Profisport Herren

Der Milliardenpoker um die PGA Tour – mit Wertschöpfer Woods als Asset Nr. 1

16. Nov. 2023 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Tiger Woods ist nach wie vor das Zugpferd der PGA Tour. (Foto: Getty)

Vermögenswert und Wertschöpfer: Tiger Woods ist das Asset Nr. 1 der PGA Tour. (Foto: Getty)

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Eigentlich ist ab nächster Woche ein bisschen Winterpause: Die Finals der DP World Tour und der LPGA Tour sowie das letzte reguläre Event der Fall Series auf der PGA Tour sind gespielt, auch die Damen der LET versammeln sich an der Costa del Sol zum Saisonabschluss. Danach hat’s zwar noch die Schmankerl der Auftritte von Tiger Woods als Gastgeber der Hero World Challenge und mit Filius Charlie beim Familienturnier PNC Championship – aber ansonsten gilt, frei nach Goethes berühmten Nachtlied: „Über allen Wipfeln ist Ruh.“ Wirklich?

Veritabler Wirtschaftsthriller

Von wegen. Im Golf wird’s auch ohne Turniere nicht langweilig. Und selbst Weihnachtsruhe scheint keinesfalls garantiert. Denn was da gerade hinter den Kulissen des Profibetriebs der Herren läuft, hat was von einem veritablen Wirtschaftsthriller. Es geht um Moneten und Macht, um Geldvermehrung und Gewinnstreben, sogar um geopolitische Gesichtspunkte und Staatsräson. Der vordergründige Plot lautet wie folgt: Die PGA Tour ist klamm, weil sie sich beim finanziellen Fingerhakeln mit dem von Saudi-Arabien alimentierten Konkurrenzkonstrukt LIV Golf League verausgabt hat. Außerdem hat das Theater der Touren die US-Behörden aufgescheucht, die mal wieder den Gemeinnützigkeitsstatus des Golfkonzerns aus Ponte Vedra Beach ins Visier nehmen.

Von wegen Friede, Freude, Eierkuchen

Also ließen sich Commissioner Jay Monahan und seine Consigliori eine smarte Lösung einfallen, die gleich drei Fliegen mit einer Klappe schlagen würde: Man lagert das Tafelsilber der Tour in eine kommerzielle Tochterfirma aus und bringt es dadurch vor den klebrigen Fingern des Finanzamts in Sicherheit, bevor rückwirkend Steuern verhängt werden. Man öffnet die neue Firma, die mittlerweile den Arbeitstitel PGA Tour Enterprises trägt, für externe Partner und akquiriert so zusätzlichen Zaster. Und man verbündet sich ausgerechnet mit dem ärgsten Widersacher, den man nicht besiegen kann, schließt einen Pakt mit dem saudi-arabischen Staatsfonds PIF, begräbt das Kriegsbeil zu beiderseitigem kommerziellen Nutzen. Friede, Freude, Eierkuchen.

31. Dezember wohl nicht zu halten

Leider wurde die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Dem (noch) knapp demokratisch dominierten US-Senat gefällt gar nicht, dass „ein brutales, repressives Regime Einfluss auf eine geschätzte amerikanische Institution kaufen kann“. So jedenfalls hatte es Senator Richard Blumenthal als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses formuliert. Zu allem Überdruss macht der potenzielle Partner gleichermaßen Zicken, verlangt unter anderem mehr Kontrolle – nicht zuletzt, um die Allmachtsfantasien von PIF-Boss Yasir Al-Rumayyan zu befriedigen. Bis zum 31. Dezember sollte der Deal ursprünglich in trockenen Tüchern sein; der Termin dürfte platzen. Und selbst wenn man sich – auch innerhalb der PGA Tour – einig wird: Auf dem Kapitol in Washington könnten die Politiker sehr wohl die Karte des Anti-Trust-Gesetzes ziehen und beiden Parteien das Geschäft vermasseln.

Öffnung entwickelt ungeheure Eigendynamik

Trübe Aussichten. Freilich, die ganze Chose hat mittlerweile eine ungeheure Eigendynamik entwickelt. Kaum hatte Monahan als Sidekick von Exzellenz Al-Rumayyan beim TV-Sender CNBC heraus posaunt, dass die Tour offen ist für „fremde Bettgesellen“, da formiert sich ein Line-up an Investmentinteressenten, das einem Who’s Who amerikanischer Wallstreet- und Wirtschaftsgrößen gleichkommt – allesamt mit enormem Faible für profitable Sportbetriebe. So weit, so bekannt.

