Die Driving Range des Emirates Golf Club irgendwann am Dienstag: Patrick Reed schlendert zu der Stelle, wo sich Rory McIlroy und sein Caddie Harry Diamond mit ihren Siebensachen platziert haben. Was der Amerikaner vom nordirischen Duo will, bleibt anfangs unklar. Videoaufnahmen zeigen, dass McIlroy sich abwendet, in seiner Tasche wühlt und kaum bis gar nicht reagiert. Reed schüttelt dem Looper die Hand wendet sich dann ab, kramt dabei ein Tee aus der Hosentasche und wirft es schließlich in Richtung Bag.
Apparent footage of the Rory Reed tee 'throwing' incident. Thoughts? pic.twitter.com/r35kjE6hO8
— Golf Tips Checker (@GolfTipsChecker) January 25, 2023
Bämm! Hashtag Aufschrei! So ein Tee wiegt keine 100 Gramm, doch in Dubai bebte der Boden. Reeds Reaktion war alles andere als eine gezielte Attacke und nicht mal ein wirklicher Wurf, dennoch ist der Vorgang ein gefundenes Fressen für die Medienmeute, wird von Aufregungsgier und Sensationslust zum „Tee-Gate“ hoch gejazzt: LIV Golf gegen Establishment. Und das in Bestbesetzung: Reed feuert auf McIlroy.
Hier der tourtreue „Rors“, Symbolfigur des Systems und Wortführer des Widerstands gegen den von Saudi-Arabien finanzierten Konkurrenz-Circuit. Dort der einstige „Captain America“, mit seinem Ruf des Unsympathen, Halunken und Schummlers ein perfekter Antagonist, der seit dem Abgang zur LIV-Liga jeden wegen Rufmords verklagt, der jemals ein Wort über ihn verloren hat. Sogar die einstigen Ryder-Cup-Animositen und Reeds „Shush“-Geste kramen manche hervor.
„Ein Sturm im Wasserglas“
Viel Lärm um nichts, wird McIlroy später abwiegeln, ein Sturm im Wasserglas. Er habe das gar nicht mitbekommen, sei mit seinen Vorbereitungen beschäftigt gewesen. Der Weltranglisten-Erste sagt allerdings gleichermaßen: „Ich sah keine Notwendigkeit, ihn zur Kenntnis zu nehmen. Er hat mir am Weihnachtsabend mitten hinein in meinen familiären Frieden über seinen Anwalt eine gerichtliche Vorladung zustellen lassen. Da kann er kaum erwarten, dass ich ihn freundlich begrüße.“ Und: „Wenn’s umgekehrt gewesen wäre, hätte er mich vermutlich direkt verklagt.“
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Homa und Morikawa haben Spaß
Reed wiederum bezeichnete ihn darob als „unreifes Kleinkind“. Er habe lediglich „Happy New Year“ wünschen wollen. Ausgerechnet dem systemischen Intimfeind. Dem der ignorierte Provokateur dann prompt ein Tee mit dem Aufdruck seines LIV-Teams „4 Aces“ vor die Füße schmeißt. Als Trotzreaktion. So viel zum Thema Kleinkind. In La Jolla bei der Farmers Insurance Open amüsieren sich jedenfalls Max Homa und Collin Morikawa prächtig:
Was so close to throwing a tee at you but you’re too nice
— Collin Morikawa (@collin_morikawa) January 26, 2023
Und dabei wollte McIlroy doch bei der Hero Dubai Desert Classic bloß in aller Ruhe das neue Golfjahr in Angriff nehmen, die er bereits zwei Mal gewonnen hat. Nach einem 2022, das den 33-Jährigen auf den Plätze und abseits der Fairways gefordert hat wie kaum ein Jahr zuvor. Der Nordire ist in Sachen Moral vs. Mammon omnipräsent, seitdem er sich erstmals gegen das Saudi International ausgesprochen hat, „weil mir nicht gefällt, wo das Geld herkommt“.
Verbales Engagement gegen LIV Golf
Er prangert die monetäre Wühltisch-Attitüde an, mit der das Regime in Riad sich des professionellen Golfsports zu bemächtigen versucht. Er lag nicht immer richtig, als er die LIV-Liga vor Jahresfrist angesichts der wenig nachhaltigen Treueschwüre von Wackelkandidaten wie Dustin Johnson und Bryson DeChambeau für erledigt erklärte („Dead in the water“). Dafür macht er die Fehleinschätzung anschließend mit noch mehr verbalem Engagement wett, keilte mehrfach gegen Greg Norman aus, den Kapellmeister des Konkurrenz-Circuits, und verwahrte sich gegen Überläufer wie Sergio Garcia in Europas Ryder Cup-Equipe: „Leute, die ihre Herkunft derart verraten, haben keinen Platz in unserem Team.“
„Er hat endlich Leute gefunden, die ihm den Rachefeldzug gegen die PGA Tour finanzieren […] Greg muss gehen, er muss die Bühne durch den Hintereingang verlassen. Es braucht auf deren Seite einen Erwachsenen im Raum, sonst kann es keine Gespräche geben, um die Wogen zu glätten.“
Rory McIlroy über LIV-Impresario Greg Norman
Obwohl er mit manchem Ausrutscher eher noch Öl ins Feuer goß, fand der vierfache Majorsieger meist Maß und Mitte. Beispielsweise als er konstatierte, dass es eher nicht die tatsächliche Schlag-Fertigkeit abbilde, wenn ein Dustin Johnson in der Weltrangliste irgendwo um Platz 100 kreise, andererseits die Verhältnisse beim Buhlen um die Aufnahme ins Punktesystem des OWGR klarstellte: „Ich habe überhaupt kein Problem damit, dass sie Weltranglistenpunkte bekommen. Indes, es gibt halt Kriterien, und die müssen sie erstmal erfüllen, statt sich ihre eigenen Regeln machen zu wollen.“
„Der beste Gesprächspartner im Golfsport“
Für die Golfmedien und die golfaffinen britischen Tageszeitungen war und ist so einer pures Gold. „Rory McIlroy erinnert uns einmal mehr daran, warum er der beste Gesprächspartner im Golfsport ist“ titelte „Golfweek“ vergangenen Oktober nach einem McIlroy-Interview im britischen Blatt „The Guardian“. Darin adressierte der Star aus Holywood – Nordirland, nicht Kalifornien – unter anderem die vielfach verbreiteten und nachgeplapperten Vorwürfe, bei den LIV-Überläufern werde mit zweierlei Maß gemessen, schließlich habe er ja selbst seiner sportlichen Heimat den Rücken gekehrt und sei wegen des Gelds auf die PGA Tour gewechselt.
