Der Golfschwung ist eine komplexe Bewegungsabfolge, dessen Gelingen maßgeblich von der richtigen Kraftentwicklung beeinflusst wird. Viel effektiver als das Feilen an technischen Einzelheiten im Golftraining, ist dabei das Trainieren von Druckaufbau und Kraftentladung im richtigen Moment. Denn wenn Golfspieler lernen, in ihrem Schwung die Bodenreaktionskräfte optimal zu nutzen, sind saubere Ballkontakte, wiederholbare Erfolgsschläge und längere Weiten möglich. Im Interview mit der freien Redakteurin Sabine Biskup erklärt Golf-Pro Wan-Rae Cho – Golflehrer in Frankfurt und bei golf absolute im Golfpark Bachgrund – , wie er dafür in seinem Training Bodenmesskraftplatten einsetzt.
Golftraining: Golf-Pro Wan-Rae Cho im Gespräch
Sabine Biskup: Cho, wie lässt sich das Training mit Bodenmesskraftplatten erklären?
Wan-Rae Cho: Das Training mit Bodenmesskraftplatten ist nicht nur innovativ, sondern auch kinderleicht und für jeden einsetzbar. Die Methode habe ich von Biomechanikern erlernt. Sie nutzt Prinzipien der Biodynamik und macht die Kraftentwicklung im Golfschwung sichtbar. In den letzten fünf Jahren habe ich diese Methode speziell auf den Golfsport ausgerichtet. Ich setze Bodenmesskraftplatten mit 3D-Drucksensoren ein, die mir Messwerte einer Spielerin beziehungsweise eines Spielers zeigen. In Zahlwerten und Zeitkurven kann ich sehen, wie und wann welche Kräfte im Golfschwung aufgebaut und entladen werden. Das richtige Nutzen der Bodenreaktionskräfte ist dabei ausschlaggebend für konstante Treffer und lange Weiten. Es geht nämlich gar nicht um möglichst "viel Kraft" oder Detailfragen des Schwungs, sondern darum, das Wechselprinzip der Kräfte korrekt zu verstehen und anzuwenden. Ich erkläre dieses Prinzip einfach und mit bildlichen Rückmeldungen.
Sabine Biskup: Was bedeutet es, die Bodenreaktionskräfte zu nutzen?
Wan-Rae Cho: Die Werte der Bodenreaktionskräfte zeigen mir, woher die Kräfte im Golfschwung kommen und wie stark sie sind. Doch auch ob ein Spieler überhaupt auf die richtige Art Druck aufbaut. Hier spielen das Timing, Druckpunkt, Stärke und Form eine Rolle. Die Kraftnutzung ist im Golfschwung genauso wichtig wie beim Fahrradfahren, Weitsprung, Seilspringen oder Skifahren. Viele Sportarten kennen das Prinzip des richtigen Timings: Springe ich zum Beispiel zu früh beim Weitsprung ab, verliere ich an Weite, springe ich zu spät, ist es ein Fehlsprung. Es ist entscheidend, dass alle Kräfte, die in einem Golfschwung wirken, schon vor dem Treffen des Balls ihre Wirkung entfalten. Genau das überprüfe ich anhand der Messwerte.
Wan-Rae Cho: "Jeder Golfspieler kann mit dieser Trainingsmethode besser werden"
Sabine Biskup: Wie genau läuft so ein Training bei Dir ab?
Wan-Rae Cho: Ich stelle die Golfspieler auf die Bodenmesskraftplatten und lasse sie einen Ball schlagen. Danach kann ich alle Kräfte dreidimensional ablesen, die sie in ihrem individuellen Golfschwung entfaltet haben: die seitliche Kraft, die Drehkraft und die Sprungkraft (denn im Golfschwung stößt man sich vom Boden ab). Durch eine präzise Korrektur der Reihenfolge dieser Kräfte kann ich das Spiel eines Golfers maßgeblich verbessern. Die Auswertungen sind sehr komplex. Man muss das Wirkungsprinzip und Zusammenspiel der Kräfte wirklich verstanden haben, um Empfehlungen daraus ableiten und Übungseinheiten erstellen zu können. Deshalb lasse ich mich regelmäßig bei Biomechanikern fortbilden. Durch meine Erfahrung bin ich in der Lage, einem Spieler Übungen mitzugeben, die perfekt auf ihn zugeschnitten sind. Besonders erfolgreiche Übungsreihen, die ich mit Kindern durchgeführt habe, haben gezeigt, dass sie später viel konstanter und weiter schlagen konnten. Man kann also sagen, dass das, was ich tue und den Spielern mitgebe, sehr einfach umzusetzen ist.