Woods steht gar nicht auf der Inventarliste

Geradezu pikant hingegen ist ein Aspekt der ganzen Angelegenheit, dessen Augenfälligkeit sich erst bei genauerem Hinsehen erschließt. Die Tour will ihre Assets umschichten, TV-Rechte, Lizenzen, die Vermarktung der Spieler, die Tournament Players Clubs (TPC) und so weiter und sofort – doch der größte Vermögenswert des Establishments taucht in der Inventarliste des Establishments gar nicht auf: Tiger Woods. Seit der GOAT im Policy Board sitzt, dieser im US-Unternehmensrecht so bezeichneten Mischung aus Verwaltungs- und Aufsichtsrat, überschlagen sich hinter den Kulissen die Ereignisse.

„Bereits mit einer Menge Leute gesprochen“

Woods sowie seine Mitstreiter Rory McIlroy und Mike McCarley treiben die Entwicklung ihrer Tomorrow Golf League (TGL) mit Macht, Speed und erstaunlichen Erfolgen voran und dem ersten Spieltag am 9. Januar 2024 entgegen. Parallel zu Tigers Tempo ergeben sich auf einmal immer neue Freier, die ums Geschäft mit der PGA Tour buhlen. Die Koinzidenz ist nicht zu übersehen, und auf einmal ergibt McIlroys Aussage einen Sinn, der vor Wochen berichtet hatte: „Er hat trotz der kurzen Zeit bereits mit einer Menge Leute gesprochen, seit er Mitglied des Policy Board ist.“ Und: Im Hinblick auf den 31. Dezember werde die Präsenz des Superstars noch deutlich zunehmen.“

Tigers Unternehmerpool

Als erklärter Gegner der LIV-Liga und ihrer Hinterleute dürfte Woods in seiner neuen Funktion alles daranzusetzen, „politisch korrekte“ Alternativen zu den Saudis und ihrem PIF zu mobilisieren. Und die TGL scheint das ideale Tool zu sein. Die meisten der dort als Team-Eigner engagierten Personen sind Investoren in die TGL-Muttergesellschaft TMRW Sports und mittlerweile auch Bewerber um Anteile an PGA Tour Enterprises. Oder vice versa. Ein Blick auf den Unternehmerpool, in dem Wertschöpfer Woods fischen kann – ohne Rang- und Reihenfolge:

John W. Henry (TGL-Team Boston Common Golf), Investmentmanager, geschätztes Vermögen 4 Milliarden Dollar, Miteigentümer der Fenway Sports Group, die ein Konsortium gebildet hat und der PGA Tour bereits zwei bis vier Milliarden Dollar Anteilskapital geboten hat.
Arthur Blank (TGL-Team Atlanta Drive), Multi-Unternehmer, geschätztes Vermögen 2,6 Milliarden Dollar, Mitglied des Bieter-Konsortiums.Steven A. Cohen (TGL New York), Hedgefondsmanager, geschätztes Vermögen 13 Milliarden Dollar, Mitglied des Bieter-Konsortiums).
Alexis Ohanian (TGL Los Angeles), Gründer des sozialen Netzwerks Reddit, geschätztes Vermögen (mit Ehefrau Serena Williams) 370 Millionen Dollar.
Marc Lasry (TGL San Francisco), Kapitalmanager und CEO der Avenue Capital Group, geschätztes Vermögen 2,1 Milliarden Dollar.
Stephen Curry (TGL San Francisco), Basketballstar, geschätztes Vermögen 160 Millionen Dollar.
David Blitzer (TGL-Team Jupiter Links Golf Club und Partner von Woods), Topmanager bei der Investmentgesellschaft Blackstone, geschätztes Vermögen 2 Milliarden Dollar.
Henry R. Kravis (Bewerber um Anteile an PGA Tour Enterprises mit „Friends of Golf“), Frontmann der Beteiligungsgesellschaft KKR & Co (Kohlberg Kravis Roberts & Co.), geschätztes Vermögen 9,2 Milliarden Dollar.
Steven Mnuchin, Ex-US-Finanzminister und Inhaber von Liberty Strategic Capital (Bewerber), geschätztes Vermögen 400 Millionen Dollar.
Randall Stephenson, Ex-AT&T-CEO und wegen der Verhandlungen mit dem PIF aus dem Policy Board der Tour ausgetreten, geschätztes Geschäftskapital mit Acorn Growth Companies 491 Millionen Dollar.
Todd Boehly, Inhaber der Holding Eldridge Industries, geschätztes Vermögen 6,1 Milliarden US-Dollar.

