Der Sportkamerad schien etwas in die Jahre gekommen, buchstäblich betagt angesichts einer flatterhaften Spaßgesellschaft 4.0, die im Überangebot von Thrills, Kicks und Entertainment mäandert und allenfalls sesshaft ist, wenn sie auf die Bildschirme ihrer digitalen Endgeräte starrt. Die Rede ist vom Verein, vom Mitgliedsclub, einst Heimstatt sowie soziale Klammer des allgemeinen Sportbetriebs, in der modernen Freizeitkultur freilich schon zum Auslaufmodell degradiert, gar tot geschrieben.
Denn sie wollen bloß spielen
Im „Sportentwicklungsbericht 2015/2016“ bereits hat der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) generell eine klar rückläufige Teilnahme an geselligen Veranstaltungen in Sportvereinen konstatiert. Laut DOSB begründet sich das mit abnehmender sozialer Bindung an den Verein und der zunehmend knapperen Freizeit. Selbst beim großen Spiel mit dem kleinen Ball bröckelte die hierzulande ein Jahrhundert lang bestehende Symbiose von Golfgemeinschaft und Vereinsstatuten.
Immer weniger Golfinteressierte suchten die Bindung; immer mehr widerstanden dem Buhlen der Clubs um Mitglieder sowie bequem kalkulierbare Pauschalbeiträge und wanderten lieber ins längst millionenstarke Heer der Golf-Nomaden ab – eine unschöne Vokabel für Vereinsfreie, die von Platz zu Platz ziehen, auf der Suche nach den grandiosen Grüns dieser Welt. Denn sie wollen bloß spielen.
Dann kam Corona.
Golfferne Menschen entdeckten die Plätze
Und das Virus belebt offenbar die zuvor etwas abgeflaute Liebe zum (organisierten) Golfsport sowie zum eigenen Club wieder. So schräg das klingt, so einfach ist die Erklärung: Erstens boomen generell alle Freiluftsportarten, weil Bewegung in frischer Luft das Immunsystem stärkt, Distanz mühelos und der Zugang zu gewohnten Indoor-Aktivitäten erschwert oder gar nicht möglich ist – was halt auch eine Menge bislang golfferne Menschen auf die Plätze lockte und die Belegzahlen von Schnupper- und Platzreifekursen explodieren ließ.
Harte Zeiten für Greenfee-Spieler
Zweitens ist ein Hort Gleichgesinnter das ideale Refugium in Zeiten, wo Kontakte nur bedingt statthaft sind. Drittens, jedoch nicht zuletzt: Mit Ende des Shutdown stürmten die wochenlang „eingesperrten“ Golfer förmlich ihre Heimatplätze, spielten in reduzierten Flightstärken was das Zeug hielt, begünstigt durch krisenbedingte Zeitgewinne. Dazu gesellte sich ein enormes Aufkommen im Pay&Play-Segment, weil viele Aktive den Ausfall der üblichen Auslandsdestinationen mit Trips durch hiesige Gefilde zu kompensieren suchten.
Kurz: Landauf landab kamen die Anlagen beim Notieren der gespielten Runden kaum mit. Und für Greenfee-Spieler aller Couleur war die verkürzte Saison ziemlich hart.
Gastspieler vielfach nicht zugelassen
Das hält bis heute an. Zwar darf im derzeitigen „Lockdown light“ immerhin weiter Golf gespielt werden, aber mit Einschränkungen. Der Tageslicht-Korridor ist eh geschrumpft, mithin die verfügbaren Abschlagszeiten. „Bei uns steht momentan das Telefon nicht still“, sagt Alexandra Schöning, Marketing-Chefin der Green Eagle Golf Courses in Winsen/Luhe. „Grundsätzlich kann man sicher sagen, dass sich die Runden der Mitglieder gegenüber dem Vorjahr um 50 Prozent und mehr erhöht haben.“
Überdies verbuchte sie ebenfalls volle Schnupper- und Platzreifekurse sowie ein zweistelliges Prozent-Plus bei den Greenfees, ist aber nicht sicher, „ob letzteres an Corona oder am gestiegenen Bekanntheitsgrad des Porsche Nord Course liegt“. Derzeit kann sie indes nur den Süd Course anbieten, denn der Nord Course, in „normalen“ Jahren Schauplatz der Porsche European Open auf der European Tour, darf über Winter regenerieren – und Patron Michael Blesch gibt sich ohnehin wieder seiner Passion für Überarbeitungen hin.
