Für Volkswirte gehören Gedanken zur konjunkturellen Entwicklung und dem Expansionstempo von Volkswirtschaften zur täglichen Arbeit. Gerne befassen sich auch Medien und mit ihnen die Gesellschaft mit dem Wirtschaftswachstum. Unter Noch-Nicht-Golfern keimt dabei gerade in aktuellen Zeiten der Stagnation oftmals Skepsis auf, ob es überhaupt noch Wachstum geben wird. Als wenn wir es nicht mehr könnten oder aus ökologischen Gründen nicht mehr dürften. Dies ist eine pessimistische Sicht der Dinge, die zudem auch bei der Geldanlage wenig Raum für positive Erträge bietet. So weit, so unschön!
Nun zu uns Golferinnen und Golfern: Wir erleben bei der Ausübung unseres Hobbies technischen Fortschritt und fairen Wettbewerb. Also ist uns mit angemessenem Optimismus klar, dass es vorangeht. Kurzum: Für uns sind globales Wachstum und steigende Aktienmärkte selbstverständlich!
Blicken wir zunächst auf technischen Fortschritt als Quelle des Wachstums. Neulich ist mir die Bezeichnung „Dellenkugel“ für einen Golfball untergekommen. Was für eine Geringschätzung dieses Helden des Golfsports. Der Golfball wie auch unsere Schläger sind geradezu Paradebeispiele für technischen Fortschritt: Als glatte Kugel von den Schotten ursprünglich ins Spiel gebracht, sind die Dimples die Garanten für Weite. Deren Optimierung war maßgeblich für die Zunahme von Schlaglängen verantwortlich. Und die neuen Golfschläger lassen uns nicht nur weiter hauen, sie sind auch noch fehlerverzeihender geworden. Es geht auf dem Platz also voran.
Geteilte Freude ist doppelte Freude
Der zweite Punkt ist fast noch bedeutsamer für eine grundsolide Einstellung gegenüber Wachstum. Der Golfsport ist vorbildlich im Sinne des fairen Wettbewerbs in den unterschiedlichsten Spielformen. Die Fairness gründet schon allein darin, dass wir unsere eigenen Schiedsrichter sind. Auch wenn am Ende Siegerinnen und Sieger ermittelt werden, so spielt die Etikette im fairen Wettstreit eine große Rolle. Wir suchen (und finden) sogar leicht verirrte Bälle unserer Mitspielerinnen und Mitspieler. Die Freude über ein Birdie wird im Flight ehrlich geteilt. Aktuelles Beispiel: Der Anfang Oktober in Schottland von Nicolas Colsaerts erzielte Albatross wurde selbst unter den Profis, für die es um viel Geld geht, abgeklatscht. Hier steckt eine Besonderheit des Golfsports: Denn man kann auf einen erfolgreichen Schlag eines Mitspielers mit einem eigenen guten oder besseren Schlag antworten. Hier wird an einem Loch nicht ein Birdie „verteilt“. Beim Boxen wird man den perfekten Leberhaken des Gegners kaum beklatschen, denn man geht mit Schmerzen K.O. Auch ein Ass des Gegners bedeutet beim Tennis den Punktverlust, hier wird ebenso „nur“ verteilt. Für Golferinnen und Golfer besteht die Chance, an der guten Spielweise des Gegners zu wachsen. Niemand nimmt uns einen guten Schlag weg, wir können es sogar besser machen. Wir können uns über ein Birdie des Mitspielers freuen und den Putt ebenfalls mit einem Birdie adeln.
Was banal klingen mag, führt mit Blick auf die Geldanlage für Golf-Fans zu einem gravierenden Vorteil. Es geht eben nicht um den einen perfekten Boxschlag oder den einen Winner beim Tennis im Sinne einer kurzfristigen Verteilung von Erfolg. Vielmehr erleben wir auf der Golfrunde des Lebens die langfristigen günstigen Aussichten, sei es bei den möglichen Birdies, sei es bei der Rendite für Wertpapieranleger. Wir können uns Wirtschaftswachstum nicht nur vorstellen, sondern nehmen es als normal an. Insofern gehen wir bei Unternehmen grundsätzlich von Umsatz- und Gewinnsteigerungen aus. Aktienmärkte schwanken, aber natürlich um einen positiven Trend. Also erschrecken wir nicht, wenn der Deutsche Aktienindex DAX bei gut 19.500 Punkten Mitte Oktober ein frisches Allzeithoch erreicht. Im Gegenteil: Wir sehen ihn bei über der Marke von 20.000 Punkten, und zwar spätestens in der kommenden Golfsaison. In diesem Sinne: Gutes Spiel!
(Text: Holger Bahr, Leiter Volkswirtschaft der DekaBank, Handicap 11,0)