British Open

Woods im Jahr des Tigers: Dieser 150. Open galt all sein Sinnen und Trachten

13. Jul. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Tiger Woods in der Pressekonferenz vor der British Open 2022. (Foto: Getty)

Tiger Woods in der Pressekonferenz vor der British Open 2022. (Foto: Getty)

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Wer gibt was auf Astrologie und den Stand der Sterne? Amüsant, Humbug oder Vademecum? Das muss gewiss jeder für sich entscheiden. Dennoch erscheint frappierend: 2022 ist im chinesischen Horoskop das Jahr des Tigers, und ein sehr bekannter Tiger genießt gerade den Höhepunkt seines Jahres – an der schottischen Ostküste, im „Home of Golf“ St. Andrews, bei der 150. Open Championship.

Fixstern auf dem qualvollen Weg zurück

Dieses besondere Jubiläum des weltältesten Majors war Tiger Woods’ Fixstern auf dem mühseligen und qualvollen Weg zurück nach jenem schrecklichen Autounfall vom Februar vergangenen Jahres. Dafür hat er sich gequält und seinen geschundenen Körper einmal mehr an kaum vorstellbare Belastungsgrenzen getrieben, das beinahe irreparabel zerstörte und von einer Amputation bedrohte rechte Bein wieder in ein Gangbild und zum Funktionieren gezwungen. Der 46-Jährige hinkt immer noch sichtlich, aber er ist da: auf seinem geliebten Old Course, „den ich mag wie keinen anderen Golfplatz auf der Welt“.

Alles in diesem Jahr führte genau in diese Richtung. Die wundersame Wiederkehr zum Masters: eine Ouvertüre über erstaunliche vier Runden. Der Ausstieg bei der PGA Championship: ein Rückschlag für das Zumutbare. Der Verzicht auf die US Open: eine Frage der Priorität – Woods wollte das große Ziel nicht durch die Risiken der Belastung von Brookline gefährden; sein Sinnen und Trachten galt ausschließlich dieser 150. Open Championship, dem Start auf dem Old Course.

British Open 2022: „Historisch außerordentlich bedeutsames Major“

„Während der meisten Zeit meiner Reha ging es vor allem darum, überhaupt laufen, ein normales Leben auf zwei Beinen führen zu können“, bekannte er in St. Andrews. „Indes, direkt danach kam die Hoffnung, wieder Championship-Golf spielen zu können. Und als ich merkte, dass ich durchaus ein hohes Niveau erreichen kann, richtete sich mein Fokus darauf, hierher zurückzukehren. Es ist ein historisch außerordentlich bedeutsames Major und fühlt sich an wie die größte Open, die wir jemals hatten – und ich wollte unbedingt dabei sein.“

Für Woods ist der Old Course „hallow ground“, heiliger Boden, „den ich verehre, seit ich das erste Mal hier gespielt habe“. Auf dem Patron aller Parcours wurde er im Jahr 2000 erstmals Champion Golfer of the Year, mit acht Schlägen Vorsprung auf Thomas Bjørn und Ernie Els übrigens. Gleichzeitig machte er damals den Karriere-Grand-Slam perfekt und legte überdies nach dem US-Open-Sieg von Pebble Beach das zweite Puzzle-Stück zum „Tiger Slam“, Erfolgen bei allen vier Majors in Serie, den er dann mit der PGA Championship in Valhalla/Kentucky und dem Masters-Triumph 2001 komplettierte. Und wie seine Vorgänger Ben Hogan und Arnold Palmer weiß Woods, dass nur der wirklich ins Pantheon des Golfsports gehört, der die Erfinder des Spiels auf ihrer heimischen Scholle schlägt.

Drei Mal hat er das bisher geschafft, nach 2000 noch 2005 (ebenfalls in St. Andrews) sowie 2006 in Royal Liverpool. Und womöglich sind die Kurse der Open-Rota fürderhin sogar die aussichtsreichsten Betätigungsfelder des gehandicapten Superstars. „Tigers Problem sind nicht die Schläge“, urteilte Lee „Merry Mex“ Trevino nach den vier Löchern der „Celebration of Champions“ am Montag: „Sein Problem ist das Laufen.“

Das rechte Bein habe sich seit der PGA Championship noch mal deutlich verbessert, „doch es ist nach wie vor nicht einfach“, erklärte Woods selbst nach seinem Härtetest vom Wochenende, als er mit dem „kleinen Bruder“ Justin Thomas am Samstag und am Sonntag jeweils über den kompletten Platz marschiert war. „Es ist nirgendwo steil, kein Vergleich zu Augusta National oder Southern Hills, dennoch machen mir die Unebenheiten zu schaffen. Ich habe halt eine Menge Metall im Bein.“


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Anderseits beherrscht kaum jemand aus dem Open-Feld das für erfolgreiches Linksgolf unabdingbare Spiel über den Boden so wie Woods. Keiner weiß besser, wie man flache Bälle spielt, die Murmeln auf den Fairways und rund um die Grüns Richtung Fahne laufen lässt. Das gilt selbst für jene, die in den Sandkästen an den Küsten der britischen Inseln groß geworden sind. „Das wird Schach diese Woche“, verdeutlicht Rory McIlroy. „Und er ist seit 20 Jahren ein Meister bei dieser Sorte Schach auf einem Golfplatz.“


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„Die harten Fairways kommen mir entgegen“

Ja, ein ausgedörrtes sandiges Geläuf bietet den Longhittern die Chance, die Grüns vom Tee anzugreifen – erst recht auf einem vergleichsweise kurzen Platz wie dem Old Course. Gleichwohl hat es seine Tücken: Schiere Schlagkraft verkehrt sich ins Gegenteil, weil unpräzise geschlagen Bälle verspringen; zudem lauern die Pottbunker und der Ginster. Alles hängt davon ab, die Eisen und die Wedges virtuos zu handhaben. Woods weiß das nur zu genau: „Die harten und schnellen Fairways kommen mir sehr entgegen.“

Rücktrittsgerüchte? Da kann Woods nur lachen

Der Old Course ist sein Land, das Spiel über den Boden seine Domäne – was wunder, dass er sich Chancen ausrechnet. „Ich weiß nicht, wieviele Open Championships in St. Andrews ich noch vor mir habe. Diese jetzt wollte ich unbedingt bestreiten, und ich will sie gut nutzen.“ Indes, es wird definitiv nicht der Schlusspunkt sein, vielen Rücktrittsgerüchten zum Trotz, über die Woods nur lachen kann:

„Ich muss akzeptieren, dass ich keine volle Saison mehr spielen kann“, sagt er. „Das ist meine neue Realität, ob sie mir gefällt oder nicht. Und vielleicht ist das hier auch die finale Gelegenheit für mich, in St. Andrews auf hohem Niveau mitmischen zu können – wer weiß schon, was in sechs, sieben, acht Jahren ist.“

Arnold Palmer und Tom Watson haben ihre letzte Open auf dem Old Course gespielt, auch Jack Nicklaus beendete seine Major-Karriere am Firth of Forth. Vielleicht tut Tiger Woods es ihnen nach. Irgendwann. Allerdings ganz sicher nicht hier und heute.

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