Welcome back, Team USA, zu diesem 44. Ryder Cup: Nach einem lethargischen Freitag, der womöglich fehlender Wettkampfpraxis in weiten Teilen des Ensembles oder/und einem grassierenden Virus geschuldet gewesen sein mag, sind die Titelverteidiger gestern endlich aufgewacht – vor allem am Nachmittag, als sie ihre traditionelle Fourball-Stärke demonstrierten und mit dem „Minimalziel“ von 3:1-Punkten womöglich einen Wechsel des Momentums verbuchten. Jedenfalls nährt das 10,5:5,5 vor den heutigen Einzeln die Hoffnung der Amerikaner, den kleinen goldenen Henkelmann trotz der unterirdischen Auftaktleistung doch noch wieder mit nach Hause nehmen zu dürfen. Dafür müssen sie zwar mindestens acht der zwölf Duelle gewinnen und eines teilen, aber die Europäer sind gewarnt: Sie haben 2012 selbst ein unaufholbar erscheinendes Acht-Punkte-Defizit noch ins „Miracle of Medinah“ gedreht.
Zu den Aktivposten auf US-Seite gehören vor allem die Rookies mit ihrer Debütmotivation. Allen voran der mitreißende Max Homa, der mit seinem Partner Brian Harman zur „Doppel-Helix“ avancierte, den amtierenden Champion Golfer of the Year über weite Strecken durch die Alternate-Shot- und Bestball-Partien trug und gestern Vormittag gegen Shane Lowry/Sepp Straka den ersten vollen Zähler für die US-Equipe eingeheimst hatte.
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Auch Sam Burns, dieses Jahr Gewinner des einzigen Matchplay-Turniers auf der PGA Tour, schien gestern Nachmittag die Last Scottie Scheffler von der Seele und von den Schultern gerutscht zu sein. Der 27-Jährige blühte an der Seite von Collin Morikawa regelrecht auf, entwickelte sich zum Emotional Leader und vermittelte im Duo mit dem zweifachen Majorsieger endlich die bislang bei den Amerikanern vermisste Kameradschaft und den Korpsgeist, den die Europäer von jeher demonstrieren und zu einer ihrer Stärken gemacht haben.
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Tja, und dann ist da noch Patrick Cantlay, der mit seinem etatmäßigen Partner Xander Schauffele bislang unbesiegt war. Das „diabolische Duo“ kam freilich in Rom zweimal unter die Räder, und auch im Duett mit Collin Morikawa konnte Cantlay wenig ausrichten. Seine Stunde schlug dann im Fourball mit Wyndham Clark. Und er löste zudem in anderer Hinsicht jede Menge Aufregung aus, von der im Folgenden erzählt werden soll.
Wie auch immer: Die Europäer hatten alldem gestern Nachmittag wenig entgegenzusetzen – abgesehen vom Dauerbrenner Justin Rose, der mit Bob MacIntyre den einzigen Punkt rettete. Ansonsten war auch bei Blau eher Feuer neben dem Platz, das ausgerechnet Rory McIlroy nach Ende des Spieltags noch mal nährte. Aber erst mal zu Cantlays Kappe …
Aufregung um eine zu enge Kappe
Viel Lärm um nichts! Diese Geschichte ist schnell erzählt: Journalist Jamie Weir von Sky Sports brachte gestern das Gerücht in Umlauf, Patrick Cantlay trage keine US-Schirmmütze, um auf diese Weise dagegen zu protestieren, dass die amerikanischen Spieler entgegen entsprechender Forderungen für Ryder-Cup-Einsätze nicht bezahlt werden – ein Dauerthema, das seit langem im Hintergrund rumort. Cantlays diesbezüglicher Frust sorge laut der Meldung für soviel Unfrieden und Unruhe im US-Team, dass er und sein etatmäßiger Viererpartner Xander Schauffele im amerikanischen Teamraum sogar einen separate Nische belegen würden.
Understand from several sources that the US team room is fractured, a split led predominantly by Patrick Cantlay.
Cantlay believes players should be paid to participate in the Ryder Cup, and is demonstrating his frustration at not being paid by refusing to wear a team cap.— Jamie Weir (@jamiecweir) September 30, 2023
Das schnell zum „Hat-Gate“ stilisierte Gerücht verbreitete sich wie ein Lauffeuer, wurde allerorten ungeprüft übernommen und munter ausgeschlachtet, obwohl eher besonnenere Gemüter es als Posse ins Reich der Fabel verwiesen.
