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Die neue LPGA-Chefin und ihr Kampf gegen das Preisgeld-Ungleichgewicht im Profigolf

01. Jan. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Große Ambitionen von Mollie Marcoux Saaman (Foto: Getty)

Große Ambitionen von Mollie Marcoux Saaman (Foto: Getty)

Marcoux Samann, Mollie Marcoux Samaan. Der Name ist etwas sperrig, nicht ganz so einprägsam wie der von Mike Whan. Doch es lohnt, ihn sich zu merken. Eher still und leise hat die vormalige Sport-Direktorin der Universität von Princeton im Mai das Amt des LPGA-Commissioner übernommen – allein schon deswegen, weil hierzulande kaum jemand hinter die Kulissen des weiblich dominierten Golfbusiness schaut. Der Schatten von „Mike dem Macher“ ist lang, in seiner elfjährigen Amtszeit hat er aus der darbenden Damenliga einen prosperierenden Circuit gemacht; mit der Verkündung der neuen Rekordsaison 2022 indes hat auch Marcoux Samaan einen ersten kräftigen Aufschlag hingelegt.

„Unterbewertetes Potenzial“ im Frauensport

34 Turniere und ein Rekordpreisgeld von 85,7 Millionen Dollar, knapp zehn Millionen mehr als in der gerade beendeten Saison – das lässt sich nicht im Alleingang erledigen, und seit Mai schon gar nicht. Natürlich hat die einstige studentische Eishockey- und Fußballspielerin von Whans Vorarbeit profitiert. Und: „Der Frauensport ist auf dem Vormarsch und wird verstärkt wahrgenommen. Den Leute dämmert, dass da unterbewertetes Potenzial schlummert“, verdeutlicht Marcoux Samaan., die künftig nach Princeton-Vorbild per App mit ihren Aktiven Kontakt hält. „Das Momentum ist auf unserer Seite, wir müssen den Wert unseres Sports nur noch mehr hervorheben.“

Einbruch in die Gefilde der Männer

Die dritte Frau an der Spitze der 1950 gegründeten LPGA nach Whan-Vorgängerin Carolyn Bivens und der dazwischen für drei Monate als Interims-„Commish“ fungierenden Zwei-Sterne-Admiralin Marsha J. Evans beabsichtigt genau das mit ihrer Arbeit im neuen Amt. Marcoux Samaan fand bei der Übernahme zwar ein wohlgepolstertes Nest vor, aber Stillstand ist nun mal Rückschritt, wenn sich drumherum alles nach vorn bewegt. Als Nummer neun auf dem Posten will sie der Tour gleichermaßen ihren Stempel aufdrücken und pflegt ambitionierte Absichten. Nämlich in die Gefilde der Männer einzubrechen.

In quasi physischer Hinsicht ist das schon mal gelungen. Mit der AIG Women’s Open als Gast der Honourable Company of Edinburgh Golfers auf den ikonischen Links von Muirfield und mit der KPMG Women’s PGA Championship im elitären Congressional Country Club betritt die LPGA im kommenden Jahr ein Terrain, das ihr bislang verwehrt geblieben war.

„Gender-Pay-Gap“ weiter schließen

Mittelfristig soll auch der finanzielle Durchbruch folgen. Marcoux Samaan hat sich den Kampf gegen die „Gender-Pay-Gap“ auf die Fahne geschrieben, sie will die Kluft zwischen den Geschlechtern bei der Bezahlung, sprich bei den Preisgeldern, mindestens signifikant verringern und am liebsten ganz schließen, wenngleich das als fast utopisches Unterfangen erscheint. „Das wirklich große Ziel ist, diese Lücke aus der Welt zu schaffen; dafür zu sorgen, dass die Top-Spielerinnen von ihrem Können auch wirklich leben können.“

Zum Überleben stets in den Top-Drei

Als eine Art Reverenz mag die Symetra-Tour-Spielerin Hannah Gregg dienen, die bei „Golf WRX“ berichtet, was schon ein Jahr in den unterklassigen US-Berufsspielerinnen-Ligen mindestens kostet: rund 50.000 Dollar, selbst bei bescheidenster Lebensführung. Doch sogar auf der bestgestellten dieser „Entwickungstouren“, der Women’s All Pro Tour (WAPT), bringt ein Turniersieg maximal 5.000 bis 7.000 Dollar; andererseits liegt der Aufwand jedes Mal bei 1.500 bis 2.000 Dollar. Die Rechnung ist schnell gemacht: Da muss man schon bei jedem Event in den ersten Drei landen, um zu überleben – nicht nur für Gregg ein „Ding der Unmöglichkeit“: „Auch die Besten verpassen mal einen Cut oder haben eine Schwächeperiode.“