Sabine Biskup: Was ist das Innovative an dieser Trainingsmethode?
Wan-Rae Cho: Das Beste ist, dass wirklich jeder Golfspieler mit dieser Trainingsmethode besser werden
kann - völlig unabhängig vom Alter. Ich habe bereits ältere Spieler und Kinder damit unterrichtet und konnte häufig sofort Verbesserungen sehen. Die Trainingsmethode mit Bodenreaktionskräften ist in den USA und im asiatischen Raum schon sehr populär, doch hier in Deutschland arbeiten erst wenige damit. Innovativ ist, dass die Messwerte Elemente des Golfschwungs sichtbar machen, die dem bloßen Auge verborgen bleiben, nämlich die zeitgerechte Entfaltung der physikalischen Kräfte — und das für jeden Spieler individuell. Weder ein geschultes Auge, ein Trackman noch ein Video können diese Kräfte erfassen. Die Bodenmesskraftplatten zeigen, wo es an Bewegung oder Druck fehlt. Das ist das Besondere
an dieser Trainingsmethode, die auch von den besten Spielern und Longhittern der Welt sowie in anderen Sportarten genutzt wird. Dabei sind Trackman und Videoanalysen natürlich wichtige Ergänzungen, denn sie können genutzt werden, um Erfolge zu überprüfen. Die Informationen von Trackman ermöglichen es außerdem, die Ergebnisse zu quantifizieren, indem man beispielsweise eine deutliche Steigerung der Weite oder eine konstantere Leistung dokumentiert.
Sabine Biskup: Wieso sind die Messwerte der Kraftentwicklung so hilfreich?
Wan-Rae Cho: Die Messwerte sind hilfreich, weil sie sofortiges Feedback geben. Zum Beispiel sehe ich, wie die Kräfte vor dem Treffen des Balls wirken und wie stark sie sind. Durch einen Vergleich mit Durchschnittswerten kann ich dann für einen Spieler feststellen, ob er oder sie sich im optimalen Bereich bewegt. Die Zeitwerte in Kombination mit der Druckmessung zeigen mir außerdem, wo Kraft vergeudet wird — ein wichtiger Punkt, durch den Weite verloren gehen kann! Ich sehe diese Werte in mehreren Kurven, so kann ich dem Spieler ganz konkret und visuell zeigen, wo es bei ihm hapert. Der Spieler selbst wiederum kann es auch in Zahlen sehen, wenn er oder sie sich verbessert. Das ist neben der Freude über die Fortschritte in Konstanz und Weite ein sehr wichtiger Faktor für die Moral. Besonders für meine Nachwuchsspieler und Mannschaften führe ich Excel-Tabellen, um ihre Fortschritte festzuhalten und auch im Athletik-Training punktueller zu trainieren.
"Die Messwerte können helfen, falsche Belastungen zu erkennen und Belastungsschäden zu verhindern"
Sabine Biskup: Was können Golfspieler erreichen, wenn sie bei Dir mit dieser Methode trainieren?
Wan-Rae Cho: Sie können definitiv sofortige Verbesserungen erwarten, besonders im Einzelunterricht. Sie lernen auch, die Zusammenhänge ihres Schwungs besser zu verstehen. Zum Beispiel, dass es nicht zwingend erforderlich ist, den perfekten Griff oder eine gute Schwungrichtung zu haben, um einen guten Schlag auszuführen. Sie können lernen, konstanter und weiter zu schlagen und ihre eigene Methode entwickeln, die für sie am besten funktioniert. Es geht nicht darum, bestimmte Positionen im Schwung zu erreichen, ihren Schwung zu verschönern, sondern darum, das Spiel individuell und ganzheitlich zu optimieren. Alle Wünsche, die ich immer wieder von Golfern höre — sie möchten mehr Konstanz, mehr Weite, saubere Treffmomente, einen flüssigeren Schwung— all das kann mit meiner Trainingsmethode und den Prinzipien der Biodynamik erreicht werden.
Sabine Biskup: Gibt es noch weitere Vorteile gegenüber anderen Trainingsmethoden?
Wan-Rae Cho: Zahlreiche. Das optimale Nutzen der Bodenreaktionskräfte ermöglicht es, den Ball in der
richtigen Reihenfolge zu treffen (in der korrekten kinetic sequence), auch wenn die körperliche Leistungsfähigkeit nachlässt. So kann man auch im Alter noch gut gekoppelt spielen. Es ist nur entscheidend, die Reihenfolge der Kräfte vor dem Schlag zu optimieren. Wenn es hier hapert, ist das der Hauptgrund für geringe Weiten und mangelnde Wiederholbarkeit.
