Er plaudert, klopft Schultern, wirkt sehr gelöst und hat für jedermann ein Lächeln: Tiger Woods ist angekommen in der Masters-Woche 2015. Wörtlich und im übertragenen Sinn. Am frühen Nachmittag des Ostermontags landete der Superstar mit seinem Privatjet auf dem Regionalflughafen von Augusta und schritt umgehend zur Tat. Im Augusta National Golf Club ging‘s gleich ans Chipping-Grün – so, als wollte Woods der Welt direkt zeigen: Seht her, ich bin da. Und ich habe keine Probleme mit meinem Spiel!
„Patrons“ kehren sogar vom Parkplatz zurück
Um 15:26 Uhr Ortszeit erschien Woods auf der beeindruckenden Übungsanlage mit ihren vielen authentischen Platzelementen, schlug ein paar Bälle, testete Wedges mit verschiedenen Bounces. Von „Yips“ keine Spur. Im Gegenteil: „Mein Chippen ist prima!“ Um 16:14 Uhr verließ er die Range, 17 Minuten später betrat der 39-Jährige zur Proberunde mit seinem alten Freund und einstigen Isleworth-Nachbarn Mark O‘Meara das erste Tee, das dicht gesäumt war von Zuschauern, die beim Masters nur „Patrons“ genannt werden dürfen. Selbst auf dem Weg zu den Parkplätzen machten die Leute auf dem Absatz kehrt, als sich die Kunde von Woods‘ Eintreffen verbreitete.
Es herrscht Hype in Augusta. Tiger-Mania! „Öffnet das Zelt und schickt die Clowns rein“, schrieb der preisgekrönte US-Journalist Art Spander: „Der Tiger-Woods-Zirkus kommt!“
Auch wenn trotz dieser Aufforderung äußerlich alles weiterhin ruhig und gediegen zugeht, die Patrons nach wie vor nicht rennen dürfen und die Azaleen ohnehin in aller Beschaulichkeit vor sich hin blühen: Die Atmosphäre ist elektrisiert, die Luft summt vor lauter statischer Aufladung.
Vermutlich nie zuvor wurde ein Spieler so unter die Lupe genommen, wurde so auf die Ausführung eines jeden Schlags gelauert wie gestern. Dies setzte sich auch am Dienstag fort, kaum dass der Tiger Augustas Rasen betreten hatte. Rory McIlroy und sein möglicher Karriere-Grand-Slam? Na und! Mitfavorit Jordan Spieth und Titelverteidiger Bubba Watson? Bloß Statisten!
„Bin wieder an dem Punkt, ein Turnier gewinnen zu können“
Momentan gehört die Masters-Bühne nur Woods. Noch. Im Augusta National Golf Club überlagert eine Frage alles: Was wird sein, wenn Tiger Woods wieder in den Turnierbetrieb einsteigt? Nach zweimonatiger Abstinenz, nach zwei Rückzügen, drei verpassten Cuts und einem geteilten 69. Platz in den letzten sechs Turnieren auf der PGA Tour.
Während des Probedurchgangs attestierte ein – möglicherweise enthusiasmierter – Beobachter dem 111. der Weltrangliste schon mal „brillantes Spiel“. Tatsächlich lieferte Woods über die gespielten elf Löcher eine formidable Vorstellung. Er machte ein Birdie auf der Eins, verpasste das Eagle auf der Par-fünf-Zwei wegen dreier Putts, sorgte aber nach einem gewaltigen Drive mit einem perfekten Wedge für ein Raunen rund ums Grün und knallte dann auf der Vier, dem ersten Par drei, ein Eisen drei fast tot an die Fahne. Und lachte: „Einige Dinge ändern sich halt nie.“ Hernach spielte Woods die Fortschritte runter: „Es war ein Prozess. Und es scheint, als sei ich jetzt auf der guten Seite.“
Mit den Kindern auch Start beim Par-drei-Wettbewerb
Der Buchmacher PaddyPower hat die Quote für den fünften Masters-Sieg des Tigers flugs auf 50:1 korrigiert. Woods selbst lässt an den Ambitionen für seinen 20. Aufritt beim ersten Major des Jahres keinen Zweifel. „Der Fortschritt ist spürbar“, sagte er: „Ich musste mit meinem Spiel wieder an einen Punkt kommen, an dem ich nicht nur wettbewerbsfähig bin, sondern ein Turnier auch gewinnen kann. An diesem Punkt bin ich.“ Das ist mal eine Ansage.
Seine Entscheidung fiel übrigens nach einem zweiten privaten Übungsumlauf am vergangenen Freitag, diesmal mit Masters-Marker Jefferson Knox, Clubmitglied und mit 61 Schlägen Rekordhalter von den „Members Tees“, der schon manchen Professional inklusive Rory McIlroy vergangenes Jahr eher alt aussehen ließ. Woods indes gab dieser letzte Test den entscheidenden Schub, seinen Masters-Start zu bestätigen. „Jetzt“, sagte Kumpel Mark O‘Meara nach den gemeinsamen Probelöchern, „ist er einfach froh, hier zu sein.“
So froh, dass Woods mit seinen Kindern Sam und Charlie sogar am Par-drei-Wettbewerb teilnimmt. Erstmals seit 2004 stellt sich der 14-fache Majorsieger wieder dem „Fluch“ für die Gewinner vom Mittwoch. Noch nie hat es einer unmittelbar anschließend auch ins „Green Jacket" geschafft. Aber wie sagte O'Meara: „Man sollte einen Tiger Woods niemals unterschätzen.“