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Bryson DeChambeau: Einer, der LIV und den Umgang mit Geld verstanden hat

15. Feb. 2024 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

(Foto: Getty)

Business first: Bryson DeChambeau hat seine LIV-Garantiegage vollständig in prospektive Projekte investiert. (Foto: Getty)

Die Entwicklung im Profigolf der Männer ist an dieser Stelle vielfach thematisiert und kritisiert worden: das Konstrukt der LIV Golf League, die Rolle von Saudi-Arabien und seines Staatsfonds PIF, der Irrweg des einstigen Monopolisten PGA Tour, nicht zuletzt die Attitüde etlicher Spieler. Ja, mit dem Widerstand ist es so eine Sache, wenn „Ein unmoralisches Angebot“ ins Haus flattert, das weiß man nicht erst, seit Demi Moore im gleichnamigen Hollywood-Pseudodrama von 1993 der Millionen-Offerte von Robert Redford auch im Wortsinn erlegen ist.

Grow the Game, Work-Life-Balance und Familienwohl

Dass die Saudis quasi überall drin hängen und der Sport generell wenig Berührungsängste mit Schurkenstaaten hat, ist zwar wohlfeiler Whataboutismus, aber ebenfalls Fakt. Erst recht die Tatsache, dass es im Profigolf seit jeher um Geld ging – ohne die Wett-Spiele der Altvorderen auf den Links an der schottischen Küste würde es den Berufsgolfer vielleicht gar nicht geben. Dennoch bleibt die Feststellung, dass sich im LIV-Lager eine Menge Herren mit Haltungsschäden versammelt hat, die ihr einnehmendes Wesen mit Plattitüden wie Grow the Game, Work-Life-Balance und Familienwohl zu alibisieren suchen, statt einfach dazuzustehen, dass sich das Maß zwischen Moral und Moneten ziemlich verschoben hat.

Mit dem Zaster was Vernünftiges anfangen

Und die sich einen Maulkorb verpassen lassen („Ich bin kein Politiker“), statt ihre Prominenz zu nutzen und Klartext zu reden. Die Formel-1-Stars Lewis Hamilton und Sebastian Vettel konnten das doch auch. Mehr noch, wo sie vielfach doch eh längst Multimillionäre sind: mit dem Zaster was Vernünftiges anzufangen, der sich aus dem PIF-Füllhorn über sie ergießt – im Sinne des überstrapazierten Begriffs von der Golfentwicklung. Oder anders und ketzerisch-überspitzt gefragt: Gibt’s eigentlich eine Dustin-Johnson-Akademie für golfinteressierte saudi-arabische Mädchen? Ok, „D.J.“ ist vielleicht ein eher suboptimales Beispiel, aber man weiß, was gemeint ist.

BDC: Etwas anders ist als der Profigolfer-Mainstream

Immerhin gibt es eine Ausnahme: Bryson DeChambeau, der bekanntermaßen eh etwas anders ist als der Profigolfer-Mainstream. Der US-Open-Champion von 2020 hat freimütig bekannt, dass der Wechsel in die LIV-Liga eine rein geschäftliche Entscheidung sei, wenngleich er das gleichsam mit Hinweisen auf Familie und Freizeit garniert hat.

Dennoch steht das Business für BDC ganz vorn. Der „Mad Scientist“ ist bei all seiner Exzentrik ein helles Köpfchen und ganz und gar kein verpeilter, schräger Wissenschaftler, wiewohl sich das so anhören mag, wenn er über den Einfluß der Corioliskraft beim Putten doziert. DeChambeau hat als Erster das Franchise-Konzept von LIV verstanden und die Zusammensetzung seines „Crusher“-Teams auf jene unbeackerten Märkte ausgerichtet, die jetzt beispielsweise von Rory McIlroy oder dem scheidenden DP-World-Tour-Chef Keith Pelley so vehement in den Fokus der PGA Tour geschoben werden.

„Bekanntheit zudem für wirtschaftliche Zwecke nutzen“

Zum Beispiel mit der Berufung des Inders Anirban Lahiri. „Man holt Spieler nicht nur als sportliche Verstärkung, will ihre Bekanntheit zudem für wirtschaftliche Zwecke nutzen“, gab DeChambeau im Herbst 2022 zu Protokoll. „Anirban ist in Indien eine echte Größe. Mit ihm werden wir dazu beitragen, dort den Golfsport zu fördern, indem wir Driving Ranges und vielleicht Plätze bauen.“

Der Profi aus Puna im Westen des Subkontinents wiederum schwärmte über seinen Kapitän: „Bryson hat einen sehr klaren Blick auf das Thema Franchise und sehr kreative Ideen für die Zukunft des Teams. Er genießt die Tatsache, dass er mehr Spielraum hat, um das zu tun, was er geschäftlich tun möchte.“ Und: „Alle sprechen immer von irgendeinem sportlichen Vermächtnis: Es gibt die Möglichkeit, auch mit einem Team ein Vermächtnis zu kreieren. Wir können mittel- und langfristig eine Menge für Golf in meinem Heimatland tun. Wenn ich dazu beitragen kann, dann ist mir alles andere egal. Jeder hat vom Golfsport profitiert, und wir können auf verschiedene Weise etwas zurückgeben.“

