So vieles ist anders diesmal beim Masters: Die Kulisse im Augusta National Golf Club trägt die Farben des Herbst, das Familienfest des Par-3-Contest fällt aus, die Anlage wirkt leer ohne Faltstühle und Fans – Pardon, Patrons. Irgendwer schrieb dieser Tage, die splendide Einsamkeit und der Klang der Stille vermittele einen Eindruck davon, wie es in den anderen 50 Wochen des Jahres zugehe, wenn die Öffentlichkeit ausgesperrt ist und die Grünjacken in ihrem elitären Refugium an der Washington Road unter sich sind.
Kein Publikum zu haben, „ist echt ätzend“
Den Spielern fehlen die Zuschauer. „Das ist ein Riesenunterschied ohne diesen permanenten Geräuschpegel, der ständig in Bewegung ist und anschwillt, wenn irgendwo was passiert“, sagt Tiger Woods. „Ganz abgesehen davon, dass einem die Dimensionen des Kurses erst bewusst werden, wenn nicht 40.000 Leute den Raum füllen: Mir hat die Präsenz der Patrons immer geholfen.“ Billy Horschel wiederum macht verbal kurzen Prozess mit dem Thema: Kein Publikum zu haben, „ist echt ätzend und nervt“.
Nicht nur ihn. Die vergleichsweise gespenstische Leere setzt sich ja außerhalb des schmiedeeisernen grünen Zauns fort. Im Straßenbild. Augusta, mit knapp 200.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt des US-Bundesstaats Georgia, lebt vom Masters. Von den Golfverrückten, die alljährlich im April das betuliche Gemeinwesen am Savannah River beleben, optisch wie wirtschaftlich.
Selbst das Finanzamt profitiert kräftig
Das Turnier ist wahrhaft eine Finanzspritze, bringt der Stadt jedes Jahr rund 100 Millionen Dollar, so hat‘s die Zeitung „Augusta Chronicle“ hochgerechnet. Andere sprechen gar von 150 Millionen Dollar. Alle profitieren: Hotels, Restaurants, Bars und Catering-Unternehmen, private Vermieter, Fahrdienste, Lebensmittelgeschäfte, die Golfanlagen in der Umgebung, selbst das Finanzamt, das für den April üblicherweise ein Plus von vier Millionen Dollar an Steuereinnahmen einstreicht.
Nach der Verschiebung des Masters in den November hatte man darauf gebaut, das wenigstens jetzt ein bisschen Geschäft mit Gästen auch die Einbußen aus fünf Monaten Corona-Einschränkung lindert. Doch diese Hoffnungen platzten, als Augusta Nationals Vorsitzender Fred Ridley Mitte August offiziell verkündete, worauf Bürgermeister Hardie Davis seine Kommune schon in der Vorwoche vorsichtig eingestimmte hatte: Das 84. Masters findet ohne Galerie statt – ein herber Schlag ins Kontor.
Nicht mal John Daly ist da
Die Entscheidung tangiert sogar Schulen und die regionale Jugend, denn normalerweise gibt es Sonderferien, damit die Schüler in den zahllosen Imbiss- und sonstigen Verkaufsständen jobben können. Jetzt kommt nicht mal John Daly mit seinem Wohnmobil, um auf dem Parkplatz der örtlichen „Hooters“-Niederlassung Audienz zu halten und seinen Namen in Form von Memorabilia zu verhökern.
Das Masters und seine Patrons „sind seit vielen Jahren Teil unseres Lebensrhythmus.“ zitiert „Golf Digest“ Ed Rees, den Pastor der Presbyterianische Kirche St. Andrew: „Und der ist empfindlich gestört.“ Rees und seine Frau Angie gehören zu den privaten Vermietern und vermitteln zudem Quartiere. Ein Teil der Erlöse fließt in Förderprojekte für College-Kids.
Die Preise für auswärtige Logis-Nehmer sind gesalzen. Viele „Augustians“ gehen während des Masters in Urlaub und stellen ihre Häuser zur Verfügung. Die Preise reichen von 25.000 bis 150.000 Dollar in Bestlage. Und aus der Restaurantszene von Augusta ist zu hören, dass die Erlöse während des Majors rund 15 Prozent der jährlichen Umsätze ausmachen.
Golfclubs schlagen bei Greenfees gehörig auf
Nicht zuletzt machen die umliegenden Golfclubs ordentlich Reibach, während die Weltelite hinter der Magnolia Lane ums Green Jacket spielt. Bis zu 500.000 Dollar in dieser einen Woche, schreibt „Golf.com“. Der Forest Hills Golf Club beispielsweise ruft dann für seinen Donald-Ross-Kurs 200 Dollar Greenfee auf, normalerweise sind es 45 bis 55 Dollar. Für den April musste Manager Dan Elliot etliche bereits gebuchte und bezahlte Runden erstatten, aktuell ist die Greenfee-Sparte im Startzeitenkalender ein komplett unbeschriebenes Blatt.
Top Golf hofft auf 2021, wie alle anderen auch
Selbiges gilt für die Top-Golf-Anlage am „Riverwatch“-Einkaufszentrum. Das Freiluft-Ensemble mit einem Fassungsvermögen von 800 Personen auf einer Ebene sollte eigentlich zum Masters im April eröffnet werden, das wurde dann im Zuge der Major-Verschiebung auf Anfang Juli verlegt. „Augusta als eine Art Golf-Hauptstadt war in Sachen Standortwahl ein Selbstläufer. Für diese November-Woche hatten wir jede Menge Programm geplant, um Gäste anzulocken“, erzählt Marketing-Manager Sean Frantom, der sich seit 1985 kein Masters entgehen lässt und jetzt alle Aktivitäten auf April 2021 und die 85. Auflage verschiebt.
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Augusta National selbst muss 90 Millionen kompensieren
Und schließlich ist da noch Augusta National selbst. Das Geld der drei Hauptsponsoren IBM, Exxon und AT&T geht mehrheitlich dafür drauf, die Übertragungskosten des TV-Senders „CBS“ zu refinanzieren und somit zu bestimmen, was wann wie gesendet wird. Der Club wiederum verdient durch Eintrittskarten, Merchandising und Verpflegung. Für 2015 hat „Golf Digest“ mal folgende Einnahmen geschätzt: 34,75 Millionen Dollar aus Ticketverkäufen, 47,5 Millionen Dollar aus „Devotionalien“, die Imbissstände bringen 7,75 Millionen Dollar.
Dieses Jahr freilich blieb die Kasse leer, das Online-Geschäft mit der Logo-Ware für Ticketbesitzer soll‘s halbwegs kompensieren. Doch wenn irgendwer sich das leisten kann, dann dürfte es der Augusta National Golf Club sein.