Drives wie von einem anderen Stern
Mit 230 Km/h (144 mph) saust der Schlägerkopf auf den Ball zu, trifft die Kugel explosionsartig und schickt sie mit 360 Km/h (222 mph) auf die Reise - kein Science-Fiction, sondern die nackte Wahrheit. Wie schaffen es die Spezialisten der Long-Drive-Szene auf solche Werte? Was machen sie anders als beispielsweise die PGA-Tour-Profis? Und muss man dafür ein muskelbepackter Koloss sein? Der Golf Channel hat den Wissenschaftler Dr. Greg Rose besucht, der seine Arbeit den Antworten auf diese Fragen widmet.
Technik dahinter: Teilimpulse optimal verbinden
Vorab: Man brauch kein Arnold Schwarzenegger in seinen besten Zeiten sein, auch kein Riese, um den Ball so fulminant auf die Reise zu schicken. Jamie Sadlowski etwa, zweimaliger World-Long-Drive-Champion, kam bei der World Long Drive Championship 2015 wieder ins Halbfinale und war Zeit seiner Karriere nie außerhalb der Top-5 der Welt - der Kanadier ist 1,80 Meter groß und 77 Kilogramm schwer. Eine gewisse Athletik, um die immensen Kräfte zu handhaben, kann allerdings nicht schaden.
Im Grunde dreht sich nach den Erkenntnissen von Dr. Rose alles um die enstehenden Rotationskräfte. Es beginnt im unteren Teil des Körpers, in den Beinen und der Hüfte. Die Besten der Welt entwickeln bereits hier Rotationsgeschwindigkeiten, die höher liegen als bei Amateuren und PGA-Pros. Die Energie dieser Drehung wird in den Oberkörper übertragen, der weitere Rotationskraft aufbaut und in die Arme transferiert.
Die Arme eines PGA-Tour-Spielers rotieren etwa mit 900-950 Grad pro Sekunde, die Arme der Long Driver bis zu 1300 Grad pro Sekunde - die Spezialisten übertragen also etwa 50 Prozent mehr Energie von ihrem Körper auf die Arme, die sich im weiteren Verlauf am Golfball entlädt. Das extrem angewinkelte Handgelenk und der weite Rückschwung, der sich teilweise buchstäblich um den Hals "wickelt", erweitern zusätzlich den Beschleunigungsweg - die Spieler haben also mehr Zeit, eine maximale Schlägerkopfgeschwindigkeit zu erreichen.
Für Amateure geht es um die Balance
Es geht also darum, die Rotationsbewegungen der Körperteile bestmöglich aufeinander abzustimmen, um am Ende dieser sogenannten kinematischen Kette eine maximale, aufaddierte Kraft zu erlangen, die sich auf den Ball überträgt. Was den Long Hittern aber weitestgehend egal ist, ist die Präzision. Wo normale Golfer beispielsweise im Unterkörper auf Stabilität aus sind, um Konstanz zu erzeugen, bewegen sich die Füße der Long Hitter "überall hin", wie Dr. Rose sagt. Für sie ist das nicht wichtig, denn es kommt wirklich nur auf die Länge an - der Amateur sollte aber eine gesunde Balance zwischen erzeugter Energie und konstanten Treffmomenten, also Präzision, finden.