British Open

„Greenkeepers Rache“: Royal Liverpools Bunker stehlen den Stars die Schau

21. Jul. 2023 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Von Ratlosigkeit bis in die Verzweiflung: Justin Thomas fiel den Bunkern zum Opfer. (Foto: Getty)

Von Ratlosigkeit bis in die Verzweiflung: Justin Thomas fiel den Bunkern zum Opfer. (Foto: Getty)

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Geoff Shackelford hat den gestrigen Auftakt der 151. Open Championship perfekt auf den Punkt gebracht: „Bunkers Steal The Show“, schrieb der Journalist und Design-Experte über seine Erkenntnisse zum Tage. In der Tat: Die 81 Bunker von Royal Liverpool haben den Stars die Schau gestohlen. Und dem einen oder anderen in Sachen Major-Ambitionen auch den Zahn gezogen, um bei schrägen Metaphern zu bleiben – siehe Justin Thomas. „Ich wäre zwar nicht besonders glücklich gewesen, wenn ich die 18 mit einem Bogey verlassen hätte. Aber wenn dein Ball in einem dieser Pottbunker landet, dann bist du echt auf Glück angewiesen, um da irgendwie unbeschadet wieder herauszukommen“, sagte Rory McIlroy nach seinem Abenteuer in den Pottbunkern am 18. Grün, das er fast sensationell mit insgesamt fünf Schlägen und damit im Par überstand.

 

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Anderen erging es deutlich schlimmer, und am heftigsten erwischte es Taichi Kho aus Hongkong, der seinen zweiten Schlag in einen der Grünbunker setzte und anschließend einen Alptraum erlebte:

 

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Das Set-up der Pottbunker von Royal Liverpool hat was vom beliebten Clubturnier-Format „Greenkeepers Rache“. Die normalerweise konkav, also leicht trichterförmig angelegte Grundfläche wird für eine Open Championship üblicherweise komplett flach gezogen, zudem fehlt ohnehin jedwedes Gefälle. Damit tropfen Bälle, die über den millimeterkurz ausgemähten Rand rollen, förmlich in den Sand und bleiben einfach an den steilen, in Sodenbauweise (revetted) errichten Bunkerwänden liegen, statt noch in Richtung Bunkermitte zu rollen. Damit nicht genug sind Harken im Einsatz, mit denen normalerweise Heu gerafft wird, die also breitere Abstände zwischen den einzelnen Zinken haben. Dadurch entstehen regelrechte Furchen im Sand, in denen die Bälle zum Liegen kommen.

 

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„Egal, wo du stehst: Irgendein Bunker ist immer im Spiel“, verdeutlicht Shane Lowry die schwierige Sache mit dem Sand. „Und wenn du im Bunker landest, ist das im Grunde ein Strafschlag.“ Normalerweise zuckst du mit den Achseln, wenn du in einem der heute üblichen Sandhindernisse landest – nicht schlimm“, ergänzt Matt Fitzpatrick. „Aber hier versuchst du das um jeden Preis zu vermeiden, es ist wirklich eine Strafe.“ Womit wir wieder bei Tiger Woods sind, der 2006 nicht einmal in einem der Liverpooler Löcher landete und damit einen wesentlichen Grundstein für seinen Triumph legte.

 

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Fleetwood: „Sie haben mich großartig behandelt“

Lokalmatador: Tommy Fleetwood lieferte, und die Zuschauer feierten ihren Helden dafür. Nur gut 30 Kilometer vom heimischen Southport entfernt, knüpfte der 32-jährige Engländer an seine Vorstellung von Royal Portrush vor vier Jahren an, als er mit dem zweiten Platz hinter Champion Golfer Shane Lowry sein bislang bestes Open-Resultat erzielte. „Es war sehr cool, und ich denke, mehr kann man sich von den Fans und der Unterstützung nicht wünschen“, sagte Fleetwood nach seiner 66er-Runde. „Sie haben mich heute großartig behandelt. Der Nordwesten ist nun mal meine Heimat, und ich werde immer ein Junge aus dem Nordwesten sein.“ 2014 war er beim Heimspiel noch an seinen Nerven und nach Runden von 74 und 76 Schlägen am Cut gescheitert.