Sportkomplex, Förderschule, Nachwuchsgolfserien

Freilich, noch muss Indien warten. Er habe seine LIV-Garantiegage längst ausgegeben und sei erstmal pleite, scherzte DeChambeau vor geraumer Zeit. Der gebürtige Kalifornier, nach gesundheitlichen Problemen und Verletzungen durch seine Metamorphose zum „Hulk mit dem Holz“  wieder sichtbar erschlankt und trotzdem vom Abschlag im Schnitt bloß sieben Yards (6,4 Meter) kürzer, hat in einen Sportkomplex an seinem Wohnort Dallas investiert sowie eine Förderschule gegründet und unterstützt unter anderem Nachwuchsgolfserien in Kalifornien. So geht’s halt auch.

Um DeChambeaus täglich Brot muss sich dennoch niemand Sorgen machen. Nach Berechnungen des Portals „National Club Golfer“ hat er bislang rund 21,4 Millionen an LIV-Preisgeldern eingestrichen – inklusive des Bonus für den Team-Gesamtsieg seines Crushers GC zum Abschluss der Saison 2023.

Eine Menge gemeinsames Rampenlicht-Potenzial

Apropos Bekanntheit: DeChambeau hat sogar das Herz von Paige Spiranac erobert. Sozusagen. Die Blondine mit dem untrüglichen Instinkt für Aufmerksamkeit und mehr Instagram-Anhängern als Tiger Woods, hat früher kein gutes Haar am Kollegen gelassen und über seine großspurige Einschätzung von Augusta National als Par-67-Kurs ebenso abgelästert wie über seine 58er-Runde vergangenes Jahr in Greenbrier. Andererseits gibt es eine Menge gemeinsames Rampenlicht-Potenzial. Daher haben sich die beiden auf ein paar Löcher Golf getroffen, und DeChambeau, der so smart und charmant sein kann gab den Caddie, was selbstredend auf Spiranacs „YouTube“-Kanal wirkungsvoll in Szene gesetzt wurde.

„Ich habe ihn früher öffentlich niedergemacht, doch persönlich ist er einfach nur freundlich, lustig und selbstironisch“, gurrte die 30-Jährige anschließend. „Ganz anders, als ich ihn über Jahre hinweg wahrgenommen habe.“

Seither zerreißt sich der Boulevard in den USA das Maul über die beiden und tuschelt von einer Affäre oder gar einer Liaison. DeChambeau gab dem zusätzliche Nahrung, als er im Gegenzug Spiranac beim Pro-Am des LIV-Events in Las Vegas seine Tasche anvertraute.

Befürworter der Wiedervereinigung

Zuguterletzt ist DeChambeau der einzige LIV’ler der sich bislang offen zu einer Wiedervereinigung bekannt hat, diese sogar fordert – in welcher Form auch immer. „Ich habe vom ersten Tag an gesagt, dass Golf wieder zusammenfinden muss, dass es unbedingt eine Einigung geben muss“, sagt der 30-Jährige. „Nicht nur für uns selbst, damit wir gegen die besten Spieler antreten können. Sondern auch für die Fans, damit sie uns wieder gegeneinander spielen sehen.“


„Meine Gedankenspiele hinsichtlich einer fruchtbaren Kooperation zum Wohl des Spiels gehen sehr weit. Ich habe großen Respekt vor der Individualität des Sports, vor der Tradition und der Bedeutung historischer Ereignisse. Aber ich glaube ebenso, dass man einen Weg finden sollte, den Team-Aspekt einzubauen. Das wäre nicht nur eine weitere Einnahmequelle für TV-Sender, Werbepartner und Spieler, sondern könnte auch neue Fans gewinnen – siehe American Football. Ich lebe in Dallas und liebe die Cowboys, bin also ein Teil ihrer Fan-Base. Man kann Fan eines Teams sein, ohne unbedingt den Sport zu betreiben. Warum also nicht die jetzigen Signature Events der PGA Tour mit einem Team-Aspekt bereichern.“

Bryson DeChambeau


Was das betrifft, ist der mittlerweile auf Weltranglistenplatz 168 abgerutschte achtfache Toursieger durchaus optimistisch. „Ich wünschte, man hätte sich direkt zu Beginn [von LIV Golf] getroffen, es wäre so einfach gewesen. Aber damals standen sich eine Menge Egos im Weg. Es gibt genug Raum für eine Koexistenz. Die Verantwortlichen müssen bloß ihre Waffen ruhen lassen und sich an einen Tisch setzen“, sagte DeChambeau in einem Interview mit „Sports Illustrated“. „Doch ich glaube, dass eine Einigung zwischen dem PIF und der PGA Tour kommen wird. Vielleicht schneller, als man jetzt denkt.“

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