British Open

Das Major in Muirfield: Großes Golf, aber gleichzeitig Symbol des Problems

09. Aug. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Ashleigh Bunhai gewinnt im spektakulären Playoff, doch die Damen fliegen weiter unter dem Radar. (Foto: Getty)

Ashleigh Bunhai gewinnt im spektakulären Playoff, doch die Damen fliegen weiter unter dem Radar. (Foto: Getty)

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Stell dir vor, es gibt großes Golf, und kaum einer schaut hin: Die besten Golferinnen der Welt spielen auf einem der feinsten Plätze der Welt, der als Major-Bühne 130 Jahre lang und insgesamt 16 Mal ausschließlich den Herren vorbehalten war. Und am Ende dieser ersten Women’s Open im majestätischen Muirfield liefern sich die Südafrikanerin Ashleigh Buhai und die Koreanerin In Gee Chun ein dramatisches Schlussrennen, das Buhai im vierten Durchgang des – in diesem Format reformbedürftigen – Stechens über die Schlussbahn für sich entscheidet. Bloß: Wer hat’s gesehen?

BBC: Nur Tages-Höhepunkt zu nachtschlafender Zeit

Die gute alte Tante BBC jedenfalls, einst die Speerspitze der Golf-Berichterstattung auf und von den britischen Inseln, brachte Tages-Höhepunkte zu nachtschlafender Zeit, was sogar Tommy Fleetwood „ziemlich enttäuschend“ fand: „Verstehe einer, warum sie ein solches Ereignis derart ,vergraben’. Spätestens die Begeisterung über den Gewinn der Fußball-Europameisterschaft durch unsere Frauen-Nationalmannschaft sollten ihnen doch die Augen geöffnet haben.“ Gutes Stichwort: Genau hinschauen musste auch, wer hierzulande dem Major in Muirfield zuschauen wollte. Im Bezahlfernsehen rangierte es in der Auswahlleiste hinter Wyndham Championship, Cazoo Open, den Ankündigungen kommender Turnierübertragungen und der Zweiten Fußball-Bundesliga unter einem lediglich mit Golf gekennzeichneten Button.

Problem Nummer eins: die mangelnde Sichtbarkeit

Da ist es wieder, das Problem des Damengolf: seine mangelnde Sichtbarkeit. Im doppelten Wortsinn. Oder besser, das Problem des Profigolf der Damen. Die Debatte, die Auswahl-Torhüterin Almuth Schult unlängst im Fußball angestoßen hat, lässt sich trefflich übernehmen. Profigolf wird gleichsam gern mit den Männern assoziiert, mit Tiger Woods, Rory McIlroy und Bernhard Langer. Trotz des deutlich anderen Geschlechterverhältnisses mit einem Frauen-Anteil von 35,9 Prozent im Deutschen Golf Verband (DGV) gegenüber 8,5 Prozent Spielerinnen im Deutschen Fußball-Bund segelt das weibliche Spitzenpersonal ebenfalls allzu oft unter dem Radar. Das hat Gründe.

Bei den Kerlen ist mehr „Krawumm“

Zuvorderst wohl einen, der sich schon im olympischen Motto „Citius, altius, fortius“ (Schneller, höher, stärker) widerspiegelt. Bei den Kerlen ist halt mehr „Krawumm“; die McIlroys und Bryson DeChambeaus dieser Golfwelt prügeln Bälle nach vorn. Länge ist alles. Spektakel halt. Die Männer spielen richtiges Golf. Die anderen, die Frauen, machen allenfalls was in dieser Richtung…

Dabei wäre jeder Hobby-Golfer gut beraten, sich – weil eher adaptierbar – bei den wohl temperierten Schwüngen der Damen was abzuschauen, generell bei ihrer Schlag-Fertigkeit. Aber nein, wir stapfen unverdrossen auf den gelben Herren-Abschlag – Gender Tees, noch so ein Blödsinn, der abgeschafft gehört und vielerorts abgeschafft wird –, kraftmeiern die Murmel irgendwie auf oder neben das Fairway und freuen uns, dass der Ball viel zu kurz ist, um schlechterdings in einem Fairway-Bunker zu landen. Sinn des Spiels nicht verstanden.

„Hausgemacht“ oder ohnehin immanente Schwierigkeiten

Doch zurück zum Profigolf der Damen. Die Probleme mit der Sichtbarkeit sind in weiten Teilen aber auch durchaus „hausgemacht“ oder ohnehin immanent, sie beginnen nämlich bereits mit der (Wieder-)Erkennbarkeit. Fünf Majors werden gespielt, die im Lauf der Jahrzehnte immer wieder den Namen und das Titelsponsoren-Präfix geändert haben – den wirtschaftlichen Zwängen der keinesfalls auf finanzielle Rosen gebetteten Damen-Szene geschuldet, die nicht von ungefähr ein sehr offenes Ohr für die Verlockungen des saudi-arabischen LIV-Gelds hat. Zu Erinnerung: Die heuer bei der US Women’s Open und bei der Women’s Open Championship verteilten Preisgeldtöpfe von zehn bzw. 7,3 Millionen Dollar waren vor Jahresfrist noch fast Utopien; unterhalb der Majors geht es, zumal auf der Ladies European Tour, vergleichsweise kärglich zu.

