Golf in Deutschland

„Die Inflation wird den organisierten Golfsport weitere Mitglieder kosten“

31. Jan. 2023 von Michael F. Basche in Stuhr, Deutschland

Mit professioneller Arbeit und effizienter Mitgliederbindung überstehen gut geführte Anlagen solche schwierigen Zeiten. (Foto: Golf in Hude)

Mit professioneller Arbeit und effizienter Mitgliederbindung überstehen gut geführte Anlagen solche schwierigen Zeiten. (Foto: Golf in Hude)

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Die Lage ist ambivalent. Der deutschen Wirtschaft geht es angeblich nicht so schlecht, wie allenthalben geunkt worden ist. Und die Inflationsrate soll wieder sinken, sich von durchschnittlich 7,9 Prozent im vergangenen Jahr auf prognostizierte sechs Prozent für 2023 reduzieren. Beim näheren Hinsehen sieht das Bild ein wenig anders aus: Das Plus im Brutto-Inlandsprodukt betrug 2022 tatsächlich nur 1,8 Prozent – ein Nichts für die doch so kraftstrotzende deutsche Wirtschaftsmaschinerie. Für die kommenden Monate werden gerade mal 0,2 Prozent Wachstum erwartet, das ist gefährlich nah an der von manchen für 2023 gefürchteten Rezession. 8,6 Prozent Teuerung im Dezember 2022 sind ohnehin bei weitem nicht angetan, den Bürger beim Einkaufen glücklich zu machen – selbst wenn die Verbraucherpreise gegenüber dem November immerhin um 1,4 Prozent gesunken sind.

„Zahlen sind nicht so gut wie sie klingen“

Sorry, das musste jetzt zum Einstieg sein. Wiewohl ohnehin nahezu jeder beim Blick ins Portemonnaie feststellt, was die Statistik unterfüttert: Der sauer verdiente Euro ist deutlich weniger wert, die fetten Jahre der deutschen Wohlstandsgesellschaft sind vorbei, Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Energieknappheit und Inflation bilden die Eckpfeiler der Kostenkrise. „Die Zahlen sind nicht so gut wie sie klingen“, hat Professor Marcel Fratzscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, vergangene Woche im ZDF-„heute journal“ bestätigt. Es werde zwar ein optimistisches Szenario gezeichnet, „doch es kann viel schiefgehen: eine Eskalation des Kriegs, wieder steigende Energiepreise, Lieferkettenprobleme durch Handelskonflikte …“

Preise steigen weiterhin, nur langsamer

Als ob wir all das nicht eh schon hätten. Summa summarum: Die Preise steigen weiterhin, nur langsamer. „Für die allermeisten Menschen wird das Jahr 2023 bedeuten: Eine Entwertung des Gelds, die deutlich über der Lohnsteigerung liegt“, sagt Fratzscher. Die eingangs erwähnte Ambivalenz lässt sich 1:1 auf die Golfszene übertragen. Ja, beim Deutschen Golf Verband (DGV) in Wiesbaden und mancherorts sonst wo freut man sich über 1,3 Prozent Mitglieder-Wachstum im organisierten Golfsport. Das freilich ist bloß eine Momentaufnahme in anhaltend schwierigen Zeiten. Zumal die Erhebungen sich stets am Stichtag 30. September ausrichten und somit selbst die noch als Mitglieder gezählt werden, die bereits zum 31. Dezember gekündigt haben.

Wirtschaftsexperten aus aller Herren Länder erwarten übrigens laut einer Umfrage Inflationsraten von 7,1 Prozent für 2023, von 5,8 Prozent für 2024 und von 4,5 Prozent für das Jahr 2026 (Quelle: ifo Institut). Zum Vergleich: Im Corona-Jahr 2021 lag die Teuerungsrate bei 3,1 Prozent. Und da wurde schon mächtig gestöhnt.

