete Bereich zu richten“, heißt es auf der Internetseite. Hier geht’s zur Karte – aber beim Spielen und Simulieren nicht erschrecken!
Wem das Dargestellte noch nicht augenfällig genug ist, dem sei der Blick auf die folgende Visualisierung des möglichen Horrorszenarios empfohlen. Die schottische Zeitung „The Courier“ mit Sitz in Dundee, gut 20 Kilometer nördlich von St. Andrews, hat den Klimawandel-Worst-Case für den Old Course jüngst mal illustriert:
Der dazugehörige Artikel liegt zwar hinter einer Bezahlschranke, aber ein Bild sagt eh bekanntlich mehr als tausend Worte.
„Nachhaltigkeit als Chance für Stabilität“
Der R&A jedenfalls ist längst mehr als aufgeschreckt. Im Januar 2020 schon stellten die Granden von St. Andrews 650.000 Pfund (757.500 Euro) für diverse Projekte zur Verfügung, um Golfplätze vor den Auswirkungen des Klimawandels zu schützen. „Die extremeren Bedingungen und zunehmend unvorhersehbaren Wettermuster haben erhebliche Auswirkungen auf die Art und Weise, wie Golfplätze bewirtschaftet werden müssen“, sagt der zuständige R&A-Direktor Steve Isaac. „Ein nachhaltiger Ansatz für das Platzmanagement bietet die beste Chance auf Stabilität in unvorhersehbaren Zeiten.“ Die Golf-Post-Serie „Golf im Klimawandel“ ist exakt diesem Thema gewidmet.