 

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Auch für den Mitführenden Christo Lamprecht fand Fleetwood lobende Worte: „Das war eine tolle Runde von ihm. Den Namen eines Amateurs an der Spitze der Rangliste zu sehen, ist immer etwas ganz Besonderes bei großen Meisterschaften. Man sieht, wie eine Karriere zu blühen beginnt.“

 

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„Laterne“ Lamprecht und sein Schlag-Zeug

Herausragend: Womit wir beim Zweiten im Führungstrio sind, zu dem sich gestern noch Emiliano Grillo (Argentinien) gesellte – dem Südafrikaner Christo Lamprecht, den sie in Anspielung an seinen Nachnamen und seine Körpergröße von 2,03 Metern nur „lamp post“ (Laterne) nennen. Der amtierende britische Amateur-Champion, Student an der Georgia Tech University, schlägt mit seinem 7,5-Grad-Driver und maximal erlaubter Schaftlänge im Schnitt an die 300 Meter weit und feuerte den Ball gestern in der Spitze auf 332 Meter. Sämtliche Schläger des 22-Jährigen sind 3,5 Zentimeter länger als das Standardmaß. „Es ist schön zu sehen, dass sich die viele Arbeit hinter den Kulissen auszahlt“, kommentierte Lamprecht seine 5-unter-Par-Runde (66). „Davon habe ich nicht mal zu träumen gewagt, aber es ist ziemlich cool.“

 

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Stewart Cink und der Ruhepol an der Tasche

Up and Down: Stewart Cink hatte nach seiner 68er-Auftaktrunde (Platz T7) ein prominentes Beispiel, warum Erfahrung und Ergebnis eine ziemlich gute Kombination sein können: „Schaut euch Phil Mickelson und die PGA Championship von 2021 auf Kiawah Island an“, empfahl der 50-Jährige. Während „Lefty“ gestern mit +6 so seine Mühe hatte, blühte Cink 14 Jahre nach seinem Turnberry-Triumph über dem damals 59-jährigen (sic!) Tom Watson richtig auf und unterschrieb eine blitzsaubere Scorekarte ohne Bogeys: „Ich habe halt schon eine Menge Linksgolf gespielt, und das zahlt sich hier mal wieder aus.“

Dabei hatte der Mann aus Alabama eine eher holprige Anreise, weil sein Flug aus den USA gestrichen worden war und er somit erst am Dienstag in Hoylake ankam. Andererseits hat Cink auch die ideale Unterstützung, denn seit der RBC Heritage im April trägt Ehefrau Lisa seine Tasche. „Wenn sie dabei ist, bin ich draußen auf dem Platz etwas ruhiger“, erklärt Cink den Caddie-Wechsel. „Lisa versteht einfach das Auf und Ab und die Art und Weise, wie ich dazu neige, ein wenig abzudriften. Sie schafft es dann immer wieder, mich wieder zurückzuholen.“ Ist doch schön, wenn die (zwei) Kinder aus dem Haus sind und man als „Empty Nester“ gemeinsam auf Tour gehen kann.

Wyndham Clark: Vom iPad eines Fans ins Rough

Abgelenkt: US-Open-Champion Wyndham Clark hatte gestern seinen speziellen Linksgolf-Moment, als er im fetten Rough auf der linken Seite des 14. Fairway zweimal extrem herumhacken musste, um seinen Ball endlich Richtung Grün zu bekommen.

Der 29-Jährige hatte seinen Abschlag leicht verzogen, der Ball hatte das iPad eines fotografierenden Fans getroffen – Sachen gibt’s im Golf! – und war davon ins Rough abgelenkt worden. „Schon gut, dass ich den Mann nicht direkt getroffen habe“, sagte Clark anschließend. „Aber ohne das Hindernis wäre mein Ball wahrscheinlich im kurzen Gras gelandet.“ Und das iPad? „Das interessiert mich gerade nicht. Diese Situation hat mich total genervt.“ Es war immerhin sein einziges Bogey des Tages, das er mit einem gelochten Putt über gut sechs Meter rettete.

 

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Fowlers „Flirt“ mit der Ausgrenze an der 18

Noch’ne Falle: Neben den Bunkern und der neuen 17 wurde vor allem der „out-of-bounds“-Bereich im Inneren von Royal Liverpool als besondere Schwierigkeit angesehen. Nicht zu Unrecht, flankiert die Ausgrenze doch beispielsweise nahezu die gesamte rechte Seite des 18. Fairway. Zu den prominenten Opfern gehörte neben Justin Thomas (siehe unten) auch Rickie Fowler, der auf dem knapp 550 Meter langen Par-5 beim Versuch zweimal im Aus landete, mit dem zweiten Schlag die noch verblieben Distanz von 227 Meter zur Fahne zu überbrücken. Der Kalifornier ging schließlich mit einem Triple-Bogey vom Grün und war hernach „ziemlich angepisst“, wie Fowler zu Protokoll gab, der sich übrigens während der Runde wegen seines Ausstiegs aus der Investition mit Jordan Spieth und Justin Thomas in den englischen Fußballclub Leeds United ein paar blöde Bemerkungen von Fans anhören musste.