Regarding Cantlay—source close to him says reports of any sort of “fracture” are unfounded. U.S. team are united. Getting butt kicked, but united. Cantlay and Schauffele are in same locker room as everyone else. He also didn’t wear hat at Whistling Straits. Took pictures at Gala…
— Dan Rapaport (@Daniel_Rapaport) September 30, 2023
Am Ende erklärte Cantlay die Sache mit dem schlichten Hinweis, dass sein Kopf zu groß sei und ihm die US-Kappe einfach nicht passe: „Das war schon in Whistling Straits und beim Presidents Cup so und sollte eigentlich jedem bekannt sein.“ Xander Schauffeles Vater Stefan wiederum ulkte, es müsse wohl mit Cantlays bevorstehender Hochzeit zu tun haben, der einfach nicht mit einem weißen Streifen auf der Stirn vor dem Traualtar stehen wolle.
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Derweil hatte „Hat-Gate“ längst die europäischen Fans erreicht, die daraus flugs einen Vorteil schlugen und Cantlay/Clark nachmittags mit dem einfallsreichen Spottgesang „Hats off for your bank account“ begleiteten. Womit die Story dann bei Rory McIlroy angelangt ist …
“Hats off for your bank account” is the chant to Patrick Cantlay on the 16th. What a scene. #RyderCup pic.twitter.com/TzeSPXdSAu
— Stuart Fraser (@stu_fraser) September 30, 2023
McIlroy legt sich mit Caddy-Ikone LaCava an
Nordirischer Wutnickel: Als Patrick Cantlay dann schlussendlich auf der 18 den dritten langen Putt in Serie stopfte und damit den Sieg über das europäische Duo Rory McIlroy und Matt Fitzpatrick sicherte, konnten es sich alle rund ums Grün versammelten Amerikaner nicht verkneifen, ihrerseits die Mützen zu ziehen, eine Menge Theater zu veranstalten und spöttisch in Richtung Galerie zu winken.
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Leider übersahen sie dabei, dass McIlroy noch putten musste und eine theoretische Chance auf den Ausgleich hatte, sich durch die ganze Unruhe indes enorm in seiner Konzentration und ausgerechnet von Cantlays Caddie Joe LaCava durch die Mützen-Wedelei beim Lesen der Puttlinie gestört fühlte. Das erinnerte fatal an 1999, als die US-Riege beim „Battle of Brookline“ nach dem verwandelten Monsterputt von Justin Leonard aufs Grün stürmte, dort Freudentänze veranstaltete und José María Olazábal die Puttlinie zertrampelte. Ziemlich folgerichtig platzte McIlroy schon auf dem Grün der Kragen: „Das darf nicht passieren. Das darf verdammt nochmal nicht passieren. Das ist eine verdammte Schande“, fluchte der Nordire. Seine verbale Attacke richtete sich vor allem an die von Tiger Woods an Cantlay ausgeliehene Bag-Man-Legende.
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Und schließlich gab’s am späten Abend auf dem Parkplatz noch eine Zugabe: McIlroy giftete den Looper erneut hitzig an, als LaCava mit Justin Thomas' Caddie Jim „Bones“ Mackay das Clubhaus verließ, musste in seinem Furor gar von Shane Lowry zurückgehalten und von Ehefrau Erica Stoll besänftigt werden. Sonst wäre er LaCava wohl an den Kragen gegangen. Belassen wir es bei der Vermutung, dass „Rors“ bewusst so agiert hat, um für heute noch ein bisschen Dampf auf den europäischen Kessel zu bringen. Andererseits könnte dieser Tag und besonders sein Ausgang das US-Team endlich zu einer Einheit verschweißt haben.