Upgrade der Mitgliedschaften
Bei Green Eagle sind daher im November keine Gastspieler zugelassen, das gilt gleichsam für zahlreiche andere Anlagen in Deutschland. Im Golfclub Velbert Gut Kuhlendahl hat Geschäftsführer Michael Ogger („Es war noch nie soviel los wie dieses Jahr“) außerdem die Tee Times auf 9-Loch-Runden verkürzt, „damit alle Mitglieder eine Chance auf eine Startzeit haben“.
Da verwundert es nicht, dass selbst der smarteste, eigentlich mit dem organisierten Spielbetrieb nur durch das Nötigste verbandelte Golfer die Heimatanlage wieder zu schätzen lernt und über ein Upgrade seiner Mitgliedschaft nachdenkt. Während die zuvor erwähnten Golf-„Rookies“ demnächst in der 2020er-Bilanz des Deutschen Golf Verbands für satte Zuwächse wider den Trend der Vorjahre sorgen dürften und hoffentlich nicht bloß ein Zwischenhoch bleiben, sind die Verschiebungen innerhalb der individuellen Mitgliederstrukturen übergreifend schwierig zu bilanzieren.
Renaissance des „Rundum-glücklich-Pakets“
Trotzdem sind die Signale unübersehbar. Während jahrelang versucht wurde, den sich verändernden Lebenswelten mit immer neuen Varianten und Angeboten zu folgen, mit 9-Loch-, After-Work-, Sunset-, Wochentags- oder Was-immer-für-Mitgliedschaften, feiert seit dem Restart im Mai das „All-Inclusive-Paket“ fröhliche Urständ. Was nicht nur mit der Verknappung und einer Erfolgsperspektive im Rennen um die begehrten Tee Times zu hat. Ein Insider: „Jeder hatte im Hinterkopf: Es könnte noch mal ein Schließung passieren. Also spiele ich so oft und so viel es irgend geht.“
So registriert beispielsweise Thomas Mönch, Prokurist und Golfmanager im Spa & GolfResort Weimarer Land, einen deutlichen Schwenk hin zur komfortablen Resort-Mitgliedschaft, die beide 18-Loch-Kurse beinhaltet. Für den Kölner Golf Club berichtete CRM-Manager Sven Gerbig schon vor Wochen von zahlreichen Anfragen, aus eingeschränkten Nutzungsmodellen in die Vollmitgliedschaft zu wechseln.
Die Golfer haben ihren Club wieder „voll“ lieb
Im Golf- und Country Club Seddiner See AG mit seinen zwei Plätzen hingegen hat die reine Nordkurs-Mitgliedschaft laut Vorstand Horst Schubert schon von jeher keine große Rolle gespielt. In Green Eagle galt getreu der Devise „365 Tage Golf“ gleichermaßen stets das Komplettpaket. Dort allerdings werden für 2021 eine Berufseinsteiger- und eine Süd-Course-Mitgliedschaft offeriert, um einerseits Golfer zu halten, die Studium oder sonstige Ausbildung beendet haben, andererseits denen ein attraktives Angebot zu machen, die trotz des sportiven Konzepts der Anlage nicht mehr ganz so sportlich ambitioniert unterwegs sind.
So unterschiedlich kann‘s sein, denn „all business is local“. Dennoch: Die Golfer haben ihre Clubs in diesen Zeiten wieder „voll“ lieb.