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Unbequeme Fragen, alberne Namen, Mega-Offerte für Tiger – Und nun, LIV?

08. Jun. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Die Pressekonferenz zum ersten Event der LIV Golf Series. (Foto: Getty)

Die Pressekonferenz zum ersten Event der LIV Golf Series. (Foto: Getty)

Das Getöse ist gewaltig. Greg Norman bestimmt die Schlagzeilen. Der Australier hat den etablierten Touren und den Verbänden die Deutungshoheit im Profigolf abspenstig gemacht. Sie können derzeit nur reagieren, während Normans LIV Golf Invitational Series den Takt bestimmt. Selbst Tiger Woods’ US-Open-Absage geriet vor lauter Johnson- und Mickelson-Nachrichten, den Abgängen von der PGA Tour oder der Zulassung der Überläufer zum dritten Major der Saison kommende Woche fast zur Nebensache.

Vom Sicherheitspersonal aus dem Raum gedrängt

Unrühmlicher Höhepunkt des Theaterdonners war die zweite Pressekonferenz auf dem Gelände des Centurion Golf Clubs nahe London, als der Journalist Rob Harris förmlich mundtot gemacht wurde. Die Fragen des Vertreters der renommierten US-Nachrichtenagentur „Associated Press“ (AP) an Kevin Na, Talor Gooch, James Piot und Sihwan Kim auf dem Podium waren den Veranstaltern zu unbequem, das Spieler-Quartett verließ vorzeitig den Raum, Harris kam trotz mehrfacher Versuche nicht zu Wort und wurde am Ende von Sicherheitspersonal aus dem Raum gedrängt – mit der Begründung, er sei „nicht höflich“ gewesen.

Tja, gefällige Hofberichterstattung ist in der Aufgabenbeschreibung für guten Journalismus nun mal nicht vorgesehen. Und dabei hatten die LIV-Macher ihre Protagonisten im Vorfeld schon gegen kritischen Fragen gewappnet und Argumentationshilfen formuliert, falls Mord, Menschenrechtsverletzungen und sonstige Missstände des Saudi-Regimes zur Sprache kommen sollten, das den milliardenschweren Konkurrenz-Circuit aus seinem Public Investment Fund PIF finanziert.


Reporter Harris hatte schon während der ersten Medien-Session mit unliebsamen Fragen für betretene Gesichter bei Dustin Johnson, Graeme McDowell, Louis Oosthuizen und Ratchanon Chantananuwat gesorgt; lediglich „G-Mac“ konnte sich zu einer Antwort aufraffen. „Wenn wir jedesmal die politische Situation in einem Land zum Maßstab für unsere Spielpläne machen würden, dann würden wir nicht sehr viel spielen“, sagte der Nordire. Und dann kam das abgedroschene Mantra: „Wir sind nur hier, um uns auf den Golfsport und seine weltweite Vorbildrolle zu konzentrieren.“

Sechs Millionen Antrittsgage für Amateur?

Bei einem der Nicht-Berufsgolfer im Londoner Feld hat das mit dem Vorbild schon mal gut geklappt, jedenfalls in Sachen schnelles Geld: Der nicht namentlich genannte Spieler soll angeblich ein Startgeld von sechs Millionen Dollar und garantierte 250.000 Dollar pro Turnier akzeptiert haben. So wird man binnen weniger Tage vom Amateur zum Millionär – ohne sich durch die Feldstärke von PGA Turnieren nach oben kämpfen zu müssen.

Insgesamt drei Akteure aus dem Top-Ten der Amateur-Weltrangliste sind im Centurion Golf Club am Start, angeführt vom amtierende US-Champion James Piot – dem Vernehmen nach werden sie nicht an den Preisgeldern partizipieren, um ihren Status nicht zu verlieren. Aber Entlohnung geht ja auch anders, dafür gibt es die sogenannten NIL-Verträge (Name, Image, Likeness), mit denen die Nutzung der Persönlichkeitsrecht honoriert wird.

Hohes neunstelliges Angebot für Woods

Apropos schnelles Geld: Glaubt man Greg Norman, dann soll Tiger Woods vom „Great White Shark“ höchstpersönlich ein unmoralisches Angebot erhalten haben, um zur Galionsfigur von LIV Golf zu werden. „Im hohen neunstelligen Bereich“, verriet der 67-Jährige dieser Tage; irgendwas unterhalb einer Milliarde Dollar also – doch Woods hat nicht mal drauf geantwortet. Der Mann hat halt Moral und hält sein Wort, dass er der PGA Tour mehrfach gegeben hat: „Ich stehe zur PGA Tour. Hier ist mein Vermächtnis.“ Auf Normans Indiskretion gab’s bislang ebenfalls keine Reaktion aus dem Lager des Tigers.

