PGA Tour

Der Restart der PGA Tour: Ein gewaltiges Experiment

11. Jun. 2020 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Das Restart-Experiment der PGA Tour. (Foto: Getty)

Das Restart-Experiment der PGA Tour. (Foto: Getty)

Anzeigen wie diese tragen dazu bei, dass Golf Post kostenlos bleibt. Anzeigen entfernen

Golf is back. Drei Worte, die alle elektrisieren. 147 Professionals, ein Amateur und ihre Caddies haben sich in Houston/Texas zum Restart der PGA Tour versammelt, begleitet von einer Handvoll Offizieller, Helfer, Medienmenschen. Mit dem ersten Abschlag im Colonial Country Club durch Lokalmatador Ryan Palmer markiert die Charles Schwab Challenge ein neues Kapitel Turniergolf in einer vom Corona-Virus veränderten Welt. In der man schwankt zwischen freudiger Erwartung dieser neuen Sportrealität und banger Betrachtung der Umstände. Mit 1.001 Fragen.

Der Colonial Country Club

PGA Tour als Vorreiter aller US-Sportspektakel

Womöglich war der Fokus auf Golf nie so geschärft wie an diesem Wochenende. Nicht allein, weil die PGA Tour ihren ureigenen Kanonenstart zelebriert – sie versucht sich vielmehr als erstes aller großen US-Sportspektakel an einer neuen Normalität, lediglich die NASCAR-Boliden drehen schon seit einer Weile wieder ihre Runden. „Alle, die wir hier sind, wissen um die Verantwortung, die damit verbunden ist“, sagte Harold Varner III dem „Golf Channel“. Und Ryan Palmer ergänzte: „Wir sollten diese Woche unbedingt ohne Panne und Corona-Probleme über die Bühne bringen und eine große Show bieten. Das ist wichtig für Golf und für den Sport generell.“

Experiment mit reduziertem Versuchsaufbau

Rund 400 Personen müssen fünf Tage lang weitgehend auf Distanz, getestet, gemanagt und gesund gehalten werden. Und das fürderhin Woche um Woche, an wechselnden Schauplätzen, mit wechselnden Gegebenheiten. Obwohl Golf bekanntlich eine selten von körperlicher Konfrontation geprägte Sportart ist, erscheint dagegen die Fußball-Bundesliga beispielsweise wie Kindergarten, kleine Gruppe. Lustig ist das nur, wenn sich Comedian und Imitator Conor Moore des Themas Hygiene annimmt:


Was PGA-Tour-Commissioner Jay Monahan und seine Truppe sich da zu stemmen vorgenommen haben, ist ein organisatorischer und logistischer Kraftakt voller Risiken, ein gewaltiges Experiment!

Zudem eins mit reduziertem Versuchsaufbau. Die Tour hat ihre vollmundigen Vorhaben gehörig runterfahren müssen, vermutlich orientiert am Realisier- und Machbaren.

Kulanz statt Konsequenz

Der ursprünglich prognostizierte Bedarf von einer Million Covid-19-Tests bis zum Saisonende ist auf nicht mal 6.000 geschrumpft. Statt der ehedem geplanten täglichen Nasen-Rachenraum-Proben mit Laborauswertung sind nur noch zwei geworden: einer bei Ankunft, einer nach Tag drei – und letztere nur für jene, die mit ins Flugzeug zum nächsten Gastspielort wollen. Ansonsten wird Temperatur gemessen, werden Fragebögen zur Selbstkontrolle ausgefüllt. Das war‘s.

Apropos Flugzeug: Die Kapazität der Boeing 737 ist auf 114 Passagiere begrenzt, notfalls wird eine zweite Maschine geordert. Dennoch werden Plätze und auch Sitzkategorien werden nach Wichtigkeit vergeben, eine gute Weltranglistenposition ist hilfreich, der Turniersieg sichert definitiv den Erste-Klasse-Trip. Sofern gewollt. Sowieso: Es gibt‘s bloß noch Empfehlungen statt Gebote. Anreise, Unterkunft, Restaurants, alles auch individuell und privat arrangierbar. Kulanz statt Konsequenz. Die ursprüngliche Idee vom Tour-Betrieb in der Blase ist damit buchstäblich geplatzt.

