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„Dank“ Corona boomt Freizeit im Freien: Doch Golf profitiert davon nicht

17. Jun. 2020 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Einen Boom am Golf-Club-Mitgliedschaften gibt es in Deutschland nach Corona nicht. (Foto: Getty)

Einen Boom am Golf-Club-Mitgliedschaften gibt es in Deutschland nach Corona nicht. (Foto: Getty)

Outdoor brummt. Die Menschen wollen an die Luft, schon während des wochenlangem Corona-Shutdowns drängte es Jedermann raus. Gefühlt sah man nie so viele Menschen beim Sporteln im Park: Laufen, Gymnastik, Yoga, Liegestütze …. Fitness im Freien. Jetzt, wo viele Restriktionen gelockert sind, hält der Boom trotzdem an. Selbst Klein- und Schrebergärten sind wieder im Trend, als Fluchtpunkte gegen heimische Enge, vor allem bei Studenten und jungen Familien. Und Golf? Wie steht‘s um den Freiluftsport, der wie kein anderer allen Maßgaben in Zeiten einer Pandemie genügen kann?

Anfangsansturm beseelte Wachstums-Hoffnungen

Klar, als die Anlagen wieder öffnen durfte, kam der Sturm auf die Plätze. Nach Wochen erzwungener – und vielfach hysterisch kommentierter – Solidarität mit der Gesamtgesellschaft wollte jeder bloß noch spielen als gebe es kein morgen. Computer kapitulierten vor der Flut von Startzeiten-Buchungen, Grüns ächzten unter nicht ausgebesserten Ball-Einschlägen und die zuvor für ihre Pausen-Platzpflege gepriesenen Greenkeeper waren plötzlich wieder Hindernisse. Greenfee-Spieler schauten anfangs oft in die Röhre, weil natürlich die Mitglieder Vorrang hatten und sogar teilweise gebeten werden mussten, nur einmal am Tag oder zwei Mal die Woche zu spielen, zumal Startzeitenkapazitäten durch die Reduktion auf Zweierflights zusätzlich ausgereizt waren.

Golf als Krisengewinner?

Das beseelte die Hoffnung, Golf könne sogar eine Art Krisengewinner sein. Die Golfanlage als gesundheitlich unbedenkliches und zudem geselliges Refugium, die Mitgliedschaft als Erfolgs- und Vorzugsgarant bei Lockdown-Einschränkungen und Tee-Time-Lotterien. Damit verbunden ein Aufblühen des Vereinswesens, dem generell immer mehr Menschen den Rücken kehren. Ein Reiz für die sogenannten „Golf-Nomaden“, sich doch an einen Club zu binden, die sonst gegen Greenfee von Platz zu Platz wandern und die Golf-Rosinen rauspicken. Vielleicht sogar der Gewinn von Neugolfern, denen in solchen Zeiten die Attraktivität des Spiels und seiner Facetten aufgefallen ist.

Golf-Nomaden suchen sich lokale Spielstätten

Im Golf-Mutterland funktioniert das derzeit ziemlich gut. Clubs in England, Schottland und Irland verzeichnen in großer Breite einen förmlichen Run auf Mitgliedschaften. Was zwar ganz sicher auch mit den geltenden Beschränkungen zu tun hat, dass nämlich selbst Mitglieder wegen der Reise- und Verkehrs-Restriktionen in einem sehr engen Radius wohnen müssen, um auf „ihre“ Anlage zu dürfen und Greenfee-Spieler aufgrund einer meist weiten Anfahrt und dem Mitglieder-Vorbehalt bei Startzeiten nahezu gar nicht an den Abschlag kommen.

Aber: „Der größte Teil unserer Neuzugänge sind sogenannten ,Golf-Nomaden‘, die sich unter dem Eindruck der von Corona und Covid-19 geprägten neuen Lebensbedingungen entschieden haben, einem lokalen Club beizutreten“, sagt beispielsweise Steve David, Manager im schottischen Aberdour Golf Club. Etliche seien zudem auf den Geschmack gekommen, „weil sie während des Lockdown auf der Golfanlage spazieren gegangen sind“.

Neue Arbeits-Freizeitstruktur mit Home Office

Durchaus hilfreich sind überdies das breitere Angebot und die Attribute eines Country Clubs. „Wir bekommen täglich Dutzende von Anfragen, speziell von Interessenten im Alter zwischen 30 und 50 Jahren“, erzählt Barry Anderson, der Direktor des Mannings Heath Golf and Wine Estate in Sussex/England. „Weil Fitnesscenter, Schwimmbäder und andere Indoor-Sportanlagen noch geschlossen sind, wechseln viele Leute zum Golf. Außerdem wollen viele das Home Office für zwei, drei Tage pro Woche beibehalten und haben gemerkt, dass sie sich Zeit für sportliche Freizeitbeschäftigungen nehmen können, ohne ihre Arbeit zu vernachlässigen.“

In Deutschland sind derlei Wachstums-Phänomene (noch?) nicht zu verzeichnen. Allerorten sind die Golfanlagen nach der Wucht des ersten, vom Defizit befeuerten Spieltriebs bestrebt, den „status quo ante“ zu erhalten. Klar, die Plätze sind voll, aber das sind vornehmlich „Bestandsgolfer", die in diesen unsicheren Zeiten erst mal im sicheren Hafen bleiben. Schnupperkurse sind ebenfalls gut nachgefragt: In Ermangelung etablierter Freizeitbetätigungen ist man durchaus offen für Neues. Ob sich das indes in den Mitgliedsregistern niederschlägt?

Unterdurchschnittliche Mitgliederentwicklung

„Seit der Wiedereröffnung sind 30 Personen neu eingetreten. Das ist eher unterdurchschnittlich für diese Jahreszeit“, berichtet Dr. Reinhard Koss als Geschäftsführer des niedersächsischen 27-Loch-Ensembles Golf in Hude und „hauptberuflicher“ Sachverständiger für Wirtschaftlichkeitsbewertung von Golfanlagen. Auch im Greenfee-Bereich gibt es keinen Grund zur Euphorie, was zuvorderst mit der beschriebenen Situation für Gastspieler zu tun hat. Koss: „Im Mai hatten wir nahezu exakt so viele Greenfee-Einnahmen wie selben Monat 2019. Dafür mussten wir allerdings von Januar bis Mai einen Greenfee-Rückgang von 64 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum hinnehmen.“

Positiv überrascht vom ausgebliebenen Rückgang

In Michendorf bei Potsdam hat Horst Schubert, Vorstand der Golf- und Country Club Seddiner See AG, sogar mit einer Stagnation oder einem deutlichen Rückgang der Mitglieder-Entwicklung gerechnet und ist entsprechend „positiv überrascht von einem Zuwachs um insgesamt 35 Mitglieder, davon 26 aktive Erwachsene“, als Golf Post dieser Tage mal für eine Momentaufnahme nachfragt. „2019 hatten wir im Zeitraum 1. März bis 31. Mai einen Zuwachs von insgesamt 45 Mitgliedern, davon 29 aktive Erwachsene, und am Jahresende einen Netto-Zuwachs von 64 Mitgliedern“, verdeutlicht Schubert: „Mittlerweile gehe ich davon aus, dass wir dieses Jahr – trotz Corona – ähnlich positiv abschließen werden.“

„Für die Resilienz muss man auch was tun“

Da ist sie dann wieder, die Resilienz des Spiels in Krisenzeiten. „Man darf aber den Kopf auch nicht in den Sand stecken, sondern muss was dafür tun“, betont Michael Ogger, Manager im Golfclub Velbert Gut Kuhlendahl. Auf der beschaulich im Bergischen Land gelegenen Anlage mit Fitting-Center und David-Leadbetter-Akademie haben sie den „etatmäßigen“ jährlichen Schwund von rund 60 Mitgliedern aufgrund des Alters, beruflicher Veränderung, Abwanderung etc. nahezu kompensiert. Mit intensiven Social-Media-Maßnahmen. Und eher trotz Corona: Ein verstärktes Interesse an Golf als idealem Sport in Pandemie-Zeiten und vor dem Hintergrund der nach wie vor bestehenden Einschränkungen stellt auch Ogger nicht fest. Man darf gespannt sein, wie die Zahlen des Deutschen Golf Verbands zur Entwicklung des organisierten Golfsports für 2020 ausfallen.

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