Außerdem gibt es gesundheitliche Vorteile: Die Messwerte können helfen, falsche Belastungen zu erkennen und Belastungsschäden zu verhindern, etwa Bandscheibenvorfälle oder Schmerzen in Knie oder Schulter. Diese gesundheitlichen Aspekte sind sehr bedeutsam für das Golfspiel. Neulich war ein Spieler bei mir, der über Schmerzen im Knie klagte. Nachdem ich ihn auf die Platten gestellt hatte, konnte ich ihm sofort sagen, wo er seinen Körper falsch belastet hat und mit welchen Übungen er sich das abgewöhnen kann. Ein weiterer Vorteil ist die hohe Individualisierung des Trainings: Jeder Spieler ist anders, und ich kann jede individuelle Feinheit eines Golfschwungs sehen und anschließend direkt Korrekturen vornehmen und Übungen vorschlagen. Ein so exaktes Wissen um die Details des Golfschwungs wäre ohne die Bodendruckkraftmessungen unmöglich.
Sabine Biskup: Ist Dein Training auch etwas für erfahrene Spieler?
Wan-Rae Cho: Absolut, denn gerade erfahrene Spieler wünschen sich oft noch mehr Konstanz und Weite, und das ist mit dieser Methode zu erreichen. In den letzten Jahren habe ich rund 50 Profispieler auf der DP World Tour, LET Tour, Asiatischen Tour, Challenge Tour und LIV Promotion Tour vermessen und durfte ihnen Empfehlungen geben. Anschließend konnten sie sehr positive Ergebnisse erzielen. Es ist wichtig zu betonen, dass ich nicht die Techniken der Spieler verändere, sondern lediglich das Schlaggefühl durch das Nutzen der Bodenreaktionskräfte verbessere und wiederholbare Bewegungen ermögliche. Das ist das, was jeder Golfer möchte. Ich verändere quasi nicht, wie sie auf dem Fahrrad sitzen oder es halten, sondern ich optimiere den Kraftstoß, den Druckpunkt und die Zeit, wann sie in die Pedale treten, damit sie den nächsten Berg bewältigen können ohne abzusteigen. Die Werte der Profispieler, die ich auf den Tourneen erfasst habe, dienen mir dabei als Basis, um Durchschnittswerte abzuleiten. Diese Kennzahlen setze ich in meinem Training ein und kann meinen Kunden so sagen, welche Werte erreicht werden können und wo sie sich im Vergleich befinden. Diese Vergleichbarkeit ist nicht nur interessant, um den eigenen Leistungsgrad zu erfassen, sondern auch wichtig, um Fortschritte verfolgen zu können.
Sabine Biskup: Also können sich Golfspielende jeden Niveaus an Dich wenden?
Wan-Rae Cho: Ja, ob Anfänger oder Fortgeschrittene, jung oder älterer Jahrgang, jeder kann von meiner Methode sofort profitieren. Wer konstanter und länger spielen möchte, ist bei mir richtig. Ich finde es wichtig dabei zu helfen, die richtige Bewegung im Golfschwung zu verstehen. Zum Beispiel erkläre ich auch, weshalb manche Spieler die Arme nach dem Treffen anziehen oder weshalb es gar nicht so wichtig ist, den Kopf unten oder den Arm gestreckter zu halten. Auch ein Fahrradfahrer würde mit solchen Haltungsänderungen nicht schneller ans Ziel kommen. Es geht hauptsächlich um die richtige Entfaltung und Nutzung der Kräfte. Die Methode ist immer dieselbe und für jeden Schläger anwendbar— sei es der Driver oder das Eisen 7, beim Chippen oder im Bunker. Man muss lediglich bereit sein, Veränderungen anzunehmen, um von den Prinzipien der Biodynamik zu profitieren.
Wan-Rae Cho ist PGA Golf Professional mit mehr als 20 Jahren Praxiserfahrung, Zusatzzertifizierungen und internationaler Tour-Erfahrung. Seit vielen Jahren hat er sich auf die biomechanischen Prinzipien des Golfschwungs und Technik- und Fehlerkorrekturen spezialisiert. Trainingstermine können auf seiner Website (www.cho.golf) oder über den Golfpark Bachgrund im Golftimer vereinbart werden. Es können auch Trainingspakete gebucht werden, um Erfolge besser überprüfen zu können.