Europa hat nach einem Dutzend Durchgängen wieder eine Majorsiegerin. Und die Franzosen haben nicht nur die erste Championesse ihrer Golfgeschichte, sondern überdies eine, die auf heimischem Boden gekürt wurde: Céline Boutier hat mit ihrem Triumph bei der Amundi Evian Championship wirklich alles richtig gemacht. Das passt ziemlich gut zum Zustand der Ladies European Tour (LET), die heuer eine bemerkenswerte Saison absolviert.
Zugang zur Wirtschaftselite durch neuen Partner
Das vor nicht allzu langer Zeit noch am existenziellen Abgrund taumelnde Golfbetriebssystem reüssierte einmal mehr – dank 30 offizieller Turniere und einer bislang unerreichten Gesamtdotierung von 35 Millionen Dollar. Das Engagement des saudischen Erdöl-Dukatenesels Aramco ist ein Glücksfall für die LET, gerade wurde zudem das Future Investment Initiative (FII) Institute als strategischer Partner ins Boot der Team-Series geholt.
Die weltweit tätige gemeinnützige Stiftung hat in den vergangenen drei Jahren mehr als 13 internationale Konferenzen und Kongresse für Unternehmenslenker und Top-Wirtschaftsmanager veranstaltet und wird erstmals bei der Aramco Team Series Riad als Mitpräsentator neben Saudi-Arabiens Public Investment Funds PIF auftreten. Außerdem wurde vor kurzem die bereits 17 Jahre währende Kooperation mit dem Landmaschinen- und Golfplatzpflegemaschinen-Hersteller John Deere verlängert und erweitert.
„Unglaublich aufregendes Jahr für die LET“
Derart fröhlich prosperierend steuert der einstige englische Patient mit Sitz im Buckinghamshire Golf Club nahe London auf den zweiten Saisonhöhepunkt nach der Amundi Evian Championship zu: dem Solheim Cup vom 22. bis 24. September in Finca Cortesin an der spanischen Sonnenküste. „Dank unserer Partner, Veranstalter, Austragungsorte und Fans wird 2023 ein unglaublich aufregendes Jahr für die Ladies European Tour“, hatte CEO Alexandra Armas bei der Vorstellung des Spielplans versprochen. „Wir bieten nun eine Plattform für Frauen, die eine erfolgreiche Karriere aufbauen und ihre Träume im Profigolf verwirklichen wollen.“
Im Gespräch mit Alexandra Armas …
Golf Post hatte unlängst die Gelegenheit zu einem Gespräch mit der ebenso smarten wie resoluten und bei den Spielerinnen nicht nur als einstige Kollegin geschätzten Spanierin …
… über die Befindlichkeit der Ladies European Tour
Armas: Aus dem sportlichen Blickwinkel gesehen haben wir die generelle Anzahl der Turniere und insbesondere die Anzahl der Turniere in Europa erhöht, was sehr wichtig ist. Wir sind in viele Länder zurückgekehrt, in denen wir zwischenzeitlich keine Turniere hatten. Und nicht zuletzt haben wir ein höheres Gesamtpreisgeld als jemals zuvor in der Geschichte der LET. Was die geschäftliche Seite betrifft: Die Reichweite unserer TV-Übertragungen ist signifikant gestiegen. Wir wachsen kommerziell und sind finanziell stabil. Auf dieser Basis können wir einen Plan für die Zukunft aufstellen und sagen: Okay, das ist jetzt unsere Vision. In diese Richtung soll es gehen. Die Ziele sind gesteckt und wir sind in einer guten Position. Aber wir wissen ebenso, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben.
… über den neuen strategischen Partner der Aramco Team Series
Armas: Ich bin überzeugt, dass diese Partnerschaft auf dem ohnehin derzeit vorhandenen Momentum aufbauen kann und das Damen-Profigolf an den entscheidenden Stellen nochmal mehr ins Gespräch bringt, was zu weiteren Investitionen in unseren Sport führen kann. Es ist gerade eine aufregende Zeit für den Frauengolfsport und die globale Sportszene insgesamt.
Um den Elitebereich auf die nächste Stufe zu heben, müssen wir einen Weg in die globalen Budgets finden. Noch werden viele LET-Turniere von der regionalen oder nationalen Unternehmen gesponsert, obwohl dahinter Weltkonzerne stehen. Die müssen wir direkt erreichen. Der Schlüssel dazu ist die globale Sichtbarkeit, die weltweite Präsenz. Hier schließt sich der Kreis zum FII Institute: Es geht darum, all diese Möglichkeiten zu nutzen, um die Tour wachsen zu lassen.