Die Genannten haben überdies mehr als ein Dutzend Clubs aus den fünf großen US-Mannschaftssportarten in ihrem jeweiligen Sportbusiness-Portfolio. Vielleicht hat Woods – geschätztes Vermögen übrigens 1,1 Milliarden Dollar – nicht bei allen persönlich antichambriert, doch eines steht fest: Da wird mächtig Front gegen die Ambitionen der Saudis gemacht.

Tour offeriert auch Spielern eine Kapitalbeteiligung

Die PGA Tour wiederum erklärte, sie lasse alle diesbezüglichen Offerten von der Haus- und Investmentbank Allen & Company sowie der Raine Group ihres Spezialberaters Colin Neville prüfen. Trotzdem hat der Deal mit dem PIF „weiterhin Priorität“, wie „Commish“ Monahan am Montag nach einer Vorstandssitzung per Memo an die Mitglieder betonte. Um den Spielern diesen irgendwie faustisch anmutenden Pakt einigermaßen schmackhaft zu machen, will man ihnen laut Memo sogar eine „direkte Kapitalbeteiligung“ an PGA Tour Enterprises anbieten.


„Wenn wir uns eine externe Investition sichern, wäre dies ein einzigartiges Angebot im Profisport, denn keine andere Liga gewährt ihren Spielern/Mitgliedern eine direkte Kapitalbeteiligung am Geschäft der Liga. Wir sind uns – ebenso wie alle potenziellen Minderheitsinvestoren, die mit uns im Gespräch sind – darüber im Klaren, dass die PGA Tour stärker sein wird, wenn unsere Spieler enger mit dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens verbunden sind.“

Commissioner Jay Monahan in seinem Memo


Eine Kanzlei mit Geschmäckle

Es liegt nahe, dass die Tour vor dem 31. Dezember nichts anderes sagen kann, sonst würde sie gegen das am 6. Juni verkündete Rahmenabkommen verstoßen. Es gibt aber gleichsam Stimmen, die hinter der Nibelungentreue zum Regime aus Riad persönliche pekuniäre Interessen wittern. Beispielsweise US-Sportkolumnistin Sally Jenkins, die in der „Washington Post“ dargelegt hat, dass die Verhandlungen mit dem PIF von der New Yorker Kanzlei Wachtell, Lipton, Rosen & Katz betreut werden. Die Rechtsanwälte sind Spezialisten für Firmenfusionen und -akquisitionen, schreiben horrende Rechnungen und kassieren im Erfolgsfall zudem happige Provisionen.

Die Interessen des Ed Herlihy

Die Sache bekommt ein intensives Geschmäckle, weil sich unter den Partnern und Co-Vorständlern der Sozietät ein tourbekannter Name findet: Ed Herlihy, seines Zeichens Vorsitzender des Policy Board der PGA Tour. Gemeinsam mit Jimmy „Dealmaker“ Dunne hatte er schon das Rahmenabkommen mit dem PIF eingefädelt; es dürfte kein Zweifel an seinen multiplen Interessen bestehen, die beiden Parteien nun endgültig miteinander verkuppeln.

„Loose lips sink ships“

Wie’s weiter geht, wird sich zeigen; am 31. Dezember ist die Golfwelt schlauer. Solange gilt McIlroys vielsagende Bemerkung zum Stand der Verhandlungen: „Loose lips sink ships.“ Muss man nicht übersetzen, oder? Wenn es etwas zu vermelde gebe, werde man das tun. Bis dahin bemühe man sich, dichtzuhalten.