„Ein Sieger will jemanden umarmen“

Dazu kommt das menschliche Element. Es war schon in den ersten Stunden des neuen Miteinanders deutlich sichtbar, wie schnell gute Vorsätze obsolet sind, weil Reflexe und Automatismen die Oberhand gewinnen. Kennt wohl jeder. Da wird Faust-an-Faust gegrüßt, ohne Handschuhe; Spieler wie Brooks Koepka (mit Schnauzbart) und Ian Poulter stehen dicht beieinander, ohne Mundschutz, während nebenan ein Schild an den Mindestabstand von sechs Fuß (1,8 Meter) erinnert. Und und und …

Das wird in den kommenden Tagen und Wochen gewiss nicht besser. Der gerade vom Profigolf zurückgetretene Florian Fritsch nennt im Golf Post Talk zum Tour-Restart das Beispiel des unwillkürlich doch dem Caddie zugeworfenen Schlägers, obwohl der die Griffe gar nicht anfassen soll und eh auf Distanz zu seinem Chef bleiben muss. Und sagt: „Ich möchte den Spieler sehen, der nach einen verwandelten Zehn-Meter-Putt zum Turniersieg teilnahmslos rumsteht. Der will jemanden umarmen, und er wird auch wen finden!“ Als ob es per se nicht schon genug Unsicherheiten und Unwägbarkeiten gibt.

Was ist, wenn es nicht gut geht?

Ob das alles gut geht? Und wenn nicht? Natürlich ist auch der bittere Ernst im 37-seitigen Corona-Konzept der Tour vorgesehen. Naturgemäß spricht man indes nicht gern über die Konsequenzen eines oder gar mehrerer positiver Covid-19-Tests, verweist stattdessen auf die dann greifenden Vorschriften des jeweiligen Bundesstaats und darauf, dass die Tour Betroffene bei der notwendigen Quarantäne unterstützt, mit einem angemessenen Quartier und überdies wirtschaftlich.

Bedingung ist freilich, dass der Betroffene sich zuvor an alle „Empfehlungen“ gehalten und z. B. überdies die bereits während der zweiwöchigen häuslichen Quarantäne vor dem Restart erbetene intensive SARS-CoV-2-Überprüfung absolviert hat. Unausgesprochen bleibt, dass der Tour-Zauber ein jähes Ende haben dürfte – mindestens vorläufig –, falls Infektionsfälle geballt auftreten oder sich häufen. Weiter mag man nicht denken.

Eindrücke vor dem Restart der...

Sportliche Fragen eher im Hintergrund

All die anderen Fragen treten angesichts dieser aufgeweichten Ambitionen eines restriktiven Veranstaltungsmanagements in den Hintergrund. Wie wird es um die Atmosphäre bestellt sein, da der Weltranglistenerste Rory McIlroy und ein mit Majorsiegern und sonstigen Hochkarätern wie Bernhard Langer gespicktes Feld auf einer Art Übungsrunde um den Siegerpott von 1,35 Millionen Dollar unterwegs sind, weil kein Publikum Spalier steht, nicht mal Tribünen aufgebaut sind? Wie kommen die Spieler damit zurecht, wer kommt überhaupt wie aus dem Lockdown? Viktor Hovland hat sich in der Vorbereitung die Hände zerschunden, um den Rost abzuschlagen; Jordan Spieth hingegen war geradezu froh über die Zwangspause und glaubt die Zeit genutzt zu haben, um seine diversen golferischen Wehwehchen auszukurieren.


Nicht zuletzt: Wie geht es den Ausrichtern, den Turnierstandorten mit diesen vorerst zuschauerlosen Events. Ihnen fehlen die Einnahmen aus Ticketverkauf, aus den Verpflegungsständen auf dem Platz, aus Pro-Ams, Hospitality- und Sponsoren-Zelten – viele Firmenvertreter verspüren ohnehin wenig Lust, unter diesen Umständen großes Golf zu genießen. Auch diese Blessuren wird die Tour verarzten müssen, wahrscheinlich mit einem Dollar-Pflaster.

Willkommen in der neuen Golfwelt. Es bleibt abzuwarten, ob‘s eine schöne wird, solange das Virus mitspielt. Wie gesagt: Zuvorderst ist es ein gewaltiges Experiment mit skurrilen Facetten.

Die Stars und Favoriten bei de...

Anzeigen wie diese tragen dazu bei, dass Golf Post kostenlos bleibt. Anzeigen entfernen
Anzeigen wie diese tragen dazu bei, dass Golf Post kostenlos bleibt. Anzeigen entfernen

Feedback