„Ja,“ wird McIlroy zitiert, „ich habe in Europa angefangen und bin dann nach Amerika gegangen. Aber ich habe das traditionelle System immer unterstützt. Wenn sich die Leute über bestimmte Zustände so sehr ärgern, würde ich lieber versuchen, diese Änderungen innerhalb des Systems vorzunehmen, als nach draußen zu gehen und zu einfach nur stören.“
Kongenialer Partner Tiger Woods
So, wie er es tat. McIlroy machte die mannigfache, durchaus berechtigte Kritik an den monopolistischen Strukturen des Tourbetriebs zu „Ein(em) Fall für Zwei“ und fand dabei in Tiger Woods einen kongenialen Partner, der seinen Einfluss und seine Strahlkraft wirkmächtig in die Waagschale warf. Als „Shadow Commissioner“ (Woods) und erster Paladin der PGA Tour (McIlroy) vereinte das Duo die tourtreuen Top-Spieler, schwor sie auf ein gemeinsames Handeln ein, drückten dem nominellen Commissioner Jay Monahan in Ponte Vedra Beach die Riege der Elite-Spieler sowie die Designated Events auf und leierten ihm gleichzeitig noch mehr Millionen aus den Rippen. Im Gegenzug versüßten sie die bittere Pille mit ihrer prospektiven Unternehmung TMRW Sports und deren Ableger Tomorrow Golf League, die ab 2024 auch für die PGA Tour zum einträglichen (Neben-)Erwerbszweig zu werden verspricht.
Beinahe-Seligsprechung durch die Lichtgestalt
„Was Rory [in diesem Jahr] gesagt und getan hat, zeugt von echter Führungsstärke. So handeln nur wahre Leader“, urteilte Woods bei seiner außergewöhnlichen Pressekonferenz als Gastgeber der Hero World Challenge, die einer Bergpredigt gleichkam und McIlroy der Seligsalbung nahe brachte. Also sprach die Lichtgestalt des Golfsports: „Jeder in unserem Kreis respektiert ihn. Nicht nur wegen seiner Ballbehandlung und seiner Spielweise. Er vermittelt Dinge in aller Öffentlichkeit klar und wortgewandt und gewinnt gleichzeitig Golfturniere. Die Leute draußen haben keine Ahnung, wie schwierig es ist, beides voneinander trennen zu können.“
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Stimmt. Gesiegt hat Tour-Testimonial McIlroy überdies. Vier Mal auf der PGA Tour, mit der Tour Championship als Höhepunkt, was ihm den dritten Gesamterfolg im FedEx-Cup einbrachte. Im Oktober verteidigte er seinen Titel beim CJ Cup und sitzt seither auf dem OWGR-Platz an der Sonne, im November zog er mit dem Race to Dubai den Schlussstrich unter ein famoses Jahr.
„Ich habe vergangenes Jahr viel gesagt und wollte, dass meine Taten mit meinen Worten übereinstimmen. Es ist nicht glaubwürdig, ein Sprachrohr zu sein, wenn man das nicht durch gutes Golf untermauert.“
Rory McIlroy über sein Jahr 2022
Nach dem von allerlei Kritik begleiteten Verzicht aufs Tournament of Champions beginnt McIlroys Golf-2023 wie gehabt in der Wüste. Was wird ihm das Jahr bringen? Dank „Tee-Gate“ direkt zu Beginn viel Aufmerksamkeit fernab des sportlichen Geschehens. Das kommt wegen der Regenpause überdies nur schleppend in Gang – und holprig: McIlroy schaffte gerade sechs Bahnen und lag Eins über Par, verbesserte sich dann später auf -2 nach 15 Löchern, bevor der Spieltag wegen Dunkelheit abgebrochen wurde. Erst mal muss er sich in den nächsten Tagen und Wochen des Anspruchs von Jon Rahm auf den Lorbeer des Branchenprimus erwehren. Am Ende steht auf jeden Fall der Ryder Cup in Rom, es gilt die Schmach von Whistling Straits wett zu machen.
Jenes spezielle Major …
Und dann ist da noch jenes spezielle Major, dessen Gewinn McIlroy trotz aller fast verzweifelten Anstrengungen bislang verwehrt blieb: das Masters im Augusta National Golf Club. Ein Green Jacket hätte „Rors“ zu gern im Schrank. Es wäre nicht nur der Karriere-Grand-Slam, sondern fraglos der Höhepunkt seiner Laufbahn. Gut stehen würde es ihm allemal:
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