Zurück zum Golf: Der Bereich zwischen drittem und 18. Fairway ist normalerweise die etatmäßige Driving Range des Clubs und wird während der Open für Hospitality- und Merchandising-Infrastruktur genutzt. „Generell ist das völlig ok“, sagte Fowler trotz seines Frusts. „Skurrile Konstellationen gehören in diesem Fall zum Spiel, so ist nun mal Linksgolf.“ Erschwert wird die Aufgabe an der 18 freilich, weil der Abschlag um fast 60 Meter nach hinten verlegt und weiter nach rechts positioniert worden war, was den Winkel ins Fairway noch schwieriger macht. Außerdem wurde die Ausgrenze um rund 20 Meter näher ans Fairway verlegt und ist damit nur wenige Schritten vom rechten Rand entfernt.

„Beach-Boy“ als heimlicher Star am Auftakttag

Zur Nachahmung empfohlen: Alle taten sich gestern schwer mit den flachen Bunkerböden, dabei lag die Lösung im Blickfeld. Zum heimlichen (und unbekannten) Star des Open-Auftakttags avancierte nämlich jener Sportkamerad, der am nahegelegenen weitläufigen Strand von Hoylake eine Übungseinheit absolvierte und mit seinen Sandkastenspielen nicht nur immer wieder von den Fernsehkameras eingefangen wurde, sondern durch die entsprechenden Screenshots auch in den sozialen Medien steil ging. Nur zwei von vielen Kommentaren: „Das Fernsehen hat uns mehr Aufnahmen von dem ,Beach-Boy’ gezeigt, als von den heutigen Top Ten“. Und: „Der Luxus würde mir auch gefallen, am Strand an meinem Schwung zu arbeiten, während ein paar hundert Meter entfernt die Open stattfindet.“

Neuer Tiefpunkt für Justin Thomas

Von der Rolle: Vier Majors, drei verpasste Cuts – diese Prognose darf man bei Justin Thomas getrost wagen, wenn dem zweifachen PGA Champion heute nicht eine Fabelrunde gelingt. Gestern jedenfalls war’s unterirdisch: Die 82 zum Auftakt der 151. Open Championship war die zweite Ü80-Majorrunde nach der 81 in Runde zwei der US Open und schon damals fühlte sich Thomas „so schlecht wie nie in meinem Leben“. Der 30-Jährige rangiert auf dem geteilten 153. Platz; nur der bereits erwähnte Taichi Kho mit seiner 10 auf dem Schlussloch war noch einen Schlag schlechter. Wobei: Die 18 war auch Thomas’ finaler Tiefpunkt, als er zuerst seinen Abschlag ins „internal out of bounds“ drosch, dann beide Bunker auf der linken Seite des Grüns von innen inspizierte und schließlich mit einer 9 (Quadruple-Bogey) den Tag beendete. Es ist definitiv nicht die Saison des Justin Thomas, der letztmals vergangenes Jahr bei der PGA Championship gewonnen hat, als beste Platzierung einen vierten Platz bei der Phoenix Open in der Bilanz hat, auf Platz 20 der Weltrangliste abgerutscht ist und sogar um die Teilnahme am Ryder Cup bangen muss.

Hovland und sein viertes „Birdie“

Zum Schluss: Wenn einer vier Birdies und zwei Bogeys hat und am Ende der Runde über den Par-71-Kurs ein Score von 70 Schlägen steht, dann passt da rechnerisch offenkundig was nicht zusammen. Es sei denn, eins der „Birdies“ kommt von oben. Und damit sind wir bei Viktor Hovland, den gestern ein Vogel im Überflug „abschoss“: Der Norweger war beim zweiten Schlag auf der 15, als die Hinterlassenschaft einer Möwe auf den rechten Ärmel seines Windbreaker klatschte. „Hoppla, was war das?“, stutzte Hovland: „Man hat mich beschissen.“ Aber so was soll ja Glück bringen …

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