Panorama

Lämmer, Lords und „Lefty“: Wenn Golf einer Krise wieder mal den Finger zeigt

05. Jun. 2020 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Drei spektakuläre Kurse öffnen mitten im Corona-Restart. (Foto: Dumbarnie Links Golf)

Drei spektakuläre Kurse öffnen mitten im Corona-Restart. (Foto: Dumbarnie Links Golf)

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Im „Outer Space“ von Oregon findet gerade eine Art Völkerwanderung statt. Wie die Lemminge strömen die Golfer auf die Klippen über dem Pazifik – aber nicht, um sich ins Meer, sondern auf die Fairways von Sheep Ranch zu stürzen, dem sechsten Kurz des Golf-Arkadien Bandon Dunes im US-Nordwesten. An der schottischen Nordseeküste wird derweil mit den Dumbarnie Links das prächtige Puzzle der Plätze rund ums „Home of Golf“ St. Andrews um ein süperbes Segment reicher. Und in Kanada dachte sich Phil Mickelson vermutlich, was Tiger Woods mit Bluejack National recht ist, kann mir nur billig sein, als er nahe Calgary sein Mickelson National in Landschaft der Provinz Alberta pflanzte.

Kraftvolles Zeichen der Resilienz

Am 1. Juni wurde auf allen drei Kursen offiziell Eröffnung gefeiert – mitten im Corona-Restart. Natürlich waren die Projekte eingestielt und längst die ersten Kubikmeter Erde bewegt, bevor das Virus die Welt in den Würgegriff nahm. Dennoch ist der zeitliche Zufall ein kraftvolles Zeichen für die Resilienz des Spiels: Golf zeigt wieder mal einer Krise spektakulär den Finger.

253 Spieler zwischen 6.20 und 17.30 Uhr Ortszeit, Tee Times alle zehn Minuten: Das war der erste Tag auf Sheep Ranch, dem sechsten und letzten Platz, mit dem der visionäre Mike Keiser („Built it and they will come“) seinem Schatzkästchen Bandon Dunes füllt. Umgehend ist unter den Fachleuten denn auch die Debatte entbrannt, ob das jüngste womöglich auch das beste der fünf 18-Loch-Layouts sei – trotz der Meriten, die beispielsweise Bandon und Pacific Dunes oder Old McDonald in den vergangenen Jahren gesammelt haben.

Neun Grüns direkt über dem Pazifik

Keiser selbst will sich naturgemäß nicht festlegen. „Zwei Dinge machen Sheep Ranch auf jeden Fall sehr besonders“, betont der Unternehmer aus Chicago, der mit der Produktion von Grußkarten zum vermögenden Mann wurde: „Neun Grüns liegen direkt oberhalb des Ozeans. Und wir haben fast zwei Kilometer Küstenlinie, die das überhaupt erst möglich machen.“ So eröffnet sich nahezu von jeder Stelle des Platzes die Perspektive auf den Pazifik, und nicht nur Keiser fragt sich mehr bewundernd denn ernsthaft, wie das kongeniale Designer-Duo Bill Coore und Ben Crenshaw ein solch überragendes Routing realisieren konnte – ihrem zweiten Projekt nach dem bereits fabelhaften „Inland-Links“ Bandon Trails übrigens.

Atemverschlagendes Arrangement

Die beiden haben schlichtweg genau hingeguckt, was ihnen Mutter Natur auf die Gestaltungspalette gelegt hat und daraus ein atemverschlagendes Arrangement zusammengestellt, das in all seiner furchigen Naturbelassenheit ohne Sandbunker auskommt. Seit 2001 haben die 162 Hektar der „Schafsfarm“ auf ihre Erweckung gewartet, Keiser und sein Partner Phil Friedmann hatten das Land vorsorglich gekauft – „vielleicht kommt ja der Tag, an dem man‘s braucht“ – und sogar mal 13 Grüns angelegt, die aber eher im Dornröschenschlaf lagen und wie das Areal insgesamt allenfalls die Assoziation von grasenden Wollknäueln und lustig herumtollenden Lämmern nährten.