200 Millionen für Mickelson?

Der LIV-Impresario hat tatsächlich überall mit seinem Füllhorn voller „blutigem Saudi-Geld“ („Washington Post“) angeklopft und auf die Wirkweise des Zasters gehofft: Selbst bei Ikonen wie Woods oder Jack Nicklaus, den er überdies mit dem Hinweis auf den gemeinsamen Freund Donald Trump umgarnen wollte. Obwohl er dort nicht landen konnte, muss er fürs erste Jahr mit dem Erreichten nicht unzufrieden sein und kann ein ordentliches Line-up aufbieten: Dank Attraktionen wie Dustin Johnson, der in einem Jahr mehr Garantiehonorar verdient als Tiger Woods an Karriere-Preisgeld aufweist (125 zu 121 Millionen Dollar) und Phil Mickelson, der sich für eine kolportierte Gage von 200 Millionen Dollar vor den Sportswashing-Karren der einst von ihm als „scary motherfuckers“ bezeichneten Saudis spannen lässt.

Neue Ära des Herren-Profigolf?

Erklärte Widerständler wie Rory McIlroy tut Norman als „gehirngewaschen“ ab; und die Zulassung der Kollaborateure zur US Open 2022 spielt ihm sowieso in die Karten. Wenn LIV-Teilnahme und Majors-Starts auf Dauer vereinbar bleiben, werden über kurz oder lang noch ganz andere Großkaliber dem Lockruf des Geldes folgen.

So kann’s dann morgen mit einem Spektakel losgehen, von dem viele sagen, dass damit eine neue Ära des Herren-Profigolf eingeläutet wird, dass sich die Branche grundlegend wandelt, mit unabsehbarem Ausgang spaltet.

„4 Aces“, „Hy Flyers“ und „Majesticks“

In der Praxis jedoch stellt sich die Frage: Und nun, LIV? Denn was da in sportlicher und veranstalterlicher Hinsicht kommt, erscheint nach wie vor mehr als dünn. Acht Mannschaften mit jeweils sechs Spielern gehen zu Werke, über drei Tage und ohne Cut, letztlich geht es um leistungslosen Lohn zwischen vier Millionen Dollar für den Sieger und immer noch 120.000 Dollar für den 48. und Letzten im Feld – ganz gleich, was der sich zusammenspielt. Ansonsten herrscht Klamauk mit üppigem Rahmenprogramm und Kirmes-Elementen.

„Wir revitalisieren das Spiel und verwandeln es in den Sport, als der es gedacht ist“, sagt Greg Norman zu alldem: „So was wie unser Format, unsere Teamkomponente und unser vielfältiges Spielerfeld hat der Golfsport noch nie gesehen.“ Stimmt, schon die Namen der Teams könnten alberner nicht sein. Dustin Johnson führt beispielsweise die „4 Aces“, Martin Kaymer die „Cleeks“, Mickelson die „Hy Flyers“ mit dem erst 15-jährigen Ratchanon Chantananuwat, Ian Poulter die rein englisch besetzten „Majesticks“ mit Lee Westwood oder Kevin Na die „Iron Heads“. Bernd Wiesberger gehört übrigens zu McDowells „Niblicks“. 


Wenigstens Norman jubelt: „Ich freue mich darauf, wenn diese Teams zum Leben erwachen und für Spieler wie Fans zu einem neuen Erlebnis in Sachen Energie, Kameradschaft und Konkurrenz werden.“

Das Ganze läuft unter dem Slogan „Golf. But Louder“; 50 Kameras und 60 Mikrophone verfolgen den Zirkus, übertragen wird bei YouTube und Facebook sowie auf der LIV-Website. Als Chef-Moderator wurde nach der Absage von Tour-Veteran und Champion Golfer Darren Clarke ein gewisser Arlo White verpflichtet, der normalerweise in den USA als Fußball-Kommentator tätig ist und sich bislang mit Champions und Premier League oder mit Weltmeisterschaften beschäftigt hat. Immerhin hat der Brite mit dem einstigen Profi und Ex-„Golf-Channel“-Mann Jerry Foltz sowie der Long-Drive-Spezialistin Troy Mullins als Feldreporterin zwei Leute vom Fach an der Seite.

„It's not about the money“

Wie so oft freilich verbirgt sich die wahre Pikanterie im Detail. Bei den Konzerten, die als „Aprés Golf“ an den Abenden der Turniertage stattfinden, treten Künstler wie James Morrison, Melanie C, Craig David auf. Und Jesse J. Zu den Hits der britischen Popmusikerin gehört einer mit dem bezeichnenden Namen „Price Tag“. Im Text mit dem Refrain „It's not about the money, money, money; We don't need your money, money, money; We just wanna make the world dance“ heißt es unter anderem: „Seems like everybody's got a price; I wonder how they sleep at night.“ Das muss man weder übersetzen noch kommentieren.

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