Schließlich ging’s dann doch schneller als erwartet: Bis zum Ende des Jahres wollten die Europäer ihren nächsten Ryder-Cup-Kapitän benennen – nun ist nicht mal Dezember, und es steht fest, dass Luke Donald einfach weiter macht. Der Engländer bleibt Teamchef und kriegt jetzt eine komplette Amtszeit, nachdem er 2022 für den geschassten Henrik Stenson eingesprungen war. Besser gesagt, er nimmt sie sich. Denn das Angebot lag auf dem Tisch, seit ihn die Spieler per Akklamation auch für 2025 auf den Schild gehoben hatten, kaum dass beim 43. Kontinentalwettbewerb der letzte Putt gefallen war.
Setzt Donald seine Ryder-Cup-Reputation aufs Spiel?
„Two more years“, skandierten Rory McIlroy und Co. vor zwei Monaten im Rausch von Rom. „Jeder, der hier sitzt, wäre froh, ihn wieder zu haben“, wiederholte „Rors“ hernach bei der Pressekonferenz. Und Donald ist dem Ruf gefolgt. „Ich wollte die Jungs nicht enttäuschen, die mich doch förmlich gefordert haben“, erklärte er gestern. „Tatsächlich jedoch haben wir uns in der Familie erst vor wenigen Wochen zusammengesetzt und das Thema erörtert.“
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Also, mach’s noch einmal, Luke! Die golfhistorischen Aspekte sind hinreichend dargelegt worden – vierter Mehrfachkapitän und so. Aber was treibt den 45-Jährigen, die Binse in den Wind zu schlagen, nach der man aufhören soll, wenn es am schönsten ist? Pflichtgefühl, Hybris, der Reiz des eigentlich Unmöglichen? Als Spieler wie als Vizekapitän war Donald seit 2004 stets auf der Sonnenseite, krönte die Erfolgsbilanz mit der Stabführung und dem 16,5:11,5 im Marco Simone Golf & Country Club und wird seither als einer der besten Kapitäne gefeiert – einen Lorbeer, den in der Neuzeit bislang Paul McGinley trug, der Sieger von Gleneagles 2014. Jetzt setzt er diese Reputation aufs Spiel, wenn er Europas Riege in zwei Jahren in die Höhle des amerikanischen Löwen führt, um die Neuauflage von Tony Jacklins Doppelerfolg der Jahre 1985 und 1987 anzupeilen.
Ausgerechnet auf dem Biest von Bethpage
Das ausgerechnet auf dem Biest von Bethpage. „Der schwarze Kurs ist ein äußerst schwieriger Platz“, warnt ein Schild am Eingang; die Amerikaner dominierten alle drei bisher auf dem öffentlichen Parcours gespielten Majors; als Vierter der „People’s Open“ 2002 war Sergio Garcia mal am nächsten dran. Dort zu verlieren, wäre keine Schande. So gesehen kann Donald nur gewinnen. Dennoch wäre es ein Klecks auf Donalds makelloser Ryder-Cup-Weste.
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Ihn reizt die „großartige Gelegenheit“. Als Aktiver war er an den beiden einzigen Auswärtserfolgen in diesem Jahrtausend beteiligt, gab 2004 in Oakland Hills sein Debüt unter Bernhard Langer und leitete 2012 mit dem 2&1 im Einzel über Bubba Watson das „Miracle of Medinah“ ein. Der Gedanke, nun auch als Teamchef jenseits des großen Teichs zu bestehen und als zweiter europäischer Skipper zwei Mal hintereinander zu gewinnen, sei „sehr verlockend“, gibt Donald zu. „Ich habe jetzt einige Möglichkeiten, meine eigene Geschichte als Kapitän zu schreiben. Aber dafür müssen noch viele Puzzleteile zusammengefügt werden. Doch ich liebe genau solche Herausforderungen, derartiges hat mich immer motiviert, es hatte bei meiner Entscheidung großen Anteil.“
„Wir wissen, dass sie laut sein werden“
Und Hand aufs Herz, wenn man das Wagnis schon eingeht, ist Bethpage Black die ideale Bühne. Erst recht, weil die US-Fans vor den Toren des „Big Apple“ New York bekanntermaßen noch etwas lauter, etwas ungebärdiger sind als ohnehin. Es ist halt eine öffentliche Wiese, mithin „ihr“ Platz. Für Europas Ensemble könnte das Gastspiel demnach durchaus zur Horrorshow werden. „Wir wissen, dass sie ungestüm sind, wir wissen, dass sie laut sein werden, und jetzt habe ich 22 Monate Zeit, um mir Pläne zu überlegen, wie wir dem begegnen können“, sagt Donald dazu.
„Wir haben [für den Ryder Cup in Rom] eine großartige Kultur und Stimmung im Team geschaffen, und meine Priorität wird sein, das in Bethpage fortzusetzen. Auswärtsspiele bringen andere Herausforderungen mit sich und erfordern andere Ansätze. Man muss sich mit den Zuschauern auseinandersetzen und mit der Art, wie die Amerikaner den Platz herrichten.
Wir werden einige Dinge nicht so unter Kontrolle haben können wie in Marco Simone. Es muss also eine andere Herangehensweise geben, logisch. Während es vor Rom nur 14 Monate waren, habe ich nun 22 Monate Zeit, um mein Arbeitspensum zu verteilen, mir über all diese Dinge klar zu werden und einen Weg zu finden, der uns die Chance eröffnet, auswärts zu gewinnen.“
Luke Donald
Parforceritt der besonderen Art
Die Herausforderungen sind noch mal ganz andere – nicht nur, weil er diesmal keinen Einfluss aufs Set-up des Platzes haben wird. Mit einer Kopie des Konzepts für Rom ist es folglich kaum getan. Donald weiß: „Wir werden uns einige neue Dinge überlegen müssen.“ Dafür wird er vermutlich wieder auf Mastermind Eduoardo Molinari als Vize bauen und hat bereits laut über eine Berufung von Justin Rose in den Kreis der Assistenten nachgedacht.
Dieses zweite Dirigat des Luke Donald dürfte ein Parforceritt der besonderen Art werden. Doch wenn der einstige Weltranglistenerste das gleichermaßen hinkriegt, wartet am Ende vermutlich die golferische Heiligsprechung. Und wie war das noch vor Rom? Da hätte auch kaum einer einen Cent auf die Europäer gesetzt.