„Rotstift bei den Freizeitbetätigungen“

Was wunder, dass auch Dr. Reinhard Koss beim Blick in die Glaskugel für 2023 vor allem „Krise“ sieht: „Wenn gespart werden muss, setzt man den Rotstift zuerst bei den Ausgaben für Freizeitbetätigungen wie Golf an“, glaubt der Branchenkenner aus Stuhr bei Bremen. Koss ist gelernter Bankkaufmann, vereidigter Sachverständiger für Wirtschaftlichkeitsbewertung von Golfanlagen sowie Geschäftsführer von Golf in Hude und der Golfanlage Syke, kennt also sämtliche Seiten und Ränder der Medaille. Golf Post hat mit ihm über die Situation auf den deutschen Golfanlagen und die möglichen Auswirkungen des Wohlstandsverlusts gesprochen.

Dr. Reinhard Koss, vereidigter Sachverständiger für Wirtschaftlichkeitsbewertung von Golfanlagen sowie Geschäftsführer von Golf in Hude und der Golfanlage Syke. (Foto: Dr. Reinhard Koss)

Golf Post: Herr Dr. Koss, hat uns die Krise schon Golfer gekostet?

Dr. Reinhard Koss: „Von den eigenen Anlagen weiß ich, dass wir in Sachen Mitglieder plus-minus Null aus dem Golfjahr 2022 heraus gekommen sind. Ich schätze allerdings, dass vermehrt Leute ihre Golfmitgliedschaft kündigen werden oder mindestens ruhen lassen. Wer rechnen muss, wird das sicherlich als erstes aufgeben.“

„Es wird weitere Austritte geben“

Golf Post: Noch freut sich die Szene über Zuwachs.

Dr. Koss: „Ja, aber ich glaube sowieso, dass die Krise zeitverzögert bei den Golfern ankommt. Deren wirtschaftliche Verhältnisse erlauben tendenziell sicherlich, dass sie sich Golf und anderes noch eine Weile leisten können. Doch wenn die Krise andauert, wird sie diese Klientel gleichermaßen erreichen und es wird weitere Austritte geben.“

Golf Post: Lässt sich diese Einschätzung auf die „Lebensdauer“ von Anlagen übertragen?

Dr. Koss: „Es gibt Anlagen, die gut dastehen, die das wegstecken können …“

Golf Post: … weil sie vorgesorgt haben?

Dr. Koss: „Weil sie gute Arbeit geleistet und einen stabilen Mitgliederstamm haben. Wer ausreichend Mitglieder hat, gerät nicht so schnell in Probleme. Andererseits gibt es eine ganze Reihe von Anlagen, die an der Minimum-Mitgliederzahl kratzen. Eine 18-Loch-Anlage mit 400, 500 Vollzahlern kann kaum kostendeckend sein. Das war vor der Krise schon so – und jetzt erst recht. Das sind all jene Anlagen, bei denen man sich schon seit Jahren fragt: Wie machen die das? Und jetzt ist der Punkt gekommen, wo sie es nicht mehr machen.“

„Preissteigerungen lassen sich nicht 1:1 weitergeben“

Golf Post: Trotz des positiven Aspekts von Corona?

Dr. Koss: „Naja, die Leute wollten raus an die frische Luft. Also gab es einen großen Zulauf. Einige haben den Zuwachs jedoch nicht halten oder in nachhaltiges Wachstum umsetzen können. Wenn die neuen Mitglieder nach zwei Jahren wieder weg sind, dann ist auf der Anlage etwas falsch gelaufen.“

Golf Post: Gilt die Rentabilitäts-Faustformel „800 Mitglieder pro 18-Loch“ noch?

