Schafe, oder: „Ovis“, wie Wissenschaftler und Lateiner sie nennen – ohne die wolligen Wiederkäuer wäre Golf in seiner heutigen Form vermutlich gar nicht entstanden. Immerhin hat ja laut Legende ein gelangweilter schottischer Schäfer das Spiel beim Hüten seiner Herde erfunden, als er mit dem gekrümmten Ende des Hirtenstabs Kieselsteine in Kaninchenlöcher schlug.
Wahrscheinlicher ist allerdings, dass das „Spel metten Kolven“ durch den Wollhandel mit den Niederlanden nach Schottland kam. Selbst an der Entstehung der Bunker sollen die Schafe schuld sein, weil sie im Schatten der Dünen Schutz vor dem Wind suchten, und die entsprechenden Stellen so allmählich versandeten. Frühe „Rasenmäher“ des spröden Grases auf den öden und für sonstige Landwirtschaft untauglichen Links vor den Küstenstädten waren sie sowieso.
Heidschnucken, Bentheimer, Coburger Fuchsschafe
Wobei: Was heißt frühe? Allenthalben finden sich heute auf den Linkskursen der britischen Inseln nach wie vor Schafe aller Schattierungen – im Wappen und leibhaftig. Auch hierzulande haben sich Golfplätze zu idealen Refugien alter, bedrohter Hausschaf-Rassen gemausert. Und auf den Green Eagle Golf Courses in Winsen/Luhe bei Hamburg unterstützen die Vierbeiner gar das Greenkeeping-Team.
500 Schützlinge der Schäferei Wümmeniederung von Nicole und Holger Benning aus der Lüneburger Heide bevölkern als Teil der „Green Eagle Nature“-Philosophie die Randbereiche von Porsche Nord Course und Süd Course; Heidschnucken, Bentheimer Land- oder Coburger Fuchsschafe halten das Rough niedrig und tragen so auf natürlich Art zur Landschaftspflege bei.
Schafe fressen, was Greenkeeper hassen
Selbst auf den Spielflächen sind die „Kollegen“ einsetzbar. „Sie machen nichts kaputt, fressen Bunkerränder sauber oder Unkrautpflanzen schon in frühem Stadium aus dem Semirough“, verdeutlicht Green-Eagle-Patron Michael Blesch. Zumal die natürlichen Futtervorlieben einem Golfplatzbetreiber sehr entgegen kommen.
„Die Schafe mögen Klee, Löwenzahn und Gänseblümchen besonders. Ich hingegen überhaupt nicht“, schmunzelt Blesch, der für die Pflegequalität seiner beiden Plätze bekannt ist und dessen Nord Course sich trotz des diesjährigen Ausfalls der Porsche European Open in turnierreifer Makellosigkeit präsentiert.
Platzreifekurs für die Hirten
So könnten die beiden Herden mit 100 (Porsche Nord Course) bzw. 400 Exemplaren (Süd Course) sogar über Fairways und selbst Grüns ziehen. Zum Beispiel morgens früh auf den hinteren und spätnachmittags auf den vorderen Bahnen. Was den Golfgräsern übrigens ein besonderes „Treatment“ angedeihen lässt. Mit ihren scharfen Hufklauen kappen die Schafe nämlich die Rhizome, die knapp unter oder dicht über dem Boden horizontal sprießenden Sprossen der Graswurzeln; aus den abgetrennten Knospen wachsen wieder neue Halme. Das passt perfekt zum Konzept von Nachhaltigkeit und Ökologie: Mehr Bio-Rasenpflege geht nicht.
Um den „Herden-Trieb“ mit dem Spielbetrieb zu koordinieren und Wissen um die Abläufe auf einer Golfanlage zu vermitteln, soll‘s demnächst für den Schäfer oder die Schäferin überdies einen Platzreifekurs geben. Generell aber sind die Randbereiche der Tummelplatz fürs sorglose Schafsleben. Dafür braucht es dann lediglich eine mobile Umzäunung. Und die Kangals.
Kangals als Herdenschutzhunde
Einen besseren Herdenschutzhund – nicht verwechseln mit dem Hütehund – gibt es kaum. Die Vertreter dieser türkischen Rasse werden bis zu 60 Kilogramm schwer, haben eine Widerristhöhe von bis zu 78 Zentimetern und sind außerordentlich muskulös. Da überlegt es sich jeder Wolf sehr genau, den Schafen zu nahe zu kommen.
„Während die Hütehunde quasi Platzanweiser sind, kann man die Kangals getrost als Bodyguards bezeichnen“, hat Schäfer Holger Benning mal erklärt. Bis zu sechs Kangals bewachen die Schafe auf den Green Eagle Golf Courses – mit dem netten Nebeneffekt, „dass wir seit zwei Jahren auch keine Schäden durch Wildschweine mehr haben, weil die einen sehr großen Bogen um die Hunde machen“, sagt Michael Blesch.
Perfekt gegen Beutegreifer ausgebildet
Angesichts des streng musternden Blicks der freundlich schweifwedelnden Kangals und trotz des Wissens um ihre perfekte Ausbildung sowie die ausschließliche Fokussierung auf Angriffe von Beutegreifern bleibt man als Golfer ebenfalls gern auf der anderen Seite des Weidezaun und lässt verirrte Bälle besser liegen. „Die Hunde freuen sich über das Spielzeug“, lacht Blesch. Was dann draus wird, beschreibt ein Foto besser als tausend Worte: