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Golf in Crail: Als ob Old Tom dir beim Abschlag über die Schulter guckt

27. Mai. 2022 von Michael F. Basche - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Golf as it was meant to be: Die Crail Golfing Society und ihre ikonischen Balcomie Links in Schottlands East Neuk. (Foto: David Basche)

Golf as it was meant to be: Die Crail Golfing Society und ihre ikonischen Balcomie Links in Schottlands East Neuk. (Foto: David Basche)

Es war einmal ein älterer Herr mit weißem Rauschebart, der durch die Lande zog und dem Homo Ludens, dem spielenden Menschen, Paradiese schuf. Bevor jetzt jemand auf falsche Gedanken kommt – gemeint ist natürlich Old Tom Morris. Wobei, und ohne blasphemischen Beigeschmack: Das mit dem Allvater kommt ja durchaus hin. In Sachen Golf wenigstens. Dabei war Morris kein Architekt oder Designer im heutigen Sinne. Er arrangierte und kuratierte, fand Layouts in den Rohlingen von Mutter Natur, steckte Abschläge und Grüns aus, schnitt Konturen in den Wildwuchs des spröden Dünengrases, hegte und pflegte.


Golf Grandios: Anlässlich der 150. Open Championship, die im Juli auf dem Old Course ausgetragen und in St. Andrews längst zelebriert wird, richten wir den Fokus auf das Home of Golf und seine Umgebung und porträtieren in loser Reihenfolge außergewöhnliche Kurse sowie andere gute Adressen – samt Empfehlungen für den Aufenthalt in der Region.


Siebtältester Golfclub der Welt

1895 kam der Handlungsreisende in Sachen Golf an die Küste von Crail. Dort hatten sich 111 Jahre zuvor „eleven good gentlemen“ – Grundbesitzer, Marineoffiziere, Anwälte sowie der örtliche Gerichtsvollzieher und der Kneipenwirt, wie die entsprechenden Chroniken ausweisen – im Pub des Fischerdorfs getroffen und die Crail Golfing Society gegründet, den siebtältesten Golf Club der Welt.

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Die Handschrift des Patriarchen: Old Tom Morris legte die Balcomie Links in die Landschaft. (Foto: David Basche)

Das Hafenstädtchen liegt gerade mal ein Dutzend Meilen von St. Andrews entfernt, wo Morris das Amt des Custodian of the Links inne und den Old Course zur Blaupause für Golfplätze in aller Welt geformt hatte. So was wollten sie in Crail auch. Jahrzehnte lang waren die Herren von Stand und mit Tagesfreizeit beim „Jeu de Maille à la Chicane“, diesem Import aus den handelsverbandelten Niederlanden, vulgo dem „Gowf“, hier und dort auf laienhaft hingeschusterten Bahnen durch die Gegend getobt; jetzt sollte ihnen der große Mann höchstselbst was Schickes in die Landschaft legen.

Morris inspizierte das Vorhandene und wurde auf dem vormaligen Grund und Boden der Lords of Balcomie fündig, am Zipfel des East Neuk, dem östlichsten Winkel der einstigen Grafschaft und heutigen Council Area Fife. „Die Links hier sind sehr geeignet für einen Neun-Loch-Platz“, lautete sein Befund: „Ich wage zu behaupten, dass es keinen besseren in Schottland gibt.“ 1899 quetschte er weitere neun Bahnen in das Areal mit den nach Vorväter-Sitte eh kurzen Distanzen zwischen Grüns und nächstem Tee – und genau so liegen die Balcomie Links der Crail Golf Society nach wie vor am Firth of Forth: Als wäre der Patriarch gerade eben erst abgezogen. Oder mit Schaufel und Schubkarre tatsächlich noch irgendwo zugange.

Die Ursprünglichkeit des Spiels

Es gib diesen schönen Satz, den Traditionalisten gern zitieren: „Golf as it was meant to be“. Gemeint ist die Ursprünglichkeit des Spiels, seine Unverfälschtheit jenseits jedweder artifiziellen Attitüde. Genau das schießt einem am ersten Abschlag durch den Kopf. Derweil huscht ein Flimmern durch den Augenwinkel: Old Tom is watching us.

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Ohne Schnörkel: Die Balcomie Links, hier das abwärts laufende erste Fairway, sind pur. (Foto: Michael F, Basche)

Das Fairway ergießt sich vom Plateau des Clubhauses runter auf Meereshöhe, vorbei am historischen Bootsschuppen, der von 1884 bis 1923 Standort von Crails Seenotrettung war, den zweiten Abschlag überschattet und Bühnenbild fürs 14. Grün ist. Dahinter breitet sich der Platz aus. Mit Löchern in alle Windrichtungen, schmalen Fairways, viel Out of Bounds und am westlichen Rand etwas terrassiert, gleichwohl in seiner Modulation so gelassen wie die Nordsee an diesem Tag. Ein Brett. Pur. Ohne Schnickschnack und Schnörkel. Überwältigend schlicht.

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„Risk and Reward“ vom Feinsten: Wer traut sich an der Fünf was mit dem Driver zu? (Foto: David Basche)

Die Faszination des Geläufs liegt im Detail. Wie auf der Fünf, wo die See am Fairway kratzt und Wagemut wie Schlagfertigkeit darüber entscheiden, wie viel schroffsteiniger Küstensaum mit dem Abschlag überbrückt werden kann. „Risk and Reward“ vom Feinsten. Nicht von ungefähr wurde die Bahn „Hell’s Hole“ getauft: Das Höllenloch ist die Nummer eins in Sachen Schwierigkeitsgrad und reicht über 408 Meter bis zum Ende des Areals. Dort grenzt der Platz – welch pikanter Kontrast – beinahe an das 12. Grün des modernen Meisterstücks Kingsbarns.

Überhaupt, die Grüns. Etliche scheinen mit dem Wellenschlag verschmelzen zu wollen: Das zweite, das dritte, das vierte, das 14., das 17. – allesamt Postkartenmotive. Einfach zu spielen sind sie trotzdem nicht.

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Alt und neu: Ein paar hundert Meter hinter dem fünften Balcomie-Grün liegt die Zwölf von Kingsbarns. (Foto: David Basche)

Oder das Par-3-Aufgebot. Mit insgesamt sechs „One-Shottern“, allesamt variantenreich und echte Herausforderungen, bringen es die Balcomie Links auf ein Par von 69 und gerade mal 5.359 Meter „von ganz hinten“. Das 13. Loch beispielsweise, 196 Meter lang und himmelwärts steil in Richtung des Clubhauses auf der Höhe kletternd, ist je nach Wind eine Angelegenheit für den Driver oder mindestens für ein derbes Holz. Die blind anzuspielende Puttfläche liegt gute zehn Höhenmeter über dem Abschlag. Da wird das Bogey zum Erfolgserlebnis.

Schnappatmung auf dem Abschlag der 14

Kaum hat der Puls sich beruhigt, sorgt die 14 erneut für Schnappatmung. Diesmal wegen der grandiosen Gesamtansicht mit der Fahne vor dem bereits erwähnten Bootsschuppen. Aber Vorsicht, das wieder hangabwärts führende Par-3 ist tückisch: Der Ball hängt im Wind, rechts ist Strand und Aus, vorne und seitlich lauern fiese Pottbunker – wehe dem, der sich vom Ausblick täuschen lässt.

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Grandioses Gesambild: Die Par-drei-14 der Balcomie Links mit dem historischen Bootshaus. (Foto: David Basche)

Ohnehin zieht Old Toms Opus zum Ende hin noch mal mächtig an. Die vier Schlussbahnen liegen sozusagen „um die Ecke“: Auf der Rückseite der Klippe, auf der das Clubhaus thront. Der Pfad führt an Constantine’s Cave vorbei, einer durch Auswaschung entstandenen, acht Meter tiefen und seit dem Altertum von Menschen genutzten Höhle am Fuß des Felsens, in der Schottlands einstiger König Konstantin II. vor weit über tausend Jahren von dänischen Usurpatoren erschlagen worden sein soll.

Im Balcomie Castle spukt’s. Echt jetzt!

Die Historiker verweisen das indes ins Reich der Märchen, Konstantin starb als Mönch in St. Andrews einen friedlichen Tod. Wer’s dennoch lieber schön-schaurig mag, kann alternativ im nahe gelegenen Balcomie Castle vorbeischauen. Dort spukt immerhin der Geist eines Jungen, der im 17. Jahrhundert im Verlies des Schlosses verhungert ist. Echt jetzt!

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Postkarte pur: Das vierte Grün der Balcomie Links und die Nordsee. (Foto; Michael F. Basche)

Vorher allerdings bitte zu Ende spielen. Es lohnt sich. Die Bahnen 15 bis 18 auf ihrem ureigenen Terrain sind eine Art Arena, raus und wieder zurück, „out and in“ im Linksgolf-Terminus. Spätestens im Lauf des Nachmittags frischt der Seewind auf, die optischen Verführungen der maritimen Kulisse tun ihr Übrigens: Kopf unten lassen lautet die Devise, um nicht mit zerfleddertem Score im Clubhaus einzukehren, dessen Grundmauern ins Jahr 1905 zurück reichen. Durch die Panoramafenster lässt sich der Ausblick später noch ausgiebig genug genießen. Und entgegen klassischer Klischees können die Schotten sehr wohl Kulinarik. Haggis kann man halt so oder so zubereiten. Das hingegen ist eine andere Geschichte.

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Schlussstrecke „um die Ecke“: Der Abschlag 18 der Balcomie Links vor dem 17. Grün. (Foto: David Basche)

1972 hat die Crail Golfing Society übrigens das gesamte Gelände von der Gemeinde gekauft – ein Schnäppchen von 33.000 Pfund. Was unüblich ist, sind doch gerade die Küstenkurse im Mutterland des Spiels gemeinhin Allmende, im Besitz der jeweiligen Kommune also.

Zweiter Platz aus der Feder von Gil Hanse

1998 legte der Club sogar nach, erwarb vor der Haustüre 46 Hektar ehemaliges Farmland und heuerte Gil Hanse für die Realisierung eines zweiten Platzes an. Der Amerikaner entwarf Craighead, ein absolut authentisches Links-Ensemble mit jeder Menge Spektakel auf 6.164 Metern (Par 72), seine erste Arbeit außerhalb der USA, lange bevor er durch das moderne Juwel Castle Stuart oder den Olympia-Parcours in Rio de Janeiro berühmt wurde. Manche Mitglieder finden Craighead fast besser als das betagte Balcomie, allerdings gilt hier wieder: neue Story.

Gil Hanses Craighead Links. (Foto: David Basche)

Neuer Platz in Old-School-Design: Gil Hanses Craighead Links. (Foto: David Basche)

Golf, Golf, Golf – und Seafood

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Die Leven Links. (Foto: David Basche)

Where to be: In Schottland ist man nirgendwo mehr als 20 Autominuten von einem Golfplatz entfernt. Und auch in Fife drängeln sich die Kurse an der Küste wie die Sardinen in der Büchse: der Old Course und seine sechs „Ableger“ im St. Andrews Links Trust, die Kingsbarns Golf Links, der Dukes oder der Torrance Course. Doch es lohnt sich, auch mal an den Berühmtheiten vorbei zu fahren und den sonstigen Reichtum der Region zu erkunden: „Hidden Gems“ wie die Links in Leven (Foto oben) und in Lundin, historische Schmuckstücke wie Anstruther und Elie, Perlen wie Scotscraig und nicht zuletzt der neue Stern Dumbarnie Links. Informationen finden sich z. B. auf den Portalen „Scotland Where Golf began“ oder „Fife Golf“. (scotlandwheregolfbegan.com/golf-courses-scotland/fife-golf-courses; www.visitfifegolf.com)

(Foto: Reilly Shellfish/Facebook)

(Foto: Reilly Shellfish/Facebook)

Where to eat: Direkt an der Hafenkante von Crail liegt eine der besten Fischbuden in Schottland. Bei „Reilly“ gibt es beileibe nicht bloß Fish & Ships, sondern vor allem Hummer und Krabben, die für den wartenden Gast frisch zubereitet werden.


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Warum also nicht nach dem Gastspiel bei der Crail Golfing Society das 19. Loch ins Dorf verlagern und mit einem köstlichen Seafood-Snack, in pittoresker Umgebung und mit phänomenalen Panorama die Runde Revue passieren lassen? Es empfiehlt sich allerdings, vorher die Öffnungszeiten von „Reilly“ zu checken. (www.facebook.com/reillyshellfish/)

(Foto: David Basche)

St. Andrews, die „Auld Grey Toun“. (Foto: David Basche)

What to see: Na, St. Andrews natürlich. Die „Auld Grey Toun“ ist mehr als nur der Old Course, dennoch vor allem Golf. Es lohnt sich, die Straße The Links entlang zu bummeln, wo viele der Golf Societies ihren Sitz haben, die den Old Course nutzen dürfen. Oder Old und Young Tom Morris in ihrer letzten Ruhestätte auf dem Friedhof der einstigen Kathedrale die Ehre zu erweisen. Oder das R&A World Golf Museum zu besuchen. Oder die Ruinen des Schlosses zu bestaunen. Oder die ehrwürdige Universität. Oder ein bisschen Whisky-Shopping zu machen. Oder oder oder … (www.standrews.com/relax/visiting-st-andrews)

(Foto: David Basche)

The Old Manor Hotel. (Foto: David Basche)

Where to stay: Ein bisschen abseits vom Rummel um das Home of Golf und dennoch mitten drin – The Old Manor Hotel liegt direkt an den Lundin Links, die sozusagen durch die Fenster des Frühstücksraums und des Restaurants leuchten. Und wer sich ein wenig weiter rauslehnt, der erhascht sogar noch einen Blick aufs die Grenzmauer zu den Leven Links. Von der charmanten Herberge im Landhaus-Stil sind es bis nach St. Andrews keine 20 Kilometer, damit ist The Old Manor Hotel der ideale Ausgangspunkt für Golf und Sightseeing in Fife. (www.theoldmanorhotel.co.uk)

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