Dr. Koss: „Vor der Krise haben 800 Mitglieder gereicht. Das ist jetzt sicher anders. Die Preise sind nun mal nicht nur um zehn Prozent gestiegen, wie der Warenkorb uns glauben macht. Im Golfbereich gibt es Preissteigerungen von 30 Prozent. Die lassen sich nicht 1:1 an den Kunden weitergeben. Golfmitgliedschaften sind in punkto Preis extrem sensibel: So was wird als erstes gestrichen, wenn es mit der privaten finanziellen Situation schwierig wird. Und: Man muss ja nicht unbedingt Mitglied eines Clubs sein, um ab und an Golf zu spielen. Wenn also der Kostendruck um 30 Prozent zunimmt, sich die Einnahmen aus den Mitgliedschaften indes allenfalls um fünf Prozent erhöhen lassen, ist das eine offensichtliche Minusrechnung.“

„Es trifft jede Anlage, einige halt sofort“

Golf Post: Auf Dauer kommen dann die geschätzt 25 Prozent an gut aufgestellten Anlagen in Deutschland ebenso ans Ende ihrer Substanz?

Dr. Koss: „Das ist so. Es trifft jede Golfanlage: Die einen sofort, die anderen mit Verzug, die es momentan noch gut wegstecken können. Ich kenne allein hier im weiten Norden zwei Anlagen, die enorme Probleme haben, eine ist bereits insolvent. Denen ging es nie sonderlich gut, Stichwort kleines ländliches Einzugsgebiet. Die Krise hat den Niedergang mit Sicherheit befeuert. Und neue Betreiber oder Investoren stehen nun mal nicht Schlange: Es kommt immer auf die Struktur der jeweiligen Anlage an. Einige sitzen auf eigenen Grundstücken. Das ist Kapital, vergleichbar mit ,Betongold’. Investoren legen ihr Geld schon gern in Grund und Boden an, Es geht primär gar nicht immer um den Golfbetrieb. Die meisten Golfanlagen haben allerdings halt nur Pachtverträge.“

Bei Platzpflege und im Personalbereich herrscht derzeit auf Deutschlands Golfanlagen der größte Kostendruck. (Foto: Golfclub Syke)

Platzpflege und Personal als Preistreiber

Golf Post: Es wird viel über die Energiekosten geklagt, doch das sind nicht die wahren Preistreiber, oder?

Dr. Koss: „Nein, Energie ist generell nicht das schlimmste Thema. Der stärkste Posten sind Platzpflege mit 25 Prozent und Personal mit 14 Prozent, wie es im Branchenbarometer des DGV ausgewiesen ist. Gerade die Pflegekosten sind dramatisch gestiegen, anders kann ich das nicht nennen. Alles was man an Material kaufen muss: Düngemittel, Saatgut, Sand. Von Maschinen und Ersatzteilen gar nicht zu reden. Jeder Zulieferer verspürt den Kostendruck und gibt ihn an den Kunden weiter. Dazu kommt der Personalblock. Die Mitarbeiter spüren die Preissteigerungen im privaten Haushalt und fragen beim Arbeitgeber nach mehr Geld.“

Der Weg zum Platz wird zu teuer

Golf Post: Als Fazit: Was sehen Sie, wenn Sie für 2023 in die Glaskugel schauen?

Dr. Koss: „Ich sehe Krise. Ich gehe fest davon aus, dass die Inflation auf hohem Niveau bleibt. Der Krieg wird ebenfalls weitergehen. Die Rahmenbedingungen verbessern sich damit mal so gar nicht. Und immer mehr Menschen werden sensibel bei ihren Freizeitausgaben. Ich hatte Gespräche mit Mitgliedern, die mir gesagt haben, sie würden gern Golf spielen, und der Beitrag sei ebenfalls nicht das Problem. Anderseits wollten oder könnten sie es sich nicht mehr leisten, drei Mal pro Woche zur Golfanlage zu fahren, und nennen das als Grund für ihre Kündigung. Es sind Menschen, die es womöglich nicht unbedingt nötig haben, die gleichwohl irgendwo mal anfangen müssen, über Geld nachzudenken. Einer der allerersten Punkte ist dann leider Golf. Andererseits sollte man nicht pauschal in Schwarzmalerei verfallen. Jede Krise bietet bekanntlich Chancen: Mit professioneller Arbeit und effizienter Mitgliederbindung überstehen gut geführte Anlagen solche schwierigen Zeiten.“

Golf Post: Herr Dr. Koss, besten Dank für das Gespräch.

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