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Die verdiente komische Note
Schlusspunkt: Um dem ganzen Ballyhoo die komische Note zu geben, die es letztlich verdient, hier ein Fundstück aus Facebook, das wir dem User Baden Aldridge-Wells zu verdanken haben:
Reverenz an Seve Ballesteros
Überfigur: Seve Ballesteros ist beim europäischen Ryder-Cup-Team allgegenwärtig. Das war in der Vergangenheit so, das ist auch in Rom so – kein Teamraum ohne Hommage an den 2011 verstorbenen Spanier; viele gewonnene Matches, nach denen die Gewinner erklären, vom Spirit des fünffachen Majorsiegers beflügelt worden zu seien. Und eine ganz besondere Reverenz wurde Ballesteros gestern auf der Tribüne am ersten Abschlag von den Fans gewidmet: Es war ein Gänsehaut-Moment, den sein Sohn Javier am ersten Abschlag zwischen Europa-Teamchef Luke Donald und Vize-Kapitän José María Olazábal miterlebte – aber sehen Sie selbst:
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HovBerg: Mit Pizza und Massage fit für die Einzel
Aufbauprogramm: Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt – die „Scandic Sensation HovBerg“, bestehend aus dem Norweger Viktor Hovland und dem SchwedenLudvig Åberg, erlebte gestern ein sportliches Wechselbad. Morgens demütigten der FedEx-Cup-Champion und der Ryder-Cup-Rookie ihre Gegner Scottie Scheffler/Brooks Koepka förmlich mit dem Rekordsieg von 9&7, und bei den beiden handelte es sich immerhin um den aktuellen Weltranglisten-Ersten sowie einen fünffachen Majorsieger. Beim Bestball am Nachmittag dann wurden die Überflieger dann von Sam Burns und Collin Morikawa mit einem klaren und nie gefährdeten 4&3 jäh auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Abends freilich, so scheint es, war die Welt wieder halbwegs in Ordnung, vor allem bei Dauerlächler Hovland. Eine ordentliche Pizza und eine Massage als Wohltat für die nunmehr schon über zweimal 36 Loch pro Tag strapazierten Beine wirken hoffentlich Wunder und machen Hovland und Åberg fit für die heutigen Duelle mit Morikawa bzw. Koepka.
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Die Leiden des Scottie S.
Abgrund der Gefühle: Scottie Scheffler war so zuversichtlich. Mit dem englischen Coach und Putting-Spezialisten Phil Kenyon wollte der Weltranglisten-Erste endlich den Bruch in seinem Spiel kitten – die miserablen Vorstellungen mit dem Putter, die in so eklatantem Widerspruch zu den sonstigen Skills des Texaners stehen, mit den er in allen „Shots Gained“-Statistiken ganz vorn dabei ist. Kenyon habe sich gewundert, „wie ich mit der Putterei überhaupt irgendein Turnier gewinnen konnte“, erzählte Scheffler feixend bei seiner Pressekonferenz. Und er vermeldete auch deutliche Fortschritte.
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In den Matches konnte der 27-Jährige das freilich nur sehr bedingt umsetzen, verlor am Freitag den Foursome mit Sam Burns, ergatterte nachmittags einen halben Vierball-Punkt mit Brooks Koepka und erlebte gestern Morgen erneut mit Koepka das 9&7-Waterloo gegen „HovBerg“, worauf er in ein tiefes Tal der Tränen stürzte.
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Und heute soll nun dieser in seinen Grundfesten erschütterte Scottie Scheffler ausgerechnet gegen Europas „Rahmbo“ Jon Rahm die Aufholjagd der Amerikaner eröffnen. Die Entscheidung von US-Kapitän Zach Johnson ist allenfalls damit zu erklären, dass er seinen nominellen Nummer-1-Spieler mit diesem Vertrauensbeweis aufbauen will, statt ihn durch eine Verbannung ins hintere Feld der Sonntags-Formation noch weiter zu derangieren.
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Johnson, Spieth und der Schlägerwechsel
Einflussnahme: Kam das schon mal vor? Ein Ryder-Cup-Teamchef entert die Teebox und redet auf einen seiner Spieler ein, um diesen zu einem Schlägerwechsel zu bewegen. So geschehen gestern Nachmittag auf dem 16. Abschlag, als Jordan Spieth im Match mit Kumpel Justin Thomas gegen Justin Rose und Bob MacIntyre für das erreichbare Par-4-Loch den Driver zücken wollte. Auf Johnsons Intervention hin tauschte der dreifache Majorsieger, dessen schwache Form sich in Rom fortsetzt, den „Fat Stick“ gegen das Holz 3 – und ließ den Schlag prompt zu kurz und setzte den Ball ins Wasser. Da hat Johnson einmal mehr wenig Fingerspitzengefühl bewiesen und Spieth eher noch mehr irritiert als dass er ihm geholfen hat.
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Die Bühne für den Showdown ist gerichtet
Zum Schluss: … und damit ist alles gesagt zum Finaltag dieser 44. Ryder Cup Matches mit den zwölf Einzeln, der ein echteri Showdown zu werden verspricht. Die Bühne ist gerichtet, mögen die Spiele beginnen:
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