… über den Stellenwert von Damengolf
Armas: Wir wissen alle, dass selbst Herren-Profigolf immer noch ein Nischensport ist, verglichen mit Fußball und Basketball und American Football. Der entscheidende Faktor ist die Sichtbarkeit. Wenn die Leute die Möglichkeit haben hinzuschauen, als Turnierzuschauer oder am TV, werden sie erkennen, dass Damen-Profigolf den Vergleich mit den Herren nicht scheuen muss – ebenso wenig, wie andere Frauensportarten. Die Spielerinnen liefern sich einzigartige Wettbewerbe, sie sind talentiert und sehr geschickt in dem, was sie tun. Ja, sie spielen anders als die Männer, aber unser Golf ist nicht weniger attraktiv.
Andererseits führen wir den Spielerinnen immer wieder vor Augen, dass diese Events nicht nur stattfinden, weil man einen Golfball ins Loch schiebt. Turniere finden statt, weil man sich auf seine Partner und auf die Medien einlässt. Nicht zuletzt, weil die Damen verstanden haben, dass sie auch abseits der Fairways viel härter arbeiten müssen als die Männer, um Aufmerksamkeit und Anerkennung zu bekommen. Die Jungs von der DP World Tour brauchen nur irgendwo aufzutauchen, und schon drehen alle durch.
Letztlich jedoch geht es um ein Gleichgewicht zwischen Sport und Promotion, denn die Athleten sind hier, um ein Turnier zu spielen, und das erfordert eine Menge Vorbereitung. Die Girls sind sehr willig, LET-Turniere und damit ja sich selbst zu fördern. Aber es geht darum, bei allen Aktivitäten eine Balance zu finden.
… über die Bedeutung eines LET-Turniers in Deutschland
Armas: „Es war stets eines unserer großen Ziele, ein Frauenturnier in Deutschland zu veranstalten, in einem für uns eindeutig wichtigen Golfmarkt. Es gibt viele tolle Golfplätze, viele starke deutsche Spielerinnen, die Woche für Woche in Europa spielen – doch wir hatten diesbezüglich ein Defizit im Terminkalender. Aber glücklicherweise auch die Beziehungen zu Amundi und zu U.COM als Promoter. Also haben wir uns zusammengesetzt und gefragt: Können wir das schaffen? Und wir haben einen Weg gefunden.
Für die Zukunft denke ich nicht unbedingt an mehr Turniere in Deutschland, sondern eher daran, dieses Amundi German Masters nachhaltig zu gestalten und dauerhaft zu etablieren. Es gibt zwei große Events der DP World Tour, mit denen wir konkurrieren und unseren Platz in diesem Reigen finden müssen. Ich denke, dass die bisherigen zwei Austragungen [im Golf- und Country Club Seddiner See] ein guter Anfang waren. Ich hoffe, dass dieses Turnier über viele Jahre hinweg Bestand hat.
Und natürlich hilft es in Sachen Sichtbarkeit enorm, wenn auf dem Leaderboard deutsche Namen ganz vorn dabei sind. Das ist in jedem Land so, nicht nur in Deutschland.
… über LIV-Golf-Impresario Greg Norman und seine Solidaritätsbekundungen für das Damen-Profigolf
Armas: Lassen Sie mich vorausschickend festhalten, dass wir eine enge Zusammenarbeit mit Golf Saudi [Promoter des Golfsports in Saudi-Arabien]und mit Aramco haben. Beide Partner haben wesentlich zum Erfolg der Tour in den vergangenen Jahren beigetragen: durch gute Turniere auf guten Plätzen und mit guten Preisgeldern. Wir haben vor, diese enge Beziehung fortzusetzen. Natürlich ist präsent, was derzeit im Herren-Profigolf passiert. Aber es gibt eine klare Abgrenzung zwischen dem, was wir tun, und dem Thema LIV Golf oder der Rahmenvereinbarung zwischen dem saudischen Public Investment Funds PIF und der PGA Tour.
Auch wenn wir nicht direkt davon betroffen waren, war die Situation bei den Männern nicht gut für die Stimmung im Golfsport. Wenn man jetzt versucht, einen gemeinsamen Weg zu finden, dürfte also gut für den Golfsport sein. Letztlich wird es dann auch den Frauen zugutekommen.
Und nein, es gab bislang keinerlei Gespräche [mit LIV Golf und dessen CEO Greg Norman]. Das war nie ein Thema. Zurzeit weiß eh keiner, was aus der LIV Golf League wird. Andererseits: Wenn es die Möglichkeit für ein Gespräch gäbe, wären wir verrückt, wenn wir es nicht führen würden. Unsere Verantwortung gegenüber der Tour und den Spielerinnen bringt es nun mal mit sich, jede sich bietende Möglichkeit wenigstens zu prüfen.“
Señora Armas, besten Dank für ihre Zeit.
Das Gespräch führte Golf-Post-Autor Michael F. Basche.