2015 dann kamen Coore und Crenshaw und machten sich an ihr brillantes Werk. „Sheep Ranch ist mit seiner Küstenkonstellation und den Konturen geradezu perfekt für Golf“, schwärmt Bill Coore. „Wir sind extrem dankbar, das Mike uns dieses ganz besondere Stück Land anvertraut hat.“

Anfängliche Skepsis in Schottland

Um Vertrauen ging es auch bei Anthony Lindsay, Lord Balniel, irgendwann 30. Earl of Crawford, künftiger Chef des Clan Lindsay und „operativer“ Herr auf Balcarres House sowie über gut 2.000 Hektar Liegenschaften im Süden von St. Andrews. Davon rund 1,4 Quadratkilometer oder 140 Hektar jungfräulich reines Linksland, das seit mehr als 430 Jahren förmlich auf seine eigentliche Bestimmung zu warten schien.

Der Haken an der Sache: Seine Lordschaft ist kein Golfer und erinnert sich, dass „wir uns anfangs nicht sicher waren, als die Idee an unsere Familie herangetragen wurde, auf unserem Land einen Golfplatz zu bauen“. Zahllose Besprechungen und Planspiele später durfte sich Architekt Clive Clark dann doch der Fläche annehmen und ließ fast 400.000 Kubikmeter Erde zu Schottlands neuester Platz-Preziose zurecht schieben, ohne die sensible Symmetrie des Landschaftsschutzgebiets zu verletzen.

Spektakuläre Neueröffnungen: S...

Dünenlandschaft wie Armageddon

Dumbarnie Links in Lower Largo ist feinstes Golf alter Ästhetik in moderner Methodik, ein Äquivalent zu Kingsbarns auf der anderen Seite dieses Küstenzipfels des Kingdom of Fife und ebenso als reine Spielwiese für Gäste konzipiert.

Um beim Golf-Gaudium der Gegend mitspielen zu können, muss einer schon was besonderes ins Gelände gießen – und genau das ist dem einstigen Ryder-Cup-Teilnehmer Clark gelungen. Der Engländer baute eine Dünenlandschaft, die einen Nachbarn an Armageddon denken ließ, den Schauplatz der endzeitlichen Entscheidungsschlacht.

Für Golfer freilich ist das großes Geschirr: mit erhöhten Abschlägen, ausladenden Fairways und übermütig ondulierten Grüns, von denen 14 die Bucht von Largo und sogar Muirfield und Gullane auf der anderen Seite des Firth of Forth ins Blickfeld rücken. „Etliche Jahre nach unseren anfänglichen Bedenken könnten wir kaum mehr erfreut sein: Clive Clark und sein Team haben Außergewöhnliches geleistet“, sagt Lord Balniel heute. „Ich bin von der Schönheit der Landschaftsgestaltung ebenso überwältigt wie von der Aufmerksamkeit für Fauna und Flora.“

Ein Epos mit holprigem Anlauf

Es gibt Leute, die von Phil Mickelsons Kreation im Westen der Rodeo-Metropole Calgary behaupten, es gebe keinen vergleichbaren Golfplatz in Kanada. Lange genug hat‘s gedauert, vor 13 Jahren bereits sicherten sich Barry Ehlert und seine Windmill Golf Group das Gelände. Ein Epos sollte draus werden, eine Must-play-Bühne für die Canadian Open beispielsweise.Doch dann kam die Finanzkrise von 2008 und stutzte fürs Erste alle turmhohen Träume.

Als Ehlert den zweiten Wind bekam, hatte er ausschließlich „Lefty“ als Designer im Sinn. „Sein Sinn für Details, seine Vision für das Gelände, seine Passion für strategisches Design ebenso wie für die Blickwinkel von Zuschauern sind wirklich beeindruckend“, lobt Ehlert. „Er hat so viele Aspekte gesehen, die uns total durchgegangen sind.“ Folglich ließ er den fünffachen Majorsieger nach Gutdünken gewähren und der es mit einer Armada von Maschinen richtig krachen. Das Ergebnis ist ein echtes Brett von Golfplatz, ein Auf und ab von Gruben, Hanglagen und Kuppen vor der Kulisse der schneebedeckten Rocky Mountains am Horizont.

Drei Namen für die Bucket List

Die beste Nachricht zum Schluss: Alle drei Kurse sind öffentliche Anlagen und gegen Greenfee bespielbar, wenngleich Mickelson National mittelfristig im Rahmen einer Umfeld-Villenbebauung zum Privatplatz werden soll. Irgendwann wird Reisen ja hoffentlich wieder Spaß machen, und solche Ziele gehören definitiv auf die Bucket List.

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