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Genialer Geist, Übervater und Patriarch: Die Golfwelt feiert Old Tom Morris

16. Jun. 2021 von Michael F. Basche in St. Andrews, Schottland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Old Tom Morris wurde vor 200 Jahren geboren. (Foto: Getty)

Old Tom Morris wurde vor 200 Jahren geboren. (Foto: Getty)

Als lebensgetreues Standbild steht er über dem Platz und schaut auf sein Werk, wie es schon Deutschlands großer Dichter Friedrich Schiller in anderem Zusammenhang beschrieben hat: „… mit vergnügten Sinnen.“ Rosapenna hat Old Tom Morris ein besonders prägnantes Denkmal errichtet, aber nicht nur im irischen Resort weiß man, was die Golfwelt diesem Mann zu verdanken hat: schlichtweg alles!


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Heute vor 200 Jahren, am 16. Juni 1821, wurde der „Godfather of Golf“, der Übervater und, ja, auch „Pate“ des Spiels als Sohn eines Leinenwebers im „Home of Golf“ St. Andrews geboren – was theoretisch nicht ganz stimmt, denn vor allem Morris hat „The Auld Grey Toun“ erst und endgültig zur Kathedrale des Golfsports avancieren lassen – mit seiner Arbeit als „Custodian of the Links“ auf dem Old Course, mit seiner Strahlkraft am Schläger, mit seinen Open-Championship-Triumphen, vor allem aber mit seinem innovativen Geist, mit seinem Genius als Kursschöpfer und Greenkeeper.

Freilich, wer weiß, ob alles auch so gekommen wäre, wenn der „Azubi“ Thomas Mitchell Morris Sr. nicht 1851 von seinem Lehrherrn, dem berühmten Allan Robertson, gefeuert worden wäre.

Der Lehrling war geschäftsschädigend

Robertson war damals der Herr über den Old Course und bester Golfer seiner Zeit. Mit Preisgeld-Wettspielen, Schlägerbau, Greenkeeping und vor allem mit der aufwändigen Herstellung der noch gebräuchlichen Featherie-Bälle in reiner Handarbeit verdiente er richtig gutes Geld. Und dann erdreistete sich Mitarbeiter Morris, statt der Produkte seines Meisters einen der neumodischen, wesentlich preisgünstigeren, weil mechanisch produzierbaren, sowie deutlich langlebigeren Guttapercha-Bälle zu benutzen – für Robertson war der Lehrling damit ein Nestbeschmutzer und Geschäftsschädiger, der Rausschmiss die unweigerliche Konsequenz.

In Prestwick freuten sie sich. Die angehende Golf-Koryphäe, durch die Foursome-Matches mit Robertson als Spieler schon einigermaßen berühmt, war frei. Ein gewisser Colonel James Ogilvie Fairlie, der Morris ohnehin bereits protegiert hatte, vermittelte den „Rising Star“ an die Westküste. 1851 trat der damals 30-Jährige mit Frau Agnes und dem zweitgeborenen Baby Tommy Jr. (der erste Thomas Morris Jr. war 1850 mit vier Jahren verstorben) seinen Dienst in Prestwick an und machte in der Folge aus der Golfwiese des neuen Clubs einen ordentlichen Platz. Auf dem Zwölf-Loch-Kurs fand 1860 die erste Open Championship statt, um den sportlichen Nachfolger des 1859 verstorbenen Allan Robertson zu ermitteln.


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Beachtliches Salär in St. Andrews

Morris wurde bei der Premiere Zweiter und gewann drei Mal, bevor er Ende 1864 nach St. Andrews zurückkehrte, wo man ihm den verwaisten Job des „Links-Hüters“ angedient hatte. 50 Pfund jährlich gab‘s dafür, plus 20 Pfund Budget für Fremdleistungen. Damals ein beachtliches Salär. Die Einnahmen aus dem Pro-Shop gingen sowieso in Morris‘ Tasche.

Als erste Amtshandlung quasi separierte „der Neue“ die Eins und die 18, machte eigenständige Bahnen aus dem Auftakt und dem Schlussloch. Ansonsten wurde der Platz weiterhin in beide Richtungen bespielt, „out“ und „in“ nebeneinander über die ausladenden Fairways. Noch heute haben nur die Löcher eins, neun, 17 und 18 eigene Puttflächen, alle anderen Bahnen enden auf enormen Doppelgrüns, die zwei und die 16, die drei mit der 15, und so weiter. Das Doppelgrün für die Löcher fünf und 13 beispielsweise ist gut 4.000 Quadratmeter groß.

1867 holte sich der notorisch schlechte Putter Old Tom in Prestwick trotzdem die vierte Open und zog fortan mit Schubkarre und Schaufel über seinen geliebten Old Course. Oder per Eselskarren, später per Eisenbahn bzw. Dampfschiff als Golfplatz-Architekt durch die Gegend. Für das Tageshonorar von einem Pfund plus Spesen nahm der große Mann allerorten das Gelände in Augenschein und bestimmte die Positionen von Tees, Greens und Bunkern, derweil Filius Tommy Junior in die spielerischen Spuren des Vaters trat und zum Tiger Woods seiner Zeit avancierte.

Morris soll bei fast der Hälfte der 109 Linksplätze, die 1899 auf den britischen Inseln existierten, die Hand im Spiel gehabt haben. Rund 75 Plätze gehen unmittelbar auf sein strukturierendes Wirken zurück – so, wie die originären Links von Rosapenna, wo Morris 1891 als Gast des damaligen Grundherren Lord Leitrim weilte.


Den Old Course von St. Andrews, die ultimative Design-Blaupause, hatte „Mutter Natur“ in die Landschaft gelegt. Aber Old Tom Morris polierte das „Home of Golf“ im Lauf seiner 39-jährigen Tätigkeit durch Umbauten und revolutionäre Pflegemaßnahmen zur Krönung aller Plätze auf. Mit Dornoch, Lahinch oder County Down schuf er zudem grandiose Kronjuwelen.

Doglegs und Besanden, …

In Muirfield beispielsweise begründete Morris 1891 das Muster der beiden Neun-Loch-Schleifen anstelle des Out-and-in“-Schemas der Linksplätze entlang der Küste. Überdies machte er durch geschickte Platzierung von Hindernissen das strategische Design zum Standard und führte Doglegs ins Layout-Repertoire ein. Auf dem Old Course nutzte er erstmals einen Rasenmäher zum Scheren von Puttflächen und „erfand“ das Besanden der Grüns, nachdem er aus Versehen eine Schubkarre voll Sand umgekippt hatte.

… Dränage und Locheinsatz erfunden

Der Pionier, dessen 200. Geburtstag heute allerorten gefeiert wird, experimentierte mit Düngemitteln und Kompost, legte ausgewiesene Abschlagsbereiche an, „pflanzte“ Entfernungsmarken in die Fairways, entwickelte die Grassoden-Bauweise der Pottbunker („Revetting“) und eine frühe Form der Bunker-Dränage sowie den Locheinsatz für die Fahnen auf den Grüns. Schließlich förderte er das Damengolf, als er für den St. Andrews Ladies Golf Club am Rand des Old Course „The Himalayas“ anlegte, einen Putting-Kurs mit teils monströsen Konturen, der in aller Welt Nachahmung gefunden hat.


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Clever war Old Tom Morris auch. In St. Andrews handelte er eine Rente zu vollen Bezügen aus. Und jeder Club, dem er seine Unterstützung angedeihen ließ, musste sich verpflichten, fürderhin Schläger und Bälle nur aus seinem Shop zu beziehen.

Der Patriarch starb am 24 Mai 1908, hochbetagt mit 87 Jahren, als er im New Golf Club von St. Andrews auf der Treppe stürzte. Seine Legende jedoch ist unsterblich.

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