Der Coup hat historische Dimensionen. Nicht allein, dass mit der US Women’s Open 2022 erstmals ein Damen-Major in zweistelliger Millionenhöhe dotiert ist: Die Erhöhung von 5,5 auf 10 Millionen Dollar Preisgeld durch den Sponsor und Presenter ProMedica bedeutet überdies eine Art Tabubruch. Erstmals in der nunmehr 127-jährigen Geschichte des amerikanischen Golf-Verbands USGA wird der Titel eines seiner insgesamt 15 Championate von einem Wirtschaftspartner begleitet; für vorerst zehn Jahre heißt es fürderhin US Women’s Open presented by ProMedica. Dafür gibt’s ab 2026 sogar noch zwei weitere Millionen in den Prämientopf. Nach heutiger Lesart ist damit die Lücke zu den Männern fast geschlossen, unter denen im kommenden Juni im The Country Club in Brookline/Massachusetts 12,5 Millionen verteilt werden.
Das wird nicht so bleiben, aber aufsehenerregend ist es allemal. Endlich schlägt sich auch im Cashflow nieder, was unter Golffreunden ohne Scheuklappen und Spektakelsucht ohnehin Konsens ist: Proetten und Amateurinnen stehen ihren männlichen Pendants in nichts nach. Ein Anfang fürs Schließen der Gender Pay Gap im professionellen Golfsport ist endlich gemacht.
Mike Whan: Makler des Machbaren
Und dieser Coup hat auch einen Namen: Er trägt den von Mike Whan. Der neue Kapitän auf der USGA-Brücke hat seine erste bedeutsame Duftmarke gesetzt. Er hat bestätigt, dass er genau das ist, was ihm bei Amtsübernahme attestiert wurde: nämlich keiner, der unter den Blazern des Verbands-Establishments ausgebrütet und auf den Korridoren des USGA-Hauptquartiers in Liberty Corner/New Jersey geschlüpft ist; kein Funktionär. Schon als LPGA-Commissioner hat Whan den Damen-Circuit zu neuen Höhen geführt, jetzt legt er als USGA-CEO spektakulär nach. Er ist – wie seine Kollegen Jay Monahan bei der PGA Tour und Keith Pelley an der Spitze der European Tour Group – ein Makler des Machbaren.
„New Deal“ mit Megathema Gesundheit
Dass die Kommerzialisierung des Major-Titels ausgerechnet mit einer gemeinnützigen Organisation umgesetzt wird, die in den Gemeinden von 28 Bundesstaaten Gesundheitsfürsorge anbietet, ist ein bemerkenswerter Begleitumstand. Da wird kein profitorientiertes, am Shareholder Value orientiertes Unternehmen installiert; und sowieso passt nichts partnerschaftlich besser zum Golfbusiness als das Megathema Gesundheit. Wahlweise noch Ökologie, klar.
Jedenfalls hat Whan – wahrscheinlich sogar bewusst – viel Fingerspitzengefühl bewiesen, als er ausgerechnet diesen „New Deal“ einfädelte. ProMedica wird überdies generell offizieller Gesundheitspartner des Verbands. Im Zuge der Zusammenarbeit sollen gesundheitliche Missstände in den USA adressiert und die Botschaft transportiert werden, dass Golf ein wichtiger Faktor für einen gesunden Lebensstil sein kann.
Pebble Beach, Riviera, Oakmont, Merion
Die Preisgeld-Spritze – der Siegerin winken übrigens heuer 1,8 Millionen Dollar – überlagert freilich einen Aspekt, der für die Emanzipation des Damengolf kaum minder bedeutsam ist. Denn mit der Auswahl von berühmten, renommierten Namen als künftige Austragungsorte erhöhen Whan und die USGA signifikant den Aufmerksamkeitswert ihres Damen-Majors und rücken es deutlich weiter in den Fokus der (golf-)öffentlichen Wahrnehmung.
Ohne der Qualität und den Gastgeber-Genen von Anlagen wie dem Champions Golf Club in Houston (2020) oder dem CordeValle Golf Club (2016) in San Martin/Kalifornien nahe treten zu wollen: Pebble Beach (2023), Riviera (2026), Oakmont (2028), Oakland Hills (2031) oder Merion (2034) lesen sich einfach besser. Mit solchen Schauplätzen wird fortgesetzt, was in der Historie der US Women’s Open allenfalls sporadisch stattfand, sich aber vergangenes Jahr mit dem Olympic Club in San Francisco bereits angekündigt hat: Die Damen „erobern“ Locations, wo ihnen die Herren in punkto Reputation und Rampenlicht bereits die Bühne bereitet haben. Das Prestige der Kurse erhöht den Wert des Wettbewerbs. Soll recht sein.
Doppel-Major in Pinehurst 2029
2029 wiederholt sich überdies ein Experiment, das bereits 2014 von großem Erfolg gekrönt war. Die Damen messen sich wieder mit dem ikonischen Kurs No. 2 des Pinehurst Resort, dem Meisterwerk von Donald Ross in North Carolina. Und zwar unmittelbar nach den Herren. 2014 tat es Michelle Wie bei der Weltpremiere eines „Back-to-Back-Major“ in der Folgewoche dem Deutschen Martin Kaymer nach.
„Diese Form der Ansetzung und Austragung beider Meisterschaften ist ein starkes Statement des Golfsports“, sagte Whans Vorgänger Mike Davis damals. „Dieser neue Meilenstein ist erst der Anfang“, sagt Mike Whan heute: „Wir werden weiterhin mit Höchsttempo daran arbeiten, das Spiel zu entwickeln und Jahr für Jahr seine Bedeutung für alle jungen Frauen weltweit zu steigern.“ Der Mann ist glaubwürdig.