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Geisterspiele im Profi-Golf: Flickenteppich PGA Tour startet ohne Fans

07. Mai. 2020 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Leere Ränge und Turniere ohne Zuschauer - Wird dieses Bild auf der PGA Tour zur Normalität? (Foto: Getty)

Leere Ränge und Turniere ohne Zuschauer - Wird dieses Bild auf der PGA Tour zur Normalität? (Foto: Getty)

Wann, wo, wie? Im Profi-Golf wird fieberhaft am Puzzle einer vom Corona-Virus zerfledderten Saison gearbeitet, und noch stecken mehr Fragezeichen auf dem Bild, als dass sich klare Konturen ergeben. Nach Stand der Dinge hat die PGA Tour den Kick-off ihres überarbeiteten Kalenders für den 11. bis 14. Juni angesetzt, dann soll die fast dreimonatige Turnierpause mit der Charles Schwab Challenge in Houston enden.

PGA Tour: Provisorischer Spielplan mit heißer Nadel

So hat es Commissioner Jay Monahan vor der offiziellen Bekanntgabe am vergangenen Freitag laut einem Insiderbericht von „Golf Digest“ per Video-Konferenz mit dem Spieler-Beirat besprochen und wurden auch die Tour-Mitglieder per Mail unterrichtet. Ob‘s wirklich entsprechend kommt, weiß gleichwohl niemand. Das gilt für den gesamten provisorischen Spielplan, der in Ponte Vedra Beach mit der heißen Nadel gestrickt wurde. Corona und Covid-19 allein diktieren das Weltgeschehen.


Beispiel Charles Schwab Challenge. Ja, das Event profitiert von der Absage der Canadian Open und kann somit auf deren Termin rutschen. Aktuell indes sind Einreisen aus anderen US-Bundesstaaten nach Texas mit einer zweiwöchigen Quarantäne verbunden, über Restriktionen für internationale Ankünfte braucht angesichts des auch im Wortsinn am Boden liegenden Flugverkehrs erst recht nicht geredet zu werden.

Dabei halten sich dieser Tage schätzungsweise 60 Spieler und deren Caddies außerhalb der USA auf. Obwohl Chef-Turnierdirektor Andy Pazder „nicht 110-prozentig sicher, aber sehr optimistisch“ ist und es womöglich für die Betreffenden Ausnahmen von den Reisebeschränkungen geben könnte: Allein vor diese Hintergrund steht auch die zweite Juni-Woche noch auf wackeligen Beinen.

RBC Heritage auf dem US-Open-Termin

Was mit Sicherheit gesagt werden kann: Im Mai und Anfang Juni fällt Tour-Golf komplett aus. Die für das Monatsende noch auf dem offiziellen Plan vermerkte Rocket Mortgage Classic in Dallas ist für Anfang Juli angesetzt; Jack Nicklaus‘ darauf folgendes Memorial Tournament wandert auf den etatmäßigen Termin der Open Championship vom 16. bis 19. Juli; nach dem avisierten Re-Start mit der Charles Schwab Challenge will die PGA Tour die RBC Heritage auf Hilton Head Island am originären US-Open-Termin (18. bis 21. Juni) durchziehen. Der ist bekanntlich frei, weil das Major im Winged Foot Golf Club nun für September (17. bis 20.) disponiert wurde.

Kritiker sprechen von „wildem Optimismus“

Selbst dafür gibt es erneut alternative Überlegungen aufgrund der Nähe zum Corona-Hotspot New York. Die USGA hat Konzepte in der Schublade, ihr Highlight notfalls auch im Dezember auszutragen, dann allerdings in Pebble Beach oder etwa in Torrey Pines, „um einen Austragungsort zu gewährleisten, der klimatisch und von der Platzqualität zu dieser Jahreszeit passt“, erzählte USGA-Marketing-Direktor Craig Annis dem Portal „Golfweek“.

So oder so: Der Profigolf-Zirkus ist 2020 ein schier unübersichtlicher Flickenteppich von geringer Halbwertzeit und hohem Verfallsrisiko. An allen Ecken und Enden wird gezogen, gekappt, umsortiert. Kritiker wie US-Journalist Geoff Shackelford bezeichnen das Timing als „wilden Optimismus“.