„Selbst noch so talentierte Spielerinnen steigen aus“

Irgendwann wird Aufgeben zur einzigen Alternative. „Viele Mädchen hängen die Schläger allein deswegen an den Nagel, weil sie sich die Q-School nicht leisten können, das teuerste Turnier des Jahres. Aber ohne Q-School kein Tour-Status und folglich kaum Turniere“, stellt Hannah Gregg klar. Sie wird unter anderem von der ehemaligen LPGA-Proette Anya Alvarez bestätigt, die via Twitter ihren 2013er-Haushaltsplan für ein Jahr Symetra Tour veröffentlicht und von Start- bis Mautgebühren alles dezidiert budgetiert hat: „Selbst noch so talentierte Spielerinnen steigen aus, weil es finanziell nicht machbar ist.“ Dabei sei Damengolf definitiv ein Qualitätsprodukt, konstatieren beide, das müsse endlich anerkannt werden.

Ein Anfang ist mittlerweile gemacht. Zumindest auf der LPGA-Tour. CME-Group-CEO Terry Duffy hat fürs kommende Finale noch mal was draufgelegt: Die Gewinnerin der CME Group Tour Championship 2022 kassiert zwei Millionen Dollar, die 60. und letzte Teilnehmerin bekommt immerhin noch 40.000 statt der diesjährigen 11.399 Dollar. Auf reguläre Turniere heruntergebrochen bedeutet das: „Wenn du den Cut überstehst, wie viel Geld bekommst du dann für einen Platz nahe der Cutlinie? Reicht dieser Erlös für die Kosten und zum Leben?“, lautet Marcoux Samaans rhetorische Frage. „Es ist wichtig, das gründlich zu analysieren; und ich denke, Industriepartner und Sponsoren sehen es ähnlich.“

Neue Bonus-Wertungen

Das diesbezügliche Umdenken hat sich bereits in den vergangenen Jahren angedeutet – beispielsweise, wenn Werbepartner ihre Unterstützung nicht einstellten, obwohl die gesponserte Athletin eine Mutterschafts-Auszeit nahm.

In einem ersten Schritt will „Commish MMS“ nun die Off-Season dazu nutzen, mit ihrem personell vergrößerten Team und Vertretern der Wirtschaft über weitere Bonus-Wertungen oder ähnliches nachzudenken, analog zur Aon Risk Reward Challenge, bei der für die beiden Top-Leute auf PGA und LPGA Tour jeweils eine Million Dollar ausgeschrieben ist. Hier herrscht bereits finanzielle Gleichberechtigung.

Im Kalender ist noch Luft nach oben

Auch die von Mike Whan noch als ideal bezeichneten 34 Turniere pro Spielzeit sind für Marcoux Samaan kein ehernes Maß. „Wenn man auf den Kalender schaut, dann sehe ich da noch Luft nach oben“, sagt sie. „Wir müssen einfach unablässig daran feilen, die richtige Balance von Turnieren und Preisgeldern zu haben.“ So formt man ein erfolgreiches Produkt.

Und das muss dann der Öffentlichkeit nahe gebracht werden. Deswegen gibt’s demnächst im Hauptquartier in Daytona Beach/Florida, wo diesbezüglich bislang eher mit Stückwerk agiert wurde, eine eigenständige Marketingabteilung. Marcoux Samaan will ohnehin die externe Kommunikation intensivieren, mehr Bilder und Inhalte nach draußen transportieren: „Wir müssen unsere Themen viel offensiver, ja aggressiver herausstellen und vermitteln!“

„Mit der Truppe hier kann ich marschieren“

Es wird ihr dabei ergehen wie „manchmal in früheren Jobs“, dessen ist sich „die Neue“ bewusst: „Leute kamen und sagten, das gehe alles viel zu schnell, es sei zu viel Energie im Spiel. Manchmal musste ich mich ein bisschen bremsen.“ Da ist Molly Marcoux Samaan wie ihr Vorgänger, bekanntlich mittlerweile Boss des amerikanischen Golfverbands USGA. Doch sie hat halt auch Mike Whans eingespielte Belegschaft übernommen: „Mit dieser Truppe kann ich marschieren. Hier ist man Schnelligkeit und Intensität gewohnt.“ Die LPGA-Erfolgsgeschichte geht weiter.

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