 

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Sprach’s und verkündete seinen Rückzug als Spielervertreter im Policy Board. Auch hier liegen die Gründe auf der Hand. McIlroy hat sich als erster Paladin der PGA Tour und als Wortführer des Widerstands gegen LIV Golf zwischen Politik und Sport förmlich zerrissen, um dann von Monahan und Co. wie ein Lamm auf dem Altar des Mammons geopfert zu werden. Danke für gar nichts, PGA Tour!

McIlroy und der „Pfosten“, dem LaCava die Tasche trägt

Und dann ist da noch Patrick Cantlay, der seit Januar als Player Director im Board sitzt. Mit dessen Bag Man hatte sich „Rors“ bekanntlich beim Ryder Cup in Rom angelegt: „Als Caddie von Tiger war Joe LaCava ein netter Kerl. Doch seit er diesem Pfosten die Tasche trägt, ist er selbst zum A… geworden“, äußerte sich der Nordire dieser Tage noch mal zu dem Vorfall. Nicht unbedingt eine ideale Basis, um im Verwaltungsrat zusammenzuarbeiten.

 

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McIlroy muss die möglichen Perspektiven durch den PIF knirschend akzeptieren und hat sich bereits fatalistisch gezeigt, hofft indes offenkundig auf Schützenhilfe von außen: „Selbst wenn wir ein Geschäft abschließen, heißt das noch lange nicht, dass es auch tatsächlich zustande kommt. Trotzdem hoffe ich, dass PIF und PGA Tour die Kluft im Golfsport wieder schließen können“, sagte er am Rand der DP World Tour Championship in Dubai. „Letztlich hängt alles von der US-Regierung ab; davon, ob das Justizministerium es für richtig hält oder für wettbewerbswidrig oder was auch immer.“

Ab sofort zählt nur noch „auf’m Platz“

Für ihn zählt ab sofort nur noch „auf’m Platz“. Immerhin ist da für den Karriere-Grand-Slam noch ein Masters zu gewinnen, und das eine oder andere sonstige Major. „Tiger ist bei der Tour für uns eingesprungen, und wir wissen sehr zu schätzen, dass er uns regelmäßig aktive Spieler ein wenig entlastet“, hat McIlroy mal gesagt. „Er kann dafür sicher viel mehr Zeit aufbringen als ich.“


„Mein Rücktritt hat sich lange angebahnt. Es gibt nur eine gewisse Anzahl Stunden am Tag und eine gewisse Zahl an Tagen in der Woche, und es geschieht gerade eine Menge in meinem Leben. Also musste etwas passieren. Neben dem Versuch, ein Weltklasse-Golfer und ein guter Ehemann und Vater zu sein, habe ich ein wachsendes Investment-Portfolio und bin an der TGL beteiligt – beides nimmt immer mehr  Zeit in Anspruch.

Andererseits hat die überraschende Offenbarung des Rahmenabkommens zwischen PIF und PGA Tour meine Einstellung zu meinem Amt bei der Tour verändert. Ich habe mich für etwas eingesetzt, an das ich glaube. Aber ich hatte das Gefühl, dass ich seither eine geringere Rolle spiele.

In den vergangenen Wochen haben wir viel Zeit mit verschiedenen Investorengruppen verbracht und verschiedene Interessenten getroffen. Aber ich kann einfach nicht mehr alles in meinem Kalender unterbringen. Schon gar nicht Anfang kommenden Jahres, wenn ich versuche, mich auf Augusta und all die anderen wichtigen Turniere vorzubereiten. Und dann ist es besser, wenn jemand anderes mit mehr Zeit und Energie meinen Platz einnimmt. “

Rory McIlroy über seinen Rücktritt als Player Director im Policy Board der PGA Tour


Haus in London, Clubmitgliedschaft in Surrey

Sowieso: Der 34-Jährige nabelt sich ab. Er plant seine private Zukunft schon nicht mehr in den USA, hat für seine Familie ein Haus in London gekauft, das irgendwann mal erster Wohnsitz sein wird. Spätestens, wenn Töchterchen Poppy in ein paar Jahren auf die weiterführende Schule geht. Womöglich ist dann auch der Fokus auf die PGA Tour passé, McIlroy fühlt sich eh als globaler Golfer. Eine neue sportliche Heimat hat der vierfache Majorsieger jetzt schon. Er ist seit kurzem Mitglied im Queenwood Golf Club in der Heide von Surrey, einem von Englands exklusivsten Ensembles.

 

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