Größere Teilnehmerfelder, keine Zuschauer

Und was auch immer wann tatsächlich ausgetragen wird: Es werden Geisterspiele. Mit größeren Teilnehmerfeldern zwar, solange die Tagesstunden das hergeben, und auch mit Parallelveranstaltungen. Um möglichst vielen Akteuren die Möglichkeit zu geben, ihrem Broterwerb nachzugehen. Aber ohne Fans.

„Es ist zu erwarten, dass alle kurz- und mittelfristig angesetzten Turniere nicht vor Zuschauern stattfinden werden“, schrieb „Golf Digest“. „Die Tour wird sehr sorgfältig darauf achten, den angeordneten Gesundheits- und Sicherheitsrichtlinien zu folgen.“ Für die ersten vier Stationen des neuen Kalenders hat „Commish“ Monahan das bereits bestätigt.

PGA Championship als reines TV-Turnier?

Auch die PGA of America hat sich darauf eingerichtet, ihr Major vor leerer Kulisse zu inszenieren. „Wenn das der sicherste oder der einzig mögliche Weg für die PGA Championship ist, dann werden wir das so machen“, erklärte CEO Seth Waugh in einem Radio-Interview zum August-Termin in San Francisco (6.bis 9.), dem dann das um eine Woche versetzte Tour-Finale bis zur Tour Championship vom 3. bis 7. September folgt: „Wir glauben, dass auch ein reines TV-Event es allemal wert ist, ausgetragen zu werden – ob nun Fans zugelassen sind oder nicht. Die Welt sehnt sich nach etwas Unterhaltung, besonders in Sachen Sport.“

Eine Million Corona-Tests für den Tour-Betrieb

Die Verbände und besonders die Tour stehen nicht zuletzt vor der Mammutaufgabe, jedes mal Corona-Tests zu organisieren und zu gewährleisten – bei Spielern, Caddies, Tour-Offiziellen und -Personal, TV-Leuten, freiwilligen Helfern. „Das muss passieren, ohne den generellen Mangel an entsprechenden Tests nicht noch weiter zu belasten“, betonte Monahan und sprach von einer Million Testkits allein für den Tour-Betrieb. „Wir vertrauen auf die Aussage der medizinischen Experten, dass es klappen kann.“

Sisyphusarbeit nach derzeitigem Stand kaum zu leisten

Bis neuen Saisonende mit dem Masters gastiert der Zirkus in 26 Städten, und „wir müssen darauf achten, bei jedem ,Umzug‘, auf jeder Anlage, in jedem Augenblick größtmögliche Sicherheit zu schaffen“, ergänzte der „Commish“. Eine Sisyphusarbeit, die nach derzeitigem und absehbarem Stand der Test- und Gesundheitsversorgung kaum zu leisten ist.

Für Dr. Anthony Fauci, Amerikas Top-Virologen und -Immunologen, sind publikumsfreie Wettbewerbsstätten und gesundheitlich unbedenkliche Akteure ohnehin die einzige Möglichkeit für Sportveranstaltungen im Sommer. „Lass niemanden in die Arenen, bring die Spieler in großen Hotels unter, überwache ihre Kontakte, teste sie jede Woche und lass sie die Saison zu Ende spielen – nur auf diese Weise kann es gehen“, konstatierte der oberste Gesundheitsberater des US-Präsidenten, dem Donald Trump offenkundig nicht besonders gut zuhört.

Bloß Trump glaubt an Golfturniere mit Fans

Die Bevölkerung dafür umso mehr. Gemäß einer Erhebung des Wirtschaftszweigs der Seton Hall Universität in New Jersey wollen 72 Prozent der Befragten solange keine Sportveranstaltungen besuchen, bis ein Impfstoff gegen das Corona-Virus und Covid-19 entwickelt und verfügbar ist. Es scheint, als sei POTUS Trump der einzige, der es toll fände, im August und September Golfturniere mit Zuschauern zu erleben.

Das hat „The Donald“ jedenfalls bei einer Telefonkonferenz mit Monahan, LPGA-Boss Mike Whan und 10 anderen Repräsentanten großer US-Sportverbände durchklingen lassen. Der Mann im Weißen Haus ist freilich ein verlässlicher Indikator für Prognosen, die selten zutreffen.

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