Schwierige Identifikation mit dem Sujet

Es gibt die Chevron Championship, die mal Dinah Shore, Nabisco Championship, Kraft Nabisco Championship und ANA Inspiration hieß. Die Evian Championship wiederum ist gerade seit 2013 ein Major, die Women’s British Open wurde von der LPGA erst 2001 als solches anerkannt. Und deren Tour Championship heißt seit 2011 CME Group Titleholders, was für eine sperrige Bezeichnung. All das erschwert dem durchaus aufgeschlossenen Sympathisanten die Identifikation mit dem Sujet. Wie einfach zu verinnerlichen und zu verherrlichen sind da doch die seit Anbeginn unverändert firmierenden Männer-Majors.

Erschwerte Darstellung global wirksamer Vorbilder

Dazu kommt ein heikler Aspekt, über den bereits die amerikanische Coaching-Koryphäe Hank Haney gestolpert ist, als er 2019 nach seiner Favoritin für die US Women’s Open gefragt wurde und antwortete: „Bestimmt irgendeine Koreanerin namens Lee, allein davon gibt es ja sechs auf der LPGA Tour.“ Das wurde ihm als Rassismus und Sexismus, mindestens aber als mangelnde Sensibilität ausgelegt, traf indes durchaus einen wunden Punkt.

Um es ganz vorsichtig zu formulieren und nicht ebenfalls einen Shitstorm zu riskieren: Der asiatische Namens-Duktus macht individuelle Unterscheidbarkeit und Unverwechselbarkeit schwierig; erschwert die Ausformung und Darstellung global wirksamer Vorbilder, die für das Ansehen eines Sports unabdingbar sind – bei allem Respekt vor Nelly Korda, Brooke Henderson, Lexi Thompson oder Anna Nordqvist. Noch anders: Selbst Fachleute wunderten sich während der Sky-Sports-Übertragungen von der Women’s Open über die Major-Meriten mancher Muirfield-Protagonistin aus dem asiatischen Raum. Jeder dürfte nun wohl verstanden haben, was gemeint ist.

An den Damen selbst liegt es am allerwenigsten

Damit keine Missverständnisse entstehen: An den Damen selbst liegt es am allerwenigsten. Sie sind nahbar, aufgeschlossen, zugewandt, im positiven Sinne hochprofessionell und um das Image ihres Sports mehr als nur bemüht. Ashleigh Buhai gab noch unmittelbar vor ihrer Finalrunde Autogramme und posierte mit Fans für Selfies – bei den Herren wäre so was undenkbar.

Auch hierzulande hat oder hätte man sich ein Bild von den Unterschieden machen können – beim Amundi German Masters der LET Anfang Juli im Golf- und Country-Club Seddiner See nahe Potsdam. „Alle Leute, die hierher kommen, wunder sich: Das ist ja ganz entspannt bei euch“, sagt Promoter Dirk Glittenberg, der seiner Düsseldorfer Event-, Medien- und Beratungsagentur U.COM „Damengolf in unserer DNA“ attestiert, ebenfalls die Kenya Ladies Open organisiert und unter anderem die zweifache Siegerin Esther Henseleit betreut.

„Es gibt einfach keine Berührungsängste“

Auf der LPGA und bei den Damen-Majors sei das genauso: „Die Profi-Golferinnen haben weniger Probleme, im direkten Miteinander auf Partner, Sponsoren und Fans zu treffen. Es gibt einfach keine Berührungsängste.“ Und warum ist das bei den Damen anders als bei den Herren? Glittenberg lacht: „Vielleicht einfach deswegen, weil es Frauen sind.“

Was es bei allen positiven Aspekten braucht, ist Öffentlichkeit. „Wir sind ein mediales Produkt“, verdeutlicht Glittenberg. „Ohne Fernsehen kein Wachstum.“ So gesehen muss sich zeigen, ob das Major im vormals misogynen Muirfield mit seiner Vorgeschichte, den besonderen Begleitumständen und dem spektakulären sportlichen Verlauf als „Best Practice“ das erfüllt, was viele sich trotz eher spärlicher Vorberichterstattung davon erhoffen: neuen Schub fürs Profigolf der Damen. Derzeit gilt leider die Binse „If you can’t see it, you can’t be it“ – um etwas darzustellen und zu vermitteln, muss man es sehen können. Hoffentlich wurde da nicht gerade eine